Ganz geheuer scheint es ihr nicht – den Kopf in die Höhe gereckt, etwas unsicher – watet Beyla durch den Wassergraben. Sie will mit ihrer Herde auf den vorderen Teil des Geheges, dort hat Tierpfleger Peter Zwanziger gerade etwas zum Fressen hingelegt – Äste mit frischen Blätter. Zögernd schnuppert Beyla an den Ästen und rupft sanft ein Blättchen ab. Dann das nächste. Zwischendurch blickt das gerade vier Wochen alte Kitz immer wieder neugierig zu den Zoobesuchern.

 

"Wir waren überrascht vom Nachwuchs"  
Beyla kam am 12. Mai im Kölner Zoo zur Welt. Dass sie unterwegs war, hatte man im Zoo erst sechs bis acht Wochen vor der Geburt gemerkt. „Wir waren überrascht vom Nachwuchs bei den Bucharahirschen, denn der Platzhirsch ist sterilisiert,“ erklärt Waltraud Zimmermann, Kuratorin für Huftiere im Kölner Zoo. Dass es trotzdem zu Nachwuchs kam, liegt auch nicht an Akim, dem Platzhirsch, sondern an dessen Sohn Cyrus. Cyrus wurde letztes Jahr an einen anderen Zoo abgegeben, schaffte es aber buchstäblich in letzter Minute, sich vorher noch mit Benita, der ältesten Kuh, zu paaren. „Wir haben nicht gedacht, dass Cyrus schon so weit ist“, so Waltraud Zimmermann. Derzeit hat man eine Zuchtpause bei den Bucharahirschen im Kölner Zoo eingelegt. Da man nicht unbegrenzt Hirsche in dem Gehege halten kann, müssen die männlichen Jungtiere abgeben werden. Das sei ein Problem, schildert Waltraud Zimmermann: „Die meisten Zoos und Tierparks sind an Bucharahirschen nicht interessiert, da sie sich optisch nicht sehr vom europäischen Rothirsch unterscheiden und für die Besucher nicht so attraktiv sind.“ Bucharahirsche sind etwas kleiner als die europäischen Rothirsche und ein weniger heller im Fell.

 

Unkomplizierte Geburt

„Wir haben uns trotzdem über Beyla gefreut,“ erzählt Tierpfleger Peter Zwanziger. Die Geburt war unkompliziert, wie in der Regel bei den Hirscharten. „Wir lassen die Tiere ganz in Ruhe, wenn der Nachwuchs kommt. Stünden wir dabei, würde sie das nur irritieren,“ erklärt der Tierpfleger. Benita, Beylas Mutter, hat bereits mehrere Jungtiere zur Welt gebracht.

   

Beyla trinkt im Moment noch mehrmals am Tag bei ihrer Mutter, frisst aber auch schon Blätter. Die ausgewachsenen Tiere mögen besonders gern frisches Laub und Gras. Im Winter bekommen sie neben Heu auch Rinde zum Abnagen, Kraftfutter, Möhren und Äpfel.

 

Vom Aussterben bedroht   

Die Bucharahirsche sind eine Unterart des Rothirsches und vom Aussterben bedroht.

Weltweit leben nur etwa 120 Tiere dieser Art, 70 davon in europäischen Zoos oder Wildparks. Zum Kölner Rudel gehören zehn Tiere. Bucharahirsche stammen ursprünglich aus Asien, wo sie vor allem in den Feuchtgebieten leben. Der Kölner Zoo begann 1977 mit der Haltung dieser seltenen Art. Das erste Paar kam aus dem afghanischen Tierpark von Kabul.

Ansonsten finde man Bucharahirsche in Deutschland nur im Berliner Tierpark, erläutert Waltraud Zimmermann.

 

Bleibt Beyla in Köln?

Im Durchschnitt werden Bucharahirsche15 Jahre alt. Wie lange Beyla in Köln bleibt, ist nicht sicher. Waltraud Zimmermann: „Sie muss erst mal wachsen und sich entwickeln. Vielleicht bleibt sie ja auch für immer, das müssen wir sehen.“  Beyla macht sich darüber wohl keine Gedanken. Den Kopf in die Höhe gereckt, watet sie wieder vorsichtig hinter ihrer Herde her durch den Wassergraben, zurück zum hinteren Teil des Geheges. 

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[sb]