Bad Meinberg | Es ist der letzte Trimestertag an der Senioren-Universität in Bad Meinberg. Bevor der ehemalige Narkosearzt Klaus Kobert mit seinem Vortrag zur Palliativmedizin und Hospizversorgung beginnt, richtet sich Projektmanagerin Almut Lenz an die 27 Studenten: „Ich wünsche Ihnen schöne Ferien.“ Der Unterschied zur normalen Uni ist die Reaktion der Studenten: „Leider. Ich werde es vermissen“, erwidert der 64-jährige Gerold Hensch. Deutschlands einzigste Senioren-Universität liegt in Nordrhein-Westfalen.

Nachdem der Betriebswirt in Vorruhestand ging, nahm er im vergangenen Jahr das Studium an der bundesweit einzigen Senioren-Universität im ostwestfälischen Bad Meinberg auf. Das „Europäische Zentrum für Universitäre Studien der Senioren“ (EZUS) wurde vor sechs Jahren gegründet.

„Das Konzept hier ist einzigartig“, sagt der Hattinger. „Während ich als Gaststudent an einer normalen Universität den jungen Menschen nur den Platz wegnehmen würde, sind wir Älteren hier mit nur 27 Mann ganz unter uns.“ Es sei schade, dass das zweite Trimester mit etwa 15 Präsenztagen und mehr als 100 Unterrichtsstunden schon wieder vorbei sei.

Ähnlich wissbegierig wie Hensch ist in der ersten Reihe des Hörsaals auch seine Sitznachbarin Rosemarie Friebe-Amelunxen. Als Kobert nach der ersten 90-minütigen Einheit und einer akademischen Viertelstunde den Unterricht fortsetzen will, haut sie mit ihrem Brillen-Etui auf den Tisch, um von den Kommilitonen die nötige Ruhe zu einzufordern. Die Senioren, die für das „Studium Generale“, wie das zweijährige Grundstudium hier genannt wird, 2.700 Euro Studiengebühren bezahlen, wollen auch den letzten achtstündigen Trimestertag voll auskosten.

Ein gemeinsames Ziel: „Der Wunsch, nicht vergessen zu werden.“

Almut Lenz, die erst vor sechs Wochen das Projektmanagement der Senioren-Uni übernahm, ist beeindruckt von der Motivation der Studenten. Die Studenten im Alter von 47 bis 84 Jahren verbinde, dass sie bei aktuellen Themen auf der Höhe der Zeit mitreden wollen.

Auch der 72-jährige Studentenvertreter Peter Schneider betont: „Bei den jungen Leuten können Sie nicht mehr mit dem aufgewärmten alten Wissen landen. Da brauchen Sie ein Update“. Am liebsten zitiert er einen seiner Professoren, der ihm zu Beginn seines Studiums einmal sagte: „Wir müssen die Gehirne der alten Grauköpfe entstauben.“ Genau das sei nach dem Eintritt ins Rentenalter der Grund für die Aufnahme des Studiums gewesen. Inzwischen ist er seit vier Jahren im Hauptstudium mit wechselnden Themenschwerpunkten, dem „Studium Speciale“.

„Das ist keine Volkshochschule. Hier geht’s zur Sache.“

„Das hier ist keine Volkshochschule. Hier geht’s richtig zur Sache“, sagt Schneider. Zum Abschluss des Grundstudiums habe er eine 30-seitige Zertifikatsarbeit über einen französischen Impressionisten des 19. Jahrhunderts angefertigt. In seinem Beruf sei er ein Fachidiot gewesen, der Rechnungen von Gerichten und Notaren überprüfte. An der Senioren-Uni werde er zum Generalisten und lerne dank der 13 verschiedenen Studienrichtungen fürs Leben.

Mit dem breit gefächerten Programm konnte die Senioren-Uni auch den Chef des Piraten-Kreisverbands Holzminden, Helmut Giese, begeistern. Der selbstständige Anwendungsprogrammierer will mit dem Studium im Alter seine Allgemeinbildung verbessern. Dass der 53-jährige Kommunalpolitiker mit Pferdeschwanz bereits auf eine Senioren-Uni geht, ist ihm nicht peinlich. Auf die Frage nach seinem Alter antwortet er als einer der jüngsten Grauköpfe ironisch: „Klinisch tot.“

Autor: Jean-Charles Fays, dapd | Foto: Thorsten Ulonska/dapd
Foto: Student Gerold Hensch verfolgt  in Bad Meinberg in einem Hoersaal des Europäischen Zentrums für universitäre Studien der Senioren Ostwestfalen-Lippe (EZUS) eine Vorlesung.