Die Teilhabe von Eltern am Arbeitsleben ist von zentraler Bedeutung für das Wohlbefinden von Kindern in Deutschland. Eine gute Förderung in Kindertagesstätten und Schulen kann Defizite aufgrund mangelnder Teilhabe der Eltern nur begrenzt ausgleichen. Zu diesem Ergebnis kommt der „UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2011/2012“. Eltern, die die Möglichkeit hätten, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und als aktiv Handelnde am Leben der Gesellschaft mitzuwirken, seien die wichtigsten Rollenmodelle. Hierdurch würden sie ihren Kindern das notwendige Vertrauen, die Herausforderungen der Zukunft zu schaffen, vermitteln.

Mit Blick auf das materielle Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit, Verhalten und Risiken, Bildung und Ausbildung, Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen und das subjektive Wohlbefinden zeige die UNICEF-Studie deutliche Unterschiede innerhalb Deutschlands. Diese seien teilweise größer als die zwischen einzelnen OECD-Staaten. So sei das Wohlbefinden von Kindern in großen urbanen Zentren tendenziell schlechter als in Flächenländern. Aus der Sicht des kindlichen Wohlbefindens seien die vier südwestdeutschen Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Saarland offensichtlich besonders lebenswerte Regionen. Demgegenüber lägen Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Sachsen-Anhalt und Bremen beim materiellen Wohlbefinden, bei der Bildung und – mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern – auch bei den Beziehungen zur Familie und zu Gleichaltrigen im unteren Drittel.

Arbeitslosigkeit mit hohem Einfluss
Starken Einfluss auf das Wohlbefinden hätten laut der Studie eine hohe Arbeitslosigkeit, ein Mangel an Ausbildungsplätzen, ein hoher Anteil von Kindern in relativer Armut sowie bei Alleinerziehenden ein unfriedliches Schulklima in ihren Regionen. „Ein politischer Ansatz, der allein auf Verbesserungen in Kindergarten und Schule setzt, greift zu kurz“, sagt Prof. Dr. Hans Bertram von der Humboldt-Universität in Berlin, Hauptautor des UNICEF-Berichts. „Für die Selbstachtung und das Selbstvertrauen der Kinder ist es von zentraler Bedeutung, dass ihre Eltern den Lebensunterhalt selbst bestreiten können.“ „Kein Kind darf ausgeschlossen werden. Eine gute Förderung der Kinder muss Hand in Hand gehen mit einer Stärkung der Eltern“, sagt Dr. Jürgen Heraeus, Vorsitzender von UNICEF Deutschland. „Die Bildungspolitik muss durch eine gezielte Arbeits- und Sozialpolitik ergänzt werden.“

Kinderarmut in ostdeutschen Ländern überschätzt
Im Bundesdurchschnitt müssten acht Prozent der Kinder mit weniger als 50 Prozent des Äquivalenzeinkommens auskommen. Läge man wie von der EU empfohlen das Kriterium von 60 Prozent zugrunde, wüchsen 14 Prozent in relativer Armut auf. Dabei gebe es jedoch große regionale Unterschiede bei Einkommen, Mieten und Lebenserhaltungskosten. Darum werde bislang die relative Kinderarmut in den ostdeutschen Ländern eher überschätzt und in den westdeutschen unterschätzt. Mit dem bundeseinheitlich errechneten Hartz IV-Satz sei es für Eltern in den westdeutschen Ballungsräumen schwerer auszukommen, als in Mecklenburg-Vorpommern.

Arbeitslosigkeit beeinflusst Schulleistung
Das Kinderhilfswerk weißt darauf hin, dass durch zusätzliche Angebote, mehr Teamunterricht und Tagesbetreuung benachteiligte Kinder heutzutage mehr Unterstützung bekämen. Doch die „objektiven“ Lebensbedingungen würden den Schulerfolg erheblich beeinflussen: In Bundesländern mit einem hohen Anteil von arbeitslosen Eltern und Alleinerziehenden seien auch die Schulleistungen niedriger. In Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern würden doppelt so viele Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen wie in Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland. In Bayern und Baden-Württemberg läge der Anteil arbeitsloser Heranwachsender bei vier Prozent – in Berlin bei 14,5 Prozent.

[mc; Foto: Michael Horn | www.pixelio.de ]