Das Symbolbild zeigt Ausgaben des "Compact" Magazins vor dem Verbot durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser. | Foto:; via dts nachrichtenagentur

Leipzig | Artikel ergänzt | Das Bundesverwaltungsgericht hat den Sofortvollzug des Verbots des Compact-Magazins teilweise ausgesetzt. Dem Antrag der Compact-Magazin GmbH, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums wiederherzustellen, habe man „mit bestimmten Maßgaben“ stattgegeben, teilten die Leipziger Richter am Mittwoch mit.

Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Verbotsverfügung hätten sich die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin als offen erwiesen, hieß es zur Begründung. Demnach bestünden keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte und als Presse- und Medienunternehmen tätige Antragstellerin. Alles spreche auch dafür, dass die Verbotsverfügung „formell rechtmäßig“ sei, so das Gericht. Ob die Vereinigung aber den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfülle, könne derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

Das Gericht räumte ein, dass einzelne Ausführungen in den von Compact verbreiteten Print- und Online-Publikationen Anhaltspunkte insbesondere für eine „Verletzung der Menschenwürde“ erkennen ließen und auch Überwiegendes darauf hindeute, dass die Antragstellerin der ihr eigenen Rhetorik in vielen Beiträgen eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ einnehme.

Meinungs- und Pressefreiheit

Zweifel bestünden jedoch, ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den Ausgaben des „Compact-Magazins für Souveränität“ die Art. 1 Abs. 1 GG verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend seien, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt sei. Denn als mögliche mildere Mittel seien presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen.

Bei der Abwägung im Eilverfahren überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, so das Bundesverwaltungsgericht weiter. Da die Vollziehung des Vereinsverbots zu der sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots führe, das den Schwerpunkt der Tätigkeit des Magazins ausmache, komme dem Interesse an der aufschiebenden Wirkung der Klage im Hinblick auf die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit ein „besonderes Gewicht“ zu.

Dem Anliegen der Antragsgegnerin, die Fortsetzung der Tätigkeiten der Vereinigung auf Dauer zu unterbinden, könne in ausreichendem Maße durch mehrere Maßgaben Rechnung getragen werden, hieß es weiter. Diese dienten vor allem der weiteren Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel für das anhängige Hauptsacheverfahren (BVerwG 6 VR 1.24).

Kritik an Faeser nach vorläufiger Aufhebung des Compact-Verbots   

Nachdem das Leipziger Bundesverwaltungsgericht das Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazins vorläufig aufgehoben hat, gibt es Kritik am Verhalten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

„Verfassungsministerin Nancy Faeser hat sich auf juristisch extrem dünnes Eis begeben und ist eingebrochen“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dem „Tagesspiegel“. „Sollte sie auch im Hauptsacheverfahren scheitern, war es das.“

Kubicki hatte sich bereits kurz nach der Verbotsverfügung gegen den Verein, der „Compact“ herausgibt, kritisch zu der Maßnahme geäußert. Sollte das Verbot aufgehoben werden, sei ein Rücktritt Faesers „unvermeidlich“, kommentierte er damals im „Tagesspiegel“.

AfD-Chefin Alice Weidel fordert unterdessen den Rücktritt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). „Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Lanze für die Pressefreiheit gebrochen und der Bundesinnenministerin eine gewaltige Ohrfeige verpasst“, sagte Weidel am Mittwoch.

„Der Rücktritt von Nancy Faeser ist jetzt überfällig. Für ihren dreisten Angriff auf die Pressefreiheit muss Nancy Faeser ihren Hut nehmen oder entlassen werden. Wer derart bedenkenlos ein fundamentales Grundrecht auszuhebeln versucht, ist als `Verfassungsministerin` nicht tragbar.“

Die Linke sieht in der Aussetzung des sofortigen Vollzugs des Verbots gegen das Magazin hingegen einen Beleg für das Funktionieren des Rechtsstaats. „Der Senat hat zu erkennen gegeben, dass die Verbotsverfügung schließlich durchaus Bestand haben könnte“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Gruppe der Linken im Bundestag, Martina Renner, der „Welt“ (Donnerstagausgaben).

„Angesichts der durch das Verbot betroffenen Grundrechte muss dies aber im Hauptsacheverfahren geprüft und entschieden werden. Das halte ich für eine gute Nachricht und Beleg für einen funktionierenden Rechtsstaat.“ Überrascht sei sie von der Entscheidung des Gerichts nicht, da die Chancen im Hauptsacheverfahren offen seien. „Das allein reicht bereits für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und damit für die vorläufige Fortsetzung der Medienarbeit.“

Faeser nach „Comapct“-Schlappe unter Druck  

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekommt nach dem fehlgeschlagenen Verbot des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ Druck sowohl aus der Regierungskoalition als auch aus der Opposition.

„Das Versagen der Bundesregierung trägt mal wieder die Handschrift von Nancy Faeser“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der „Welt“ (Donnerstagausgabe). Die Ministerin hätte seinen Worten zufolge den alten Grundsatz beherzigen sollen, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht. So sei dem Kampf gegen Rechtsextremismus „ein Bärendienst erwiesen“ worden.

Und weiter: „Frau Faeser sollte verstehen, dass der Zweck im Rechtsstaat nicht alle Mittel heiligt. Gerade als Innenministerin müsste sie wissen, dass die Meinungsfreiheit ein essenzielles Grundrecht ist. Eindeutig eine Schlappe für Nancy Faeser, die wieder einmal nicht geliefert hat.“

Der stellvertretende BSW-Vorsitzende Shervin Haghsheno nannte die Aussetzung des Verbotsvollzugs ein „peinliches Eigentor der Innenministerin Nancy Faeser mit Ansage“. Extremismus bekämpfe man nicht mit Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, sondern mit einer Politik, die die Interessen der Mehrheit der Bürger in den Mittelpunkt stelle. „Gerade mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland hat die Innenministerin der Stärkung der Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Wir fordern Nancy Faeser auf, öffentlich die Umstände zu erklären, die zu diesem staatlichen Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit geführt haben“, sagte Haghsheno.