Das vielleicht treffendste Zitat eines Abend in der Ülepooz an dem die Kölsche Funke rut-weiß vun 1823 e.V. das älteste Kölner Traditionskorps ein Werk vorstellten. Ein Buch über die roten Funken Kölns, aber nicht nur das, hier handelt es sich um ein Buch das mehr ist als nur ein besonders toll und aufwendig gestaltetes Jubiläumsbuch. Feiert man ja gerade dieses Jahr 50 Jahre rote Funken in der Ulrepforte. Nein das Buch handelt auch von Stadtgeschichte, ist ein Dokument des offenen, auch selbstkritischen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit und Tradition, aber auch noch mehr, ein Wegweiser und kritischer Hinterfrager des Weges in die Zukunft.

Über 320 Seiten stark ist das Buch "Vom Stadtsoldaten zum Roten Funken – Militär und Karneval in Köln" das Heinz-Günther Hunold, Winfried Drewes und Michael Euler-Schmidt herausgegeben haben. Es beginnt mit dem schönen Satz "Auf der Suche nach der inneren Freiheit ist es nicht verkehrt ein Narr zu sein" und einem Bild eines jetzt lebenden roten Funken, gemalt von Oliver Jordan. Schon im Vorwort, das im übrigen sehr lesenswert ist und nicht nur eine Lobhudelei darauf, wie toll das eigene Buch geworden ist, werden Vision, Leitbild und Tradition der roten Funken formuliert. Aber auch Kritik gegen herrschende Zustände und Ideen wie es mit dem Karneval, Köln und den roten Funken weitergehen kann. Eine Aufforderung zu bürgerlichem Engagement und zum Einmischen wird formuliert: "… geht es nicht um die mechanische Reproduktion von Traditionsbeständen, einer Folklore, die von den Problemen der Gegenwart losgelöst ist, sondern darum, sich einzumischen, auch wenn man dadurch nicht nur Freunde gewinnt."

Dr. Langensiepen, der Direktor des Amtes für rheinische Landeskunde, der das Buch an diesem Abend in der Ulrepforte vorstellen soll, hält dann auch mehr eine Laudatio auf bedrucktes Papier, denn eine Vorstellung. Langensiepen nennt das Buch "ein Dokument der Selbsterkenntnis, der Selbstkritik und des Selbstbewußtseins". Vor allem auch weil die roten Funken den Blick von Aussen auf Ihre Gesellschaft zulassen. Da schreibt die renomierte Feministin Irene Franken in Ihrem Beitrag " Die nie besiegten Söhne des Mars" über den Männerbund der roten Funken, über die Geschichte der Entstehung und über das Hier und Jetzt, stellt das tradierte Männlichkeitsbild der Männerbünde in Frage , das durch "die Negation des Weiblichen, sowie durch die Fixierung auf Macht und Erfolg" getrieben wird. Benennt die Parodie, die die Parodisten rote Funken mit ihrem Stippeföttche mittlerweile durch die Rosa Funken aushalten müssen, Frangen schreibt: "Sie macht dadurch die ehemaligen Spötter zum Thema einer zeitgemäßen Parodie unter dem Aspekt homophober und immer noch militaristisch geprägter Männlichkeit"

Marcus Leifeld setzt sich intensiv mit der Zeit zwischen 1933 bis 1945 auseinander. Leifeld betonte bei einer anderen Veranstaltung in der Ulrepforte, daß anders als bei anderen Traditionscorps, das Archiv der roten Funken vollständig sei und "keine Seiten fehlten", die offenkundig entfernt wurden. Auch mit diesem Erbe gehen die roten Funken erstaunlich offen, selbstkritisch um. So schreibt Leifeld in seiner Schlussbetrachtung: "Überaus häufig war die Anwendung von Druck (von Seiten der Nazis, Anm. d. Redaktion) nicht notwendig, da insgesamt ein Einvernehmen zwischen den nationalsozialistischen städtischen Behörden und dem Verein festzustellen ist. … Insgesamt legte der Verein großen Wert darauf, sich unpolitisch darzustellen". Dennoch wurde der Vorstand partiell organisatorisch gleichgeschaltet. Spannend auch die Geschichte des Funken Otto Fey, der dem damaligen Gauleiter Josef Grohé den Einlaß in den Gürzenich verwehrte, weil dieser keine gültige Eintrittskarte besaß. Dafür schlug ihm der Gauleiter mehrere Zähne aus.

Aber noch vielmehr Themen werden behandelt: "Das Militärwesen der Stadt Köln vom 13. bis zum 18. Jahrhundert" von Carl Dietmar, die Geschichte des Stadtsoldaten und sein Aufstieg zum Helden, die Geschichte der roten Funken im ersten Weltkrieg und Ihre Solidarität untereinander, über die Sozialstruktur der roten Funken, und über den Tod. Und noch vieles mehr, das den Rahmen dieser Buchbesprechung sprengen würde.

Dr. Langensiepen betonte den Wert der roten Funken für Köln und darüber hinaus. Die roten Funken sind ein "Markenzeichen", ein Mythos, die sich immer prägend für die Kölner Lebensart eingebracht haben. Bei den roten Funken und davon erzählt auch das Buch kann man den Gedanken des gemeinschaftlichen Handelns erkennen, das Ehrenamt, das bürgerschaftliche Element, daß so wichtig ist für ein Gemeinwesen. Langensiepen sprach aber auch von der Freude sich selbst anderen zu präsentieren, ein Teil der rheinischen Mentalität wie er es nannte. Das diese bei den roten Funken ausgeprägt vorhanden ist, kann man ja allenthalben beobachten.

Dr. Micheal Euler-Schmidt, der stellvertretende Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, sprach dann auch von einer "Bibel der Funken", aber auch von einer grundlegenden Forschungsarbeit zur Geschichte der Stadtsoldaten von Köln. "Ein politisches Buch, wenn man es richtig liest", sagte Euler-Schmidt. Und mit seinem Schlußsatz lobte er die Haltung der roten Funken mit einem historischen Vergleich: "Mit diesem Buch sind die roten Funken nicht weggelaufen, wie so oft in ihrer Geschichte, sondern haben sich aufgestellt".

Der jetzige Präsident der roten Funken Heinz-Günther Hunold übernahm dann auch die Funktion des über das Buch Hinausdenkers. Wo geht die Reise hin, vor allem auch des Karnevals, noch mehr "Ballermann, inhaltsleere Party, Kommerzialisierung" fragte er. Er forderte mehr Mut zur Kritik, zitierte "Jeck loss Jeck elans", ein "Raus aus der Gleichmacherei". 2007 wollen die roten Funken wieder einen Persiflagewagen in den Rosenmontagszug einziehen. Eigentlich wollte man dies schon 2006 tun, hat aber dann aufgrund der vielen Veränderungen im Festkomitee und der Zugleitung darauf verzichtet. Hunold sagte der Karneval ist "Raum für Kritik und humorvolle Anarchie, da darf jeder sagen was er auf dem Hätz hat", "wir überlassen die Stadt nicht den Politikern" führte er weiter aus. Er forderte mehr Substanz bei den Rednern, wie dies ein Willibert Pauels vormacht und ein raus aus der Flachheit. Die roten Funken wollen neue Veranstaltungsformen finden um die Verpflegungskosten zu senken und damit die Sitzungen wieder zu öffnen. Auch hier wird man ein neues Produkt 2007 vorstellen. Und mit dem Buch will Hunold den Diskussionsprozess in die Stadt und zu den roten Funken tragen.

Das das schon gelungen ist, zeigt sich daran, das alle Kölner Traditionscorps schon jetzt Marcus Leifeld weiter beauftragt haben sich der Geschichte der Korps gerade auch in den dunkelsten Jahren, der Zeit des Nationalsozialismus in Köln, zu nähern. Den Prozeß haben die roten Funken begonnen und sicher schon einen guten Teil der Wegstrecke hinter sich, ohne Diskussionen wird es sicherlich auch hier nicht weitergehen, die Forderung nach mehr Substanz, nach intelligenter auch politischer Rede, bürgerschaftlichem Engagement und nach dem Aufbrechen von Klischees, dem Wunsch Szenen aufzubrechen und einer Weiterentwicklung des Karnevals ist zum jetzigen Zeitpunkt genau richtig. Auch wenn Kritiker sagen, das sind nur alles schöne Worte. Aber wenn keiner den ersten Schritt wagt, Denkprozesse formuliert, sind es nicht einmal schöne Worte und stoßen gar nichts an. Der schwierigste Baustein liegt sicherlich noch vor den roten Funken und ihrem engagierten Präsidenten, den intellektuell richtig gefassten Impuls zur Erneuerung, als Samenkorn in die Herzen aller Menschen und Karnevalisten von Köln einzupflanzen.

Das Buch sei Kritikern und Euphorikern wärmstens empfohlen.

 

Vom Stadtsoldaten zum Roten Funken

Militär und Karneval in Köln
328 Seiten mit farbigen Abbildungen

Format 21 x 27 cm
Leinen mit Schutzumschlag

29,90 Euro

Greven Verlag Köln 2005

ISBN 3-7743-0372-X

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung