Was ist passiert? Nikolaus Brender ist seit 10 Jahren Chefredakteur des ZDF und gilt als unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist vor allem der Union, ganz vorne Hessens Ministerpräsident Roland Koch ein Dorn im Auge. In der Sitzung des Verwaltungsrates des ZDF gestern in Berlin wurde eine Weiterbeschäftigung von Nikolaus Brender mit 7 von 14 Stimmen abgelehnt. Brender hätte neun Stimmen gebraucht.

Nach der Causa Brender hat die kritische bezahlende Öffentlichkeit eigentlich ein Recht darauf, dass ähnlich wie bei Politikern, die Ihre Nebentätigkeiten öffentlich machen müssen, auch von allen im öffentlich rechtlichen Rundfunk tätigen berichtenden Journalisten, deren Parteizugehörigkeit öffentlich und transparent gemacht wird. Das ist insbesondere bitter für alle die Journalisten, die unabhängigen und seriösen Journalismus betreiben, sich für Transparenz und Aufklärung engagieren, die es auch in den öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten gibt. Die Union, die Kanzlerin und insbesondere der hessische Ministerpräsident Roland Koch zeigten mit ihrem Vorgehen was sie von Grundgesetz und Rundfunkfreiheit halten: Rein gar nichts! Zwar ist es bei den Anstalten der ARD, wie etwa dem WDR* anders geregelt, aber auch deren Intendanten geben gegenüber Medien zu, dass mehr oder weniger subtil versucht wird Einfluß zu nehmen.
 
Zur Causa Brender läßt der Intendant des ZDF Markus Schächter schriftlich erklären: "Ich habe heute für meinen Vorschlag, die Beauftragung von Nikolaus Brender zu verlängern, nicht die erforderliche Mehrheit von drei Fünfteln der Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten. In einer geheimen Abstimmung haben sieben der 14 Mitglieder für meinen Vorschlag gestimmt. Das staatsvertraglich geforderte Einvernehmen zwischen Verwaltungsrat und Intendant ist damit nicht erreicht. Ich bedaure das außerordentlich, weil ich mich mit guten Gründen für Nikolaus Brender eingesetzt habe. Er hat in den vergangenen zehn Jahren einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des ZDF geleistet und ist eine große Stütze im Team der Geschäftsleitung. Ich habe in der Begründung für Nikolaus Brender seine publizistische Unabhängigkeit und journalistische Kompetenz herausgestellt, seine souveräne Zukunftskonzeption für den Bereich der Aktualität und Information in der digitalen Welt sowie seine solide Haushaltsführung, mit der er erhebliche Einsparungen ermöglicht hat. Ich habe kein Verständnis dafür, dass sogar mein mit Nikolaus Brender abgestimmter Versuch, die festgefahrene Situation durch einen Kompromiss zu lösen, nämlich eine verkürzte Beauftragung bis Januar 2012, nicht mehrheitsfähig war."

Auch bei 35 deutschen Staatsrechtlern wird die Causa Brender äußerst kritisch gesehen und zum "Verfassungsrechtsfall" erklärt. Die Staatsrechtler hatten in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Appell veröffentlicht. Dort heißt es unter anderem: "Nikolaus Brender soll keine oder eine unüblich kurze Vertragsverlängerung als Chefredakteur erhalten, angeblich weil die Quoten im Informationssegment nicht stimmen. Um diese Frage geht es aber in Wahrheit nicht. Es geht schlicht darum, wer das Sagen hat, wer die Macht hat beim ZDF. Es handelt sich um den offenkundigen Versuch, einen unabhängigen Journalisten zu verdrängen und den Einfluß der Parteipolitik zu stärken. Damit wird die Angelegenheit zum Verfassungsrechtsfall, und deshalb mischen wir uns ein.  Art. 5 Abs. 1 GG garantiert die Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch wenn das gebührenfinanzierte ZDF formal dem Bereich öffentlicher Institutionen zuzurechnen ist, bedeutet Staatsfreiheit, dass der Staat inhaltlich auf seine Arbeit keinen beherrschenden Einfluss ausüben darf."

Nikolaus Brender, der erst vor kurzem den Hans-Joachim-Friedrich Preis in Köln entgegennahm und für den an diesem Abend nahmhafte Publizisten das Wort ergriffen haben, hat seinen Rückzug erklärt. ZDF-Intendant Schächter will jetzt möglichst schnell die Nachfolge rechnen. Mit Brender muss ein Vorbild für journalistische Haltung gehen, der auf unabhängige Journalisten inspirierend wirkt und wirken wird.

* Beim WDR dürfen keine Regierungsmitglieder in den Gremien sein.

[ag]