Köln | Eine Anwohnerin blickte von 10 Uhr an voller Interesse auf die Haltestelle der Kölner Verkehrsbetriebe am Bonner Wall. Davor viele Menschen mit schwarz-weiß karierten Westen, Fotografen, Kamerateams. Gegen 10:40 Uhr heulten die ersten Sirenen der Rettungswagen auf. Die Kölner Verkehrsbetriebe, die Kölner Polizei, die Kölner Feuerwehr und der ihr unterstellte Rettungsdienst und die Stadt Köln übten einen Großeinsatz in einer U-Bahn-Haltestelle nach einer terroristischen Attacke oder nach einem Unfall. Die Fachhochschule Köln begleitet das Projekt wissenschaftlich.

Retter standen bereit

Auf dem Parkplatz des Kölner Südstadions, wo sonst Flohmarkt, Oktoberfest oder Kölschfest gefeiert wird, drängelten sich schon um 10:00 Uhr morgens rote und cremefarbige Fahrzeuge. Es waren Einsatzfahrzeuge der Kölner Feuerwehr und von Rettungsdiensten. Von dort wurden diese in einem, wie der Direktor der Kölner Feuerwehr Johannes Feyrer es nannte, realistischen Zeitplan, zum Einsatzort Bonner Wall Ecke Bonner Straße angefordert. Um 10:35 Uhr wurde eine Bombenexplosion in einer U-Bahn-Haltestelle simuliert. Um 10:36 Uhr ging der Notruf bei der Kölner Polizei ein. Um 10:38 Uhr informierte die KVB die Leitstelle der Kölner Feuerwehr und schaltete den Strom der Fahrdrähte ab. Rund 100 Schauspieler, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Haltestellenbaustelle befanden, flüchteten dem menschlichen Fluchtreflex folgend, nach oben und verteilten sich auf der Bonner Straße. Ab 10:41 Uhr rollten dann die Fahrzeuge der Feuerwehr und ersten Rettungskräfte vom Parkplatz am Südstadion an und begannen mit der Evaluierung der Schadenslage und dem Sortieren der Verletzten. Die Anfahrt der Rettungsfahrzeuge war kurz gehalten worden, um das Risiko von Einsatzfahrten quer durch das Stadtgebiet zu minimieren. Der Abruf der Fahrzeuge erfolgte nach einem vorher festgelegten Zeitplan, der auch den realistischen Bedingungen entspricht.

Neulinge und echte Profis üben gemeinsam

Die Kölner Polizei war gegen 10:44 Uhr ebenfalls mit den ersten Kräften vor Ort, die allerdings nicht in Warteposition vorgehalten wurden, sondern aus dem laufenden Polizeieinsatzgeschehen der Übung zugeteilt wurden. Die Übung sei zu 80 Prozent realistisch konzipiert, so der Leiter des Kölner Rettungsdienstes Lechleuthner. Dem geht es neben dem Erkenntnisgewinn und den Forschungsergebnissen, aber auch darum Einsatzkräfte mit wenig Erfahrung und echte Profis zusammen üben zu lassen. Damit das Rettungssystem durch Lernen insgesamt robuster funktioniere und die Neulinge auch an Themen wie Großschadensereignisse herangeführt werden. Zudem könne man aus den Erkenntnissen einer solchen Übung Lehr- und Lernkonzepte für die Aus- und Weiterbildung formulieren. Davon profitiere das gesamte System, so Lechleuthner.

Kosten des Gesamtprojektes rund 2,5 Millionen Euro

Die Übung wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bezahlt und ist eingebettet in ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt der Fachhochschule Köln und des dortigen Fachbereichs Rettungsingenieurwesen. Die Kosten von rund 2,5 Millionen Euro trägt der Bund. Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung erklärte, dass das Ministerium seit 2007 bereits 1.000 Projekte, darunter 250 in NRW und 25 in Köln gefördert habe, die einer Verbesserung der Sicherheit der Bevölkerung dienten. Übungen wie diese in Köln seien besonders wichtig, weil sie Praktiker und Theoretiker zusammenbrächten. Eine Gefährdung kritischer Infrastrukturen, wie der des öffentlichen Personennahverkehrs seien nie auszuschließen, daher sei es wichtig sich dem Problem zu stellen und nach Lösungen zu suchen, um Abläufe im Ernstfall zu optimieren, auch wenn klar sei, dass es nie optimal laufen werde.

Schon eine Stunde nach Beginn der Übung stellten sich die Verantwortlichen erste Fragen zum Ablauf der Übung und diskutierten Verbesserungsmöglichkeiten. Die Fachhochschule Köln wird die Übung nun detailliert auswerten und wissenschaftlich analysieren. Daraus sollen dann Erkenntnisse für die gesamte Bundesrepublik gewonnen werden und in das Risikomanagement bei terroristischen Bedrohungen des schienengebundenen Personenverkehrs (RIKOV) einfließen. Nach einer Stunde waren in Köln alle Patienten versorgt und abtransportiert. Für die Übungsteilnehmer und Rettungskräfte gab es dann in der U-Bahn-Haltestelle eine lange Tafel. Da hatte die Anwohnerin schon lange das Interesse an der Übung verloren und blickte nicht mehr aus ihrem Fenster.

Autor: Andi Goral