Man habe sich nach mehrstündiger Beratung gütlich auf Basis einer Erklärung von Thilo Sarrazin geeinigt. In der Erklärung betont Sarrazin, es habe ihm ferngelegen, insbesondere Migranten zu diskriminieren. Mit "Deutschland schafft sich ab" schrieb Sarrazin eines der meistverkauften Politik-Sachbücher der letzten Jahre. Sarrazin stieß durch provokant formulierte Thesen zur Sozial- und Bevölkerungspolitik eine kontroverse Diskussion an. Von 2002 bis 2009 war Sarrazin Finanzsenator in Berlin und bis Ende September letztes Jahr Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank.
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Die Debatte nach der Entscheidung des Ortsverbandes:

Umfrage: Mehrheit für Verbleib Sarrazins in der SPD
Die Mehrheit der Bundesbürger und der Anhänger der SPD sprechen sich für einen Verbleib Thilo Sarrazins in der Sozialdemokratie aus. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap für die Tageszeitung "Die Welt" (Samstagausgabe). 60 Prozent der Bürger plädieren demnach für einen Verbleib Sarrazins in der SPD, nur jeder Vierte (25 Prozent) spricht sich für einen Ausschluss aus. Unter den Anhängern der SPD sagen sogar 62 Prozent, der frühere Berliner Finanzsenator solle in der Partei bleiben. 31 Prozent der SPD-nahen Befragten plädieren für einen Parteiausschluss Sarrazins. Das Ausschlussverfahren des wegen seiner Integrationsthesen umstrittenen Ex-Bundesbankers war am Donnerstag mit einer gütlichen Einigung beendet worden. Auch die Anhänger von Union, Grünen und Linken begrüßen mehrheitlich den Verbleib Sarrazins in der SPD. Unter den Wählern der CDU/CSU sind es 74 Prozent. Die Anhänger der Linken sprechen sich zu zwei Dritteln (65 Prozent) für die Fortsetzung von Sarrazins Mitgliedschaft in der SPD aus. Am kritischsten sehen die Grünen-Anhänger Sarrazins Verbleib in der SPD. 49 Prozent begrüßen dies, 36 Prozent befürworten einen Parteiausschluss

Juso-Chef Vogt kritisiert Ende des Parteiausschlussverfahrens gegen Sarrazin
Zur Entscheidung im Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin erklären der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt und der Berliner Juso-Landesvorsitzende Christian Berg:
"Die Entscheidung, den Antrag auf Parteiausschluss zurückzunehmen, ist nicht nachvollziehbar. Thilo Sarrazins Thesen sind sozialdarwinistisch, rassistisch und menschenverachtend. Seine Erklärung ist ein schlechter Witz. In ihr werden die bereits getroffenen Aussagen relativiert, doch letztlich rückt Sarrazin keinen Millimeter von seiner Position aus dem Buch ab. Sarrazin hat sich gegen die Grundwerte der SPD gestellt. Sinn des Antrags auf Parteiausschluss war es, diese Grundwerte zu verteidigen und aufzuzeigen, dass ein Rechtspopulist wie Sarrazin nichts in der SPD verloren hat. Für uns ist nicht hinnehmbar, dass trotz einhelliger Beschlüsse auf Landes- und Bundesebene diese Linie verlassen wurde. Statt eines vernünftigen Verfahrens haben sich die Verhandlungsführer auf einen Kuhhandel eingelassen. Das werden wir nicht akzeptieren! Die SPD muss deutlich zeigen, dass Rassismus und Intoleranz keinen Platz in der Partei haben."

Neuköllner Bürgermeister lobt Verbleib Sarrazins in der SPD
Für den Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ist der Verbleib des umstrittenen Ex-Finanzsenators Thilo Sarrazin in der SPD ein "Sieg der Vernunft". Eine freie Gesellschaft sei "die Summe freier Menschen". In der müsse man auch "Dinge ertragen, die einem persönlich fürchterlich auf den Zunder gehen, die man ablehnt und die einem sogar das Blut in Wallung bringen", sagte er dem "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe). Es gehe auch nicht, Karikaturisten mit Preisen zu ehren und einen Buchautor "zur persona non grata" zu erklären. Wegen der geteilten Meinungen zu Sarrazin sei die SPD in einer Situation gewesen, in der sie nicht mehr gewinnen konnte, sagte Buschkowsky. Wozu das Schweigen der etablierten Parteien führen könne, sehe man überall in Europa: "Überall sind die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch und überall mit dem gleichen Thema." Nachdem Sarrazin so viele Menschen vor den Kopf gestoßen und vor allem die bildungswilligen Einwanderer gekränkt habe, gebe es nun die Chance auf "wirkliche Integrationspolitik" statt "Argumentation aus dem Schützengraben."

Grünen-Chefin Roth kritisiert Sarrazin-Entscheidung der SPD
Die Grünen haben mit schweren Vorwürfen auf den Verbleib des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin in der SPD reagiert. "Wenn die SPD einen Thilo Sarrazin weiter als Mitglied in ihren Reihen haben möchte, obwohl er klar an seinen fremdenfeindlichen und rassistischen Behauptungen festhält, dann bekommt sein Gedankengut offenkundig einen festen Platz in der Berliner SPD", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth dem "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe). Niemand habe die Gesellschaft in letzter Zeit derart "polarisiert und gespalten wie Thilo Sarrazin mit seinen Hetztiraden".


[dts]