Roland Krischel, Leiter der Mittelalterabteilung des Wallraf-Richartz-Museums, Thea Schellakowsky, Egmont Manga & Anime und Künstler Sascha Schätzchen vor den Mangas

Kurator Roland Krischel, Leiter der Mittelalterabteilung des Wallraf-Richartz-Museums, nahm die Idee zum Buch und zur Ausstellung von Andreas Blüm auf. Denn Krischel stellt eine Parallele fest, zwischen dem heutigen Comic und den Truhenbildern des "Kleinen Ursula-Zyklus". Beide haben einen narrativen Charakter, sie erzählen eine Gechichte in fortlaufenden, seriellen Bildern. In der ganz strengen Definition des Comic fehlen den Tafelbilbern des unbekannten Kölner Meisters aus den Jahren 1450/60 zwar die Sprechblasen, aber in der Visualisierung zeigen sich spannende Elemente wie sie auch in heutigen Comics verwendet werden. So flattert eine angeschnittene Fahne nicht nur auf einem Deckel sondern wird im nebenliegenden Tafelbild weitergeführt und schafft so eine Verbindung zwischen den beiden Bildern. Elemente wie sie heute in jedem Comic vorkommen. Die Hängung und auch die Idee klassisches Tafelbild modernem Comic gegenüber zu stellen, die Geschichte fortzuschreiben dürfte in Deutschland einmalig sein. Es ist eine tolle Idee das Museum auch jüngeren Zielgruppen zu öffnen. Leider ist der "Dialog der Originale" im Museum nur bis zum 20.Mai 2007 zu sehen, dürfte er doch gerade für Schulklassen interessant sein. Wer dieses einmalige Experiment sehen will muss sich also sputen.

Die 15 Bilder des "Kleinen Ursula-Zyklus" sind auf Fichtenhoz gemalt und dienten der Verzierung von sogenannten Reliquien-Kisten. In denen wurden die Gebeine oder andere Reliquien von Heiligen aufbewahrt, sogar sauber beschriftet, mit Angabe der Herkunft: "Ich bin ein Unterarm der heiligen Panafreta…". Diese Kisten standen vermutlich im Makkabäerkloster, in dem auch der "Blutbrunnen" mit dem Blut der Elftausend Jungfrauen beheimatet war und das von Reisenden besucht wurde. Das Kloster machte Führungen und da waren die Bilder auf den Kisten natürlich hilfreich die Geschichte anschaulich zu erzählen. Krischel spricht bei der Geschichte der heiligen Ursula um einen "Bestseller des Mittelalters", so rief man sie zum Beispiel bei "Schrei-Babys" an und der Wallfahrtstermin am 21.Oktober war ein populärer Termin im Mittelalter. Der Bilderzyklus zeigt die Geschichte der Heiligen Ursula, von der Geburt, über die Brautwerbung des Heidenkönigs, den Traum der heiligen Ursula bei ihrem Zwischenstopp in Köln auf ihrer Reise zum Papst nach Rom. Die weiteren Reisestationen, der Empfang  beim Papst, die Taufe der heidnischen Reisegefährtinnen, die Engelserscheinung des Papstes bis hin zum Martyrium der heiligen Ursula bei ihrer Ermordung durch die Hunnen vor Köln, die die Stadt belagerten. Neben der Ausstellung der Gebeine, die auf einem römischen Grabfeld im 12. Jahrhundert gefunden wurden, betrieb man aber im Mittalter auch einen schwunghaften Reliquienhandel. Dabei waren die Gebeine, die in Ursulabüsten gefasst waren wohl sehr beliebt, so daß 1393 sogar ein Exportverbot verhängt wurde. So war die Weitergabe von Reliquien im Mittelalter auch Teil der Kirchen-, bzw. Staatspolitik, aber auch Mittel um Kredite zu erhalten, hatte also einen ökonomischen Aspekt.

Und hier setzt, oder fängt die Geschichte von Mangaka Sascha Schätzchen an. Schätzchens Manga muss man von rechts nach links entsprechend der japanischen Tradition lesen, auch die Sprechblasen in den einzelnen Comicsequenzen. Ursula stürzt als nackter Astralleib ins Köln zurück, zum einen um Rache für ihr ökonomisch verwertetes Martyrium zu nehmen, aber auch um ihr nichtgelebtes Leben zu leben. Eine SMS erreicht einen Engel auf dem Kölner Fernsehturm "We have a problem with a local saint…", der sich von Ehrenfeld aus auf den Weg macht der mordenden Märtyrerin ihren inneren Seelenfrieden "pax animae" wiederzugeben und ihr beizustehen. Der 31 jährige Zeichner Sascha Schätzchen aus Leverkusen ist Autodidakt und in der Mangaszene kein Unbekannter. So hat er mit dem Egmont Manga & Anime Verlag schon mehrere Manga Projekte realisiert. Der 2000 gegründete Egmont Manga & Anime Verlag gehört heute zu den größten Manga und Manhwa-Anbietern in Deutschland und engagiert sich auch stark in der Nachwuchsförderung junger Zeichnerinnen und Zeichner. Das Buch ist in einer Auflage von 300 Stück, alle vom Künstler handsigniert entweder im Museumsshop im Wallraf-Richartz Museum erhältlich oder im Netz unter www.manganet.de.

Die kleine Schau, die überaus geschickt gehängt ist, denn in dem Eckzimmer des Museums hat man durch den Ausblick auf die heutige Stadtsilhouette von Köln eine dritte Dimension, ist in ihrer Konzeption einzigartig und zeigt wie man mit guten Ideen Geschichte und Malerei des Mittelalters neu spannend aufladen kann. Vor allem durch den Dialog der Kunstformen die sich so ähnlich und doch verschieden sind erscheint die narrative Bildkunst des Mittelalters plötzlich modern und zeitgemäß und die Moderne als Fortschreibung. Die kleine Schau ist äußerst sehenswert, sowohl für Comicfans, wie auch Menschen die Interesse an mittelalterlicher Tafelmalerei haben und schafft es die Geschichte der Heiligen Ursula wieder lebendig werden zu lassen.

Die Ausstellung
Der Meister und die Mangaka
17. April bis 20.Mai 2007
Mittelalterabeilung – Wallraf-Richartz-Museum & Foundation Corboud
www.museenkoeln.de/wallraf

Das Buch
Sascha Schätzchen, Roland Krischel
Pax Animae
Der Meister und der Mangaka
40 Seiten, zahlr. farbige Abbildungen
gebunden, 19,90 Euro
Egmont Manga & Anime
ISBN 978-3-7704-3145-8

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung