Das Symbolbild zeigt ein Stadion bei der Uefa Euro 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | Artikel ergänzt | Für die Flugreisen der Bundesregierung zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft sind Kosten von insgesamt 531.008,86 Euro angefallen. Das geht aus der Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linke-Gruppe im Bundestag hervor, über die die „Welt“ berichtet.

Flugbereitschaft genutzt

Unter anderem flogen Bundeskanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Innenministerin Nancy Faeser (alle SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums zu den EM-Spielen der deutschen Nationalmannschaft.

„Wer für sechs angebliche Dienstreisen Kosten von über einer halben Million Euro verursacht, ist entweder völlig verantwortungslos oder endgültig abgehoben“, sagte Sören Pellmann, Vorsitzender der Linke-Gruppe im Bundestag, der „Welt“. Die Flugbereitschaft dürfe „nicht die alternative Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm der Bundesregierung sein“, so Pellmann. Vermutlich aber sei die Flugbereitschaft aufgrund der kaputtgesparten Bahn für die Minister und den Kanzler das „angenehmere Reisemittel“.

Ehepartnerin von Scholz dabei

Die Linke kritisiert zudem, dass Scholz von seiner Ehepartnerin Britta Ernst zu den EM-Spielen begleitet wurde. Die „Ehrenkarten“, die Ernst sowie die Kabinettsmitglieder nutzten, stünden nur Repräsentanten der deutschen Verfassungsorgane zu. Die Uefa stellte jene Eintrittskarten der Bundesregierung zur Verfügung, die sie sich wiederum mit dem Bundestag teilte. In einem internen Schreiben der Bundestagsverwaltung heißt es, die „Ehrenkarten“ seien „ausschließlich personengebunden und nicht übertragbar, auch nicht spontan“. Zudem heißt es: „Eine persönliche oder dienstliche Begleitung ist nicht möglich.“

Die Bundesregierung schreibt in der Antwort auf eine Frage der Linken-Gruppe: Es sei „seit Jahrzehnten tradierte Staatspraxis“, dass sich die Spitzen der Verfassungsorgane der Bundesrepublik bei Veranstaltungsbesuchen von ihren Partnern begleiten lassen könnten. Eine Regierungssprecherin sagte der Zeitung jedoch: „Zur Frage der Begleitung oberster Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes gibt es keine schriftlichen Regelungen.“ Das Schreiben der Bundestagsverwaltung richte sich nur an Mitglieder des Bundestags, so ein Regierungssprecher.

„Während echte Fans tief in die Tasche greifen mussten, saß die Kanzler-Gattin mehrfach auf Premiumplätzen – und das kostenlos beziehungsweise auf Kosten der Allgemeinheit“, sagte Christian Görke, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Gruppe, der „Welt“. Einen dienstlichen Grund für die Begleitung des Bundeskanzlers zu den Spielen habe es nicht gegeben.

Görke fordert Scholz` Ehefrau Ernst auf, „die Premiumkarten, einschließlich die mehrfache Nutzung der Flugbereitschaft, aus der privaten Tasche“ nachträglich zu zahlen. „Der Fußball lebt in Deutschland von Millionen Normalos, die jedes Jahr die Tribünen füllen, und nicht von Ehepartnern von Mitgliedern der Bundesregierung auf Logenplätzen“, so Görke.

Kritik an hohen Kosten für Regierungsflüge während Fußball-EM   

Aus den Reihen der Opposition kommt heftige Kritik an den hohen Kosten, die durch Flugreisen der Bundesregierung während der Fußball-Europameisterschaft entstanden sind. „Das ist eine Schande sondergleichen“, sagte Linken-Bundesgeschäftsführer Ates Gürpinar am Dienstag.

Auf Kosten der Steuerzahler gönnten sich Mitglieder der Bundesregierung „Luxusreisen“ zu den Spielen der Fußball-Europameisterschaft. Die „sogenannten Dienstreisen“ seien nichts anderes „als ein abendliches Unterhaltungsprogramm“ auf Kosten der Bürger, so Gürpinar weiter.

„Während die Kommunen und das Ehrenamt um jeden Cent kämpfen müssen, werden hier unfassbare 531.000 Euro Steuergelder verjubelt. Die Flugbereitschaft darf nicht zur alternativen Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm der Bundesregierung werden.“ Es sei an der Zeit, dass die Regierungsmitglieder selbst „in die maroden und ständig verspäteten Züge steigen und ihre Flüge aus eigener Tasche bezahlen“.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich zeigte sich empört: „Der Bundestag kann im Bereich Auswärtiges oder Europa nicht mehr reisen, weil ein zu knapp bemessenes Reisebudget erschöpft ist. Mitglieder der Bundesregierung indes fliegen für über 500.000 Euro zur EM. Hier stimmen die Verhältnisse zwischen Parlament und Regierung nicht mehr.“

Die AfD-Fraktion nannte die Nutzung der Flugbereitschaft zu EM-Spielen in der „Welt“ (Mittwochausgaben) „maßlos, schamlos und völlig unnötig“. Innerhalb Deutschlands stünden Linienflüge, die Deutsche Bahn oder Dienstwagen zur Verfügung, sagte Jörn König, Vize-Chef der AfD-Bundestagsfraktion. „Hunderttausende Euros Kosten sind ein ähnlicher Skandal wie Hunderttausende Euros für Friseur und Visagistin bei Frau Baerbock.“ Ein Grund für einen dienstlichen Besuch der Spiele sei nur bei Kanzler Olaf Scholz, Sport- und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sowie Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestags gegeben.

„Alle anderen Minister haben auf einem solchen Sportereignis dienstlich nichts zu suchen und müssen sich die Karten, An- und Abreise privat besorgen und bezahlen“, so König in der „Welt“. „Kostenlose `Ehrenkarten` gehören abgeschafft.“ Politiker sollten jene Karten spenden oder bei Nutzung „den geldwerten Vorteil versteuern“. Die Uefa stellt diese Karten kostenlos zur Verfügung.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sagte: Es sei nicht verwunderlich, dass Politiker als abgehoben wahrgenommen würden. Die Flüge der Minister zu den Spielen zeigten „die ganze Inkonsequenz der grünen Klimapolitik“, sagte Jessica Tatti, Parlamentarische Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag. „Annalena Baerbock wird von der Bundeswehr zum EM-Spiel chauffiert, während der Normalbürger dem Bahnchaos ausgesetzt ist.“ Zwar freue es die Nationalspieler sicher, wenn die Bundesregierung bei den Spielen anwesend seien. „Was man aber keinem Menschen erklären kann, ist, dass sich die grüne Außenministerin mit der Flugbereitschaft vom Spiel in Frankfurt läppische 250 Autokilometer nach Luxemburg fliegen lässt und dafür noch das Nachtflugverbot umgeht“, so Tatti.

Baerbock flog nach dem Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz in Frankfurt am Main dienstlich nach Luxemburg. Der Flug kostete laut Verteidigungsministerium gut 47.000 Euro.