"Wenn nichts geschieht genügt dieser sozialstrukturelle Wandel, um die deutschen Pisa-Zugewinne…zunichtezumachen." In den vergangenen zehn Jahren hatten die deutschen Schüler beim internationalen Leistungsvergleich Pisa zugelegt. Gleichzeitig werde die Risikogruppe der schwachen Leser von jetzt 19 wieder auf 21 Prozent anwachsen. In Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, erläuterte Baumert, kämen zurzeit 35 Prozent der Schüler aus Zuwandererfamilien. Bei den unter Fünfjährigen seien es bereits mehr als 40 Prozent. "In den Ballungszentren werden in wenigen Jahren die Zuwandererkinder im Grundschulalter die Mehrheit bilden." Von Bestsellerautor Thilo Sarrazin, der vor einem wachsenden Anteil der Migranten an der Bevölkerung warnt, distanzierte sich der Max-Planck-Forscher allerdings: "Thilo Sarrazin irrt, wenn er suggeriert, dies sei eine Frage der Genetik", so Baumert. "Er hat weder das die menschliche Entwicklung bestimmende Prinzip der Wechselwirkung zwischen Anlage und Umwelt wirklich verstanden noch die Plastizität der wissensabhängigen Komponenten der Intelligenz." Baumert sieht das Problem demgegenüber darin, dass die Zuwanderer vorwiegend aus schwächeren sozialen Schichten kämen und Deutschland ihre sprachliche Integration vernachlässigt habe. Zur Bekämpfung des Problems plädierte Baumert für eine kontinuierliche Sprachförderung. "Schon nach der Geburt sollte sozial schwächeren Familien niederschwellige Unterstützung angeboten werden, um sie in ihrem Erziehungsauftrag zu stärken", forderte Baumert. "Dann folgen Krippen, Kindergärten und die Grundschulen. In allen diesen Einrichtungen ist eine individuelle Entwicklungsdiagnostik notwendig, um bei Schwierigkeiten rechtzeitig helfen zu können. Dies verlangt oft zusätzliche Lernzeit. Dies ist aber nur in Ganztagseinrichtungen vernünftig zu organisieren."

[dts]