"BAföG" steht für Bundesausbildungsförderungsgesetz und wurde vor fast 40 Jahren in der Bundesrepublik eingeführt. Nach dem Gesetz sollen Studierende heute 740 Euro monatlich zur Verfügung haben. 400 Euro dürfen sie selbst dazuverdienen. „Ziel des BAföG ist es, allen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation eine Ausbildung zu absolvieren, die ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht.“, heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Im Herbst soll der BAföG-Satz voraussichtlich um zwei Prozent angehoben werden. Auch der Kreis der BAföG-Empfänger soll durch eine drei-prozentige Erhöhung des Elternfreibetrags und eine Anhebung des Einstiegsalters für Masterstudierende auf 35 Jahre vergrößert werden. Report-k.de fragte drei Kölner Studenten, wie sie ihr Studium finanzieren und ob der BAföG-Satz für sie ausreichend ist.

Gründliche Vorausplanung ist unerlässlich
Terry Ly studiert Medizin im zweiten Semester an der Universität zu Köln. Ihr Vater arbeitet in einer Druckerei, die Mutter ist Hausfrau. Sie erhält 585 Euro pro Monat, den Höchstsatz für diejenigen, die noch über ihre Eltern versichert sind. Dazu kommen noch 184 Euro Kindergeld, die ihr bis zu ihrem 25. Lebensjahr zustehen. Die Studiengebühren finanziert Terry über einen Kredit der NRW-Bank, der erst nach Abschluss des Studiums zurückgezahlt werden muss. Dieser sieht vor, dass die Schulden inklusive BAföG-Rückzahlungen nicht über 10.000 Euro liegen dürfen. Alles, was darüber liegt, muss nicht zurückgezahlt werden. Angst vor den Schulden hat die Studentin nicht, da sie erst ab einem Nettoeinkommen von 1.040 Euro dafür aufkommen muss.

Terry hat sich vor ihrem Studium rechtzeitig im Studentenwohnheim angemeldet. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt ein halbes Jahr.  Dort wohnt sie jetzt in einem fünfzehn Quadratmeter großem Zimmer in einer Fünfer-WG mit Wohnküche und zwei Badezimmern. „Im Vergleich zu meinem Zimmer zu Hause ist es recht klein, aber man gewöhnt sich daran“, sagt sie. Sie kennt ihre Mitbewohner nur flüchtig. Man grüßt sich, isst manchmal zusammen, aber jeder hat sein eigenes Fach im Kühlschrank. Es gibt einen Putzplan, der im Mietvertrag vorgeschrieben ist. Am Ende des Semesters gehen alte Bewohner, neue werden ihren Zimmern zugewiesen. Maximal drei Jahre dürfen Studierende hier wohnen, dann müssen sie sich nach einer Wohnung auf dem freien Markt umgucken. 256 Euro beträgt die Warmmiete hier.

“Da bleibt nicht mehr viel Zeit, zu arbeiten“
Ein Blick auf die WG-Börsen im Internet genügt, um festzustellen, dass dies ein unschlagbarer Preis für eine Kölner Wohnung in Uninähe ist. Normalerweise werden für solche Zimmer bis zu 400 Euro verlangt. „Ich wende rund 40 Stunden pro Woche für Vorlesungen und Nacharbeiten auf, da bleibt nicht mehr viel Zeit, zu arbeiten. Letztes Semester habe ich außerdem noch elf Klausuren geschrieben. In den Semesterferien arbeite ich in einem Café, um Extraausgaben zu finanzieren, ansonsten komme ich mit meinem BAföG gut über die Runden“, sagt die 21-jährige Medizinstudentin. Allerdings gelte dies nur, solange sie im Studentenheim wohnen könne.

Da ihre Regelstudienzeit zwölf Semester betrüge, müsse sie sich in zwei Jahren wahrscheinlich nach einem Nebenjob umsehen, um eine Wohnung in Köln finanzieren zu können. Ansonsten müsse sie von ihren Ersparnissen leben, die sie vor ihrem Studium angesammelt hat. Auch das Kindergeld wird sie nicht bis zum Schluss bekommen. Sie fühlt sich sichtlich wohl in Köln und scheint zufrieden mit ihrem Studium. „Ich habe auch das Gefühl, dass Bachelor-Studenten noch mehr Druck und Lernaufwand haben als ich“, sagt sie.


 
Bachelorstudenten tragen größere Last
Das kann der Automatisierungstechnikstudent Patrick Stumpe nur bestätigen. Er verbringt 42 Stunden pro Woche in der FH Köln. Dazu kommen Nachbereitung, Klausuren und drei Praktika, die er parallel dazu absolvieren muss. „Ich arbeite nicht, denn dazu habe ich überhaupt keine Zeit. Mein Bachelor ist zu voll gepackt, da kommt die Freizeit manchmal zu kurz oder ich muss sie mir einfach nehmen“, berichtet er über sein Studium. Er bekommt etwas mehr als 500 Euro BAföG pro Monat, plus Kindergeld. „Ich komme damit aus, aber das liegt nicht am BAföG, sondern daran, dass ich eine günstige Wohnung in einer katholischen Studentenverbindung gefunden habe“.

180 Euro inklusive Strom und Internet zahlt er dort für ein 19 Quadratmeterzimmer in einer Wohngemeinschaft. „Die BAföG-Erhöhung finde ich zwar gut, aber zu gering. Bei mir macht sie lediglich zehn Euro aus. Ich sehe bei meinen Freunden, die nicht wie ich in einer Verbindung sind, dass sie sehr viel sparen und nebenbei arbeiten müssen.“ Nach seinem Studium wird Patrick einen 200 Euro-Jahresbeitrag an die Verbindung entrichten und wie Terry seinen NRW-Kredit abbezahlen. „Ich denke positiv und gehe davon aus, dass ich einen guten Job finde nach meinem Studium. Deshalb habe ich keine Angst, von meinen Schulden erdrückt zu werden“.

 

Studierendenvertretung und Ministerium sind sich uneinig
Das BAföG sei der Inflation in den letzten zehn Jahren nicht angepasst worden. Die Erhöhungen seien zu gering, behauptet auch Asta-Öffentlichkeitsreferent Nils Lühr. Der Bachelor sei auf eine 40-Stunden-Woche ausgelegt, deshalb sei es Aufgabe des Staates, volle Konzentration auf das Studium ohne zusätzliches Geldbeschaffen zu ermöglichen.
„Die Bedarfsätze sind so bemessen, dass Studierende sich voll ihrem Studium widmen können, ohne auf einen zusätzlichen Hinzuverdienst angewiesen zu sein“, so Charlotte Cary von Buttlar, Pressereferentin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Sie räumt aber auch ein, dass der Verwaltungsaufwand bei einem Massenleistungsgesetz wie dem BAföG nur generalisierende und typisierende Regelungen zulässt, sodass beispielsweise auf die hohen Mietpreise in Köln keine Rücksicht genommen werden kann. Durch eine zweijährliche Berichtspflicht gegenüber dem Parlament über die Entwicklung der für das BAföG relevanten Parameter sei gewährleistet, dass die Angemessenheit der Bedarfssätze immer wieder überprüft werde, erklärt von Buttlar.

Fehler im System
Es scheint möglich zu sein, heutzutage mit dem BAföG auszukommen, aber es bedarf genau kalkulierter Vorbereitung und einer Menge Zuversicht. Nicht alle Menschen finden in diesem System Berücksichtigung und so bleibt das BAföG ein hilfreiches Mittel, das jedoch nicht allen hilft. Sandra Meyer (Name geändert) ist so ein Fall. Sie passt einfach nicht in das vorgegebene Raster. Sie zog noch während der Schulzeit von zu Hause aus, weil es Meinungsverschiedenheiten mit ihren Eltern gab. Nach dem Abitur verstanden sie nicht, dass Sandra eine Universität besuchen wollte, statt einer Ausbildung nachzugehen. Also bezahlten sie keinen Unterhalt mehr. Der Vater ist hoher Beamter, weshalb ihr keine staatliche Unterstützung zusteht, aber das Amt bot an, die Eltern für sie zu verklagen. Sandra begann also ihr Studium, die Klage lief, das BAföG-Amt streckte solange den Unterhalt vor.

Das war 2004. Nach zwei Semestern brach die eifrige Studentin das Studium ab. Die ganze Familie schien an diesem Streit zu zerbrechen und nach der ersten Gerichtsverhandlung litten Sandra und ihre Eltern so sehr darunter, dass Sandra sich entschied, die Klage zurückzuziehen. Danach hielt sie sich mit Kellnern und Theateraushilfe zwei Jahre lang über Wasser, aber das reichte ihr nicht. Sie wollte mehr aus ihrem Leben machen und suchte einen Pfarrer auf. Dieser hatte Verständnis für ihr Anliegen und setzte sich mit Sandras Eltern zusammen, die sich daraufhin bereit erklärten, sie mit 200 Euro im Monat zu unterstützen. Jetzt ist Sandra 26 und bald mit ihrem Bachelor in Sozialwissenschaften fertig – wahrscheinlich sogar in Regelstudienzeit. Sie hat zwei Jobs, einen als studentische Hilfskraft, einen als Übersetzerin bei einem Musiklabel und arbeitet 28 Stunden pro Woche. Ihre Freunde sieht sie kaum, höchstens wenn sie sich zum Lernen treffen. „Ich gehe nur ungefähr sechs Stunden pro Woche zur Uni. Es gibt Veranstaltungen, wo die Lehre so schlecht ist, dass man sich den Stoff besser selber erarbeitet“, sagt sie.

Irgendetwas läuft schief in diesem System, das immer neue Mechanismen erfindet, um einen Abschluss in Turbogeschwindigkeit herbei zu erzwingen und damit lernwilligen Menschen so viele Steine in den Weg legt, dass ganze Jahre verloren gehen. 19 Prozent der Studienabbrecher gaben 2008 finanzielle Probleme als Beweggrund zu ihrem Schritt an, weitere 20 Prozent Leistungsprobleme im Studium – Tendenz steigend.
 —
 Anna Thelen für report-k.de / Kölns Internetzeitung