Köln | Das Wallraf inszeniert Godefridus Schalcken, 1643-1706, einen der Malerstars des „Goldenen Zeitalters“ auf dunkelblauen Wänden mit LED Spotlicht. Ambitioniert will man den „vergessenen“ Maler, dessen Markenzeichen das Kerzenlicht war, ins Rampenlicht der Öffentlichkeit und vor allem der Kunstgeschichtsszene holen.  Die Sonderausstellung „Schalcken – Gemalte Verführung“ ist vom 25. September 2015 bis 24. Januar 2016 im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen.


Schlafende Venus mit Cupido, vor 1685, die den Betrachter in die Rolle des Voyeurs drängt und diesen mahnt die schlafende Venus nicht zu wecken, zu erkennen an dem erhobenen Zeigefinger des Cupido (heute in der Nationalgalerie Prag)

Wer war Godefridus Schalcken?

Das Wallraf kommt zu dem Schluss: Ein barocker Malerstar aus den Niederlanden. Ein Enkel-Schüler Rembrandts, der zunächst beim Rembrandt-Schüler Samuel van Hoogstraten lernte und sein Können in Leiden bei Gerrit Dou verbesserte. Ein Vertreter der niederländischen Feinmalerei. Schalken gehörte zu den Künstlern, die es schaffen, während ihrer Lebenszeit nicht notleidend zu sein. Er traf den Zeitgeschmack, oder arrangierte sich mit diesem und hatte Kunden in London, die Medici in Florenz, den dänischen Hof oder Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz. Sein Markenzeichen war der perfekte Kerzenschein, ob in szenischen Bildern oder Porträts. Er ging sogar so weit, dass er etwa beim Porträt des Willem III. von Oranien-Nassau, den Monarchen nie persönlich vor der Leinwand hatte,  sondern das offizielle Staatsporträt von Godfrey Kneller als Vorlage nahm und dann Willem III. bei Kerzenlicht inszenierte. Namedropping in der Kunstszene des Goldenen Zeitalters, um sich selbst zu positionieren? Das Katalogheft greift die Frage auf, beantwortet sie aber nicht zur Gänze. Die Ausstellungsmacher interpretieren dagegen sehr symbolisch die Bilder Schalckens, wie auch das Beispiel des Porträts Willem III. zeigt: „Inhaltlich darf man die Kerze, die dem Porträtierten als Attribut zugeordnet ist, als Tugendsymbol verstehen: So wie sich die Kerze selbst aufzehrt, um Licht zu spenden, so sorgt Willem III. aufopferungsvoll für sein Volk.“ Folgt man dieser Interpretation, so meint man Anbiederung des Künstlers und buhlen um Aufträge herauszulesen, denn wer einem Herrschenden so schmeichelt, der macht sich damit sicher nicht unbeliebt. Die Ausstellung ordnet thematisch, nicht chronologisch, was ihr gut tut.

Schalken: In allen großen Sammlungen vertreten

Schalckens Bilder hingen in den großen Gemäldesammlungen der Welt und von dort sind die rund 80 ausgestellten Werke auch nach Köln gekommen. Köln selbst besitzt nur ein Werk von Godefridus Schalcken. Das Werk Schalckens umfasst rund 250 bekannte Werke, insgesamt sollen der niederländische Malerstar aber zwischen 450 und 500 geschaffen haben. Zu den Sammlungen zählt das Rijksmuseum in Amsterdam, Sammlungen in Berlin, Dresden, Kassel, das Mauritshuis in Den Haag, die National Gallery Dublin, die Scottish National Gallery in Edinburgh, die Uffizien in Florenz, das Frankfurter Städel, die National Gallery in London, das Statens Museum in Kopenhagen, die Münchner alte Pinakothek, die Leiden Collection New York und die Prager Nationalgalerie. Warum wurde der Maler vergessen? Liegt es daran, dass seine Bilder doch sehr gefällig, manchmal möchte man fast sagen kitschig sind? Im Wallraf glaubt man, dass Schalcken vergessen wurde, als im 18. und 19. Jahrhundert mit dem aufkommenden Bürgertum, Maler wie Frans Hals und Jan Vermeer in den Fokus rückten und die Feinmalerei in den Hintergrund trat. Das Wallraf hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und will den Maler Schalcken aus der Vergessenheit holen. Aus diesem Grund veranstaltet man am 22. und 23. Januar 2016 eine internationale Schalcken Konferenz für Kunsthistoriker.

Mainstream-Kunst

Neben den Kunsthistorikern ist die Schalcken Ausstellung sicher ein Genuss für alle die, die auch heute noch sagen „Kunst kommt alleine von Können“. Schalken und das schält die Ausstellung im Wallraf ganz trefflich heraus, inszeniert rein an der Oberfläche und das perfekt. Ein Blick genügt und man begreift die dargstellte Szenerie und kann munter interpretieren, vom Hering als Phallussymbol bis zur Handstellung eines Jünglings, der wohl eine nicht folgenlose Affäre mit einer jungen Dame hatte. Munter interpretiert auch das begleitende Programmheft, das man beim Betrachten der Ausstellung zur Hand nehmen sollte. Es geht im Kerzenschein sinnlich zu und was wir für verführerisch halten, wird perfekt inszeniert und sich leicht nachvollziehen. Aber es geht nicht in die Tiefe, zeigt keine innere Haltung, für die Kunst heute steht.

Denkt man noch einmal an das Porträt Willem III. zurück, wird einem dies sehr schnell klar. Schalcken kannte den Mann gar nicht, pauste die Oberfläche ab und versah sie mit seinem Markenzeichen, dem Kerzenlicht, also der reinen Inszenierung. Schalcken ist ein Meister der Inszenierung, das ist garantiert, aber dabei auch immer ein wenig manieriert. Jede Geste in den Porträts so gesetzt, dass sie zum Vorteil des Porträtierten gereicht, alles wird zum Theater, selbst das Porträt seiner Schwester im Atelier. Damit vermittelt die Schalken Ausstellung im Wallraf einen Einblick in die damalige Welt der Reichen und Schönen, wie sie sich sahen, was sie sehen und wie sie sich selbst dargestellt wissen wollten. Die Kuratorin der Ausstellung Anja K. Sevcik nahm auch das Wort Voyeurismus in den Mund, den der Maler bediene. Fasst man dies zusammen, wird schnell klar, warum Schalken zu Lebzeiten so erfolgreich war: er traf den Mainstreamgeschmack der Zeit und setzte optische Reize so, dass darauf viele Menschen gleich reagieren. Auch heute noch. Insofern ist der Titel der Ausstellung gut gewählt und entlässt den nachdenklichen Betrachter mit der Frage, wo liegt den heute der Mainstreamgeschmack in der Kunst?


Der Rommelpotspieler, 1665-70, ein Gerät mit dem Kinder zur damaligen Zeit Lärm machen konnten, schon damals kritisch beäugt von den Älteren (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)

[infobox]WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD
Godefridus Schalcken – Gemalte Verführung
Retrospektive zum Werk des Malers
25.9.2015 bis 24.1.2016

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Öffentliche Führungen
An den folgenden Terminen finden öffentliche Führungen statt.
Donnerstag, 1. Oktober, um 19 Uhr (KölnTag)
Sonntag, 11. Oktober, um 15 Uhr
Sonntag, 25.Oktober, um 15 Uhr
Donnerstag, 5. November, um 18 Uhr
Sonntag, 8. November, um 15 Uhr
Donnerstag, 19. November, um 18 Uhr
Sonntag, 22. November, um 15 Uhr
Donnerstag, 3. Dezember, um 20 Uhr
Sonntag, 13. Dezember, um 15 Uhr
Donnerstag, 7. Januar, um 19 Uhr
Sonntag, 10. Januar, um 15 Uhr
Donnerstag, 21. Januar, um 19 Uhr
Sonntag, 24. Januar, um 15 Uhr
 
Öffentliche Kerzenlicht-Führungen für Kinder ab 8 Jahren
Sonntag, 4. Oktober, um 11 Uhr
Sonntag, 18. Oktober, um 11 Uhr
Sonntag, 15. November, um 11 Uhr
Sonntag, 6. Dezember, um 11 Uhr
Sonntag, 10. Januar, um 11 Uhr
Sonntag, 24. Januar, um 11 Uhr
Die Führung kann direkt beim beim Museumsdienst Köln gebucht werden.
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WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD
Obenmarspforten (am Kölner Rathaus)
D – 50667 Köln

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ÖFFNUNGSZEITEN
Dienstag bis Sonntag   10 – 18 Uhr
Jeden Donnerstag   10 – 21 Uhr
An Feiertagen   10 – 18 Uhr
Tag der Deutschen Einheit (3. Okt.), Allerheiligen, 2. Weihnachtstag
KölnTag im Wallraf   10 – 22 Uhr
Am jedem ersten Donnerstag im Monat (ausgenommen Feiertage), lädt die Stadt Köln alle ihre Bürgerinnen und Bürger ein, die Ständigen Sammlungen der städtischen Museen kostenlos zu besuchen. Der Personalausweis gilt als Eintrittskarte. Diese Einladung gilt nicht für den Besuch der Sonderausstellungen. Hier ist der reguläre Eintrittspreis zu zahlen.
Montag geschlossen
Außerdem an Heiligabend, 1. Weihnachtstag, Silvester und Neujahr.
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Eintrittspreise

Erwachsene: 11 Euro
Ermäßigt: 8 Euro
Gruppen ab 10 Personen: pro Person 9 Euro
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Godefridus Schalcken – Faszination und Bedeutung
Internationale Tagung aus Anlass der Ausstellung
Um die Gelegenheit der Zusammenschau so vieler Werke Schalckens im Rahmen der Ausstellung zu nutzen und die Diskussion seines Schaffens zu öffnen, findet vom 21. bis 23. Januar am Wallraf-Richartz-Museum in Köln eine wissenschaftliche Tagung statt. Die Konferenz wird großzügig von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt. Zu behandelnde Themen schließen Fallstudien zu einzelnen Werken Schalckens und seiner Zeitgenossen, ikonographische und stilistische Aspekte ebenso ein wie die Rolle von Mäzenatentum und Kennerschaft oder technologische und restauratorische Befunde.
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Autor: Andi Goral
Foto: Detail aus einer Arbeit Schalckens