Foto: Familie Nathan in Köln

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“
Für das jüdische Ehepaar Julius und Else Nathan ließ der alternative Künstler und Ehrenbürger Kölns Gunter Demnig heute vor dem Haus in der Brüsseler Straße 104 zwei Stolpersteine in den Bürgersteig ein. Das Haus war der letzte selbst gewählte Wohnort der Kölner. Mit den Steinen möchte Demnig die Erinnerungen an die Menschen lebendig halten. Denn „ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, so der Künstler. Inzwischen liegen rund 17.000 Stolpersteine in über 400 Orten in Deutschland.

Extra zur Setzung der Stolpersteine reiste heute ihre Enkelin Elisa aus Israel nach Köln an. In hebräischer Sprache erzählte sie an den Stolpersteinen heute die Geschichte ihrer Familie. Sichtlich berührt wandte sie sich dabei in Gedanken auch direkt an ihre verstorbenen Großeltern und betrauerte, dass sie viel zu wenig von ihnen wüsste. Denn ihr Vater, Sohn von Julius und Else, habe in Israel ein neues Leben begonnen und nie von den Erlebnissen in Deutschland gesprochen. Viel zu spät habe sie damit begonnen, ihm Fragen zu stellen. Umso glücklicher sei sie nun, dass sie mit ihren Töchtern und Enkeln heute vor dem Haus ihrer Großeltern in Köln stehen könne und ihnen mit den Stolpersteinen ein Denkmal gesetzt wird. Begleitet wurde Elisa von ihrer Familie und einer langjährigen Freundin der Nathans. Sie hatte Herbert und seine Familie 1966 während eines Urlaubs in der Schweiz kennen gelernt, woraus sich eine sehr enge Freundschaft zwischen ihrer und Herberts Familie entwickelt hatte.


Foto: Stolpersteine Ehepaar Nathan

Ausgrenzung der jüdischen Bürger
Julius Nathan, geboren 1882, war kaufmännischer Angestellter und lebte zusammen mit seiner ersten Ehefrau, Rosa Rosendahl, und den beiden Söhnen Herbert und Rudolf in der Brüsseler Straße 104 in Köln. Die Söhne besuchten die städtische jüdische Volksschule und machten danach eine kaufmännische Lehre. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde die Situation der Familie rasch sehr schwierig, da Julius und seine Söhne wegen ihrer jüdischen Herkunft kaum mehr eine Arbeit fanden. Die Brüder schlossen sich daher jüdischen Jugendvereinen an und planten ihre Auswanderung nach Israel. Während Herbert 1937 auswanderte, in Israel ein neues Leben begann und eine Familie gründete, wurde Rudolf 1938 während des Pogroms verhaftet und ins KZ Dachau verschleppt. Kurz darauf entlassen, emigrierte er nach Dänemark und von dort nach Schweden. Julius und Rosa Nathan, die zunehmend verarmten, konnten aus finanziellen Gründen nicht mehr auswandern. Julius Nathan übernahm –vermutlich Ende 1939 – die Betreuung des von den Nationalsozialisten eingerichteten  so genannten „jüdischen Altersheimes“. Das Altersheim diente praktisch nur als Sammelstätte für ältere Menschen jüdischer Herkunft. Für viele war es der letzte Wohnort vor der Deportation und ihrer anschließenden Ermordung.

Rosa Nathan erkrankte und starb im Juli 1941 im jüdischen Krankenhaus in Ehrenfeld. Julius Nathan heiratete 62-jährig im März 1942 die 1895 geborene Else Lachs, die als Krankenschwester arbeitete und ebenfalls jüdischer Herkunft war. Julius und Else Nathan lebten 1942 in der St.-Apern-Straße 29-31, einem Ghettohaus, in das sie von den Nationalsozialisten zwangseingewiesen wurden. Von dort verschleppte man sie im Spätsommer 1942 in das Ghetto Theresienstadt und später in das KZ Auschwitz, wo sie 1944 ermordet wurden.

Klaus Pauly, Historisches Foto: Familie Nathan