Die Zeichnung zeigt Hans Mörtter

Köln | aktualisiert | Wer wird nächste Oberbürgermeisterin oder nächster Oberbürgermeister? Eine Frage, die mehr als ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl Kölnerinnen und Kölner aber auch Findungskommissionen der Parteien umtreiben. Jetzt wirft der erste Kandidat seinen Hut öffentlich in den Ring. Ein Pfarrer im Ruhestand mit Promifaktor: Hans Mörtter. Lokale Blogs feiern den 68-Jährigen bereits und sprechen davon er sei auf „OB-Kurs“.   

Karnevalsrede lässt hyperventilieren

Hans Mörtter ist Pfarrer in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt gewesen. Er ist mittlerweile im Ruhestand. Mörtter nutzte den Kirchenraum, gestattete dort politische Debatte, manchmal forcierte er diese und mischte sich als Kirchenmann aktiv vor allem im Sozialen ein und suchte die Öffentlichkeit. Jetzt, so meldet es der Blog „Meine Südstadt“ sei „Hans Mörtter auf OB-Kurs“. Der Artikel featured den Pfarrer i.R. gleich mit dem nächsten Satz: „Er ist einer der tatkräftigsten, bekanntesten und auch streitbarsten Akteure der Kölner Stadtgesellschaft.“ Das im Blog verwendete Bild des Hoppla da bin ich Kandidaten wird durch eine farblich hervorgehobene Spitzmarke überlagert: „Support Your Locals!“. Ist das jetzt Werbung oder Information? Das Wort „Anzeige“ findet sich nirgends.

In der Kölner Politik wird hyperventiliert, zumindest in den kommunalpolitischen Chaträumen, so mancher politischer Partei. Ob wegen des hochjazzens der Person in einem hyperlokalen Blog oder wegen der Person an sich, bleibt abzuwarten. Immerhin hat der Pfarrer i.R. maximale Reichweite erzeugt, denn natürlich springen die Lokalmedien auf den hingehaltenen Gaul.

Der Blog ist aber noch nicht fertig mit der Lobhuddelei von Südstädtern für Südstädter: So titelt der Blog in der ersten Zwischenüberschrift „In der Südstadt weltberühmt“. Darunter eine Liste von engagierten und wirkungsvollen Taten und, dass der ehemalige Südstadtpfarrer bei seiner „Predigt“ bei der Nubbel-Verbrennung der Gaststätte „Filos“ seine Kandidatur bekannt gegeben habe. Der postete einen Teil seiner Rede in den sozialen Medien: Em September 2025 jitt et OB-Wahl, wo Aufbruch nüdich es. Ok – ich bin ne ahle Sack – ävver ich stonn parat, die Stadt neu zo rocke.Aus diesem Auftritt zum Ende des Karnevals vor einer Kneipe in der Kölner Südstadt werden macht der Blog: „Kernelemente eines möglichen Wahlprogramms“.

Der Blog möchte mit dem Mann jetzt über seine Chancen gegen die amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprechen, weil diese eine dritte Amtszeit nicht ausschließe. Weitere Fakten gab es im Blog nicht. Bei der „Kölnischen Rundschau“ rechnet sich Mörtter schon gute Chancen aus und sagt er gewinne und es gebe Parteien, die mit ihm sprechen würden. Aber dort, ein Fakt der schnell überlesen werden kann: Mörtter möchte keine eigene Bewegung gründen, aber bei Nominierung durch eine Partei als Parteiloser Köln regieren.

Bleiben wir mal nüchtern

Werden wir oder bleiben wir mal nüchtern. Zählt man den Blog zur Presse, dann stellt sich die Frage wie die Macherinnen und Macher es mit den Regeln des Pressekodex halten, wenn sie die Kandidatur eines Einzelnen dermaßen überhöhen – auch wenn er Südstädter ist und wie sie es mit der Wahrhaftigkeit halten, die in der Wahlberichterstattung ein Must have ist. Aber geschenkt in diesen Zeiten des Clickbaiting. Klar ist es richtig über eine solche Ankündigung zu berichten. Alles OK, aber so? Sammeln wir die Fakten.

Fakt ist, dass es eine Aussage von Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegenüber „Radio Köln“ geben soll, in der diese eine dritte Amtszeit nicht ausschließe. Das kann sein. Daraus aber einen Zweikampf Mörtter und Reker zu konstruieren und dies medial öffentlich mit einer Frage zu suggerieren? Das ist wenigstens populistisch und Mörtter und der Blog müssen sich fragen lassen, ob sie die Dimension des Amtes und die damit einhergehende Verantwortung verstehen?

Drei Fakten:
1. Die drei großen Parteien in Köln Grüne, CDU und SPD suchen derzeit nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten. Es gibt Findungskommissionen, die die Parteien öffentlich machten. Auch transparent, wer dort finden soll. Auf den Fluren werden Namen genannt, wie aussichtsreich diese sind, bleibt offen. Mörtter fehlte dabei bisher. Der Geschäftsführer des CDU Kreisverbandes Bastian Ebel schreibt zur Personalie Mörtter: „Zu aktuellen Gesprächen äußern wir uns nicht. Wir freuen uns aber über das Interesse an dieser wichtigen Position. Unsere Vorschlagskommission wird mit Sicherheit den richtigen Kandidaten oder die richtige Kandidatin vorschlagen.“ Auch von der SPD kommt das Signal sich nicht zur Findungskommission auf öffentlich Anfragen zu äußern. Das Verfahren so die Kölner Sozialdemokratie verlaufe streng vertraulich.

2. Bei der OB-Wahl 2020 unterstützten Kölns Grüne und die CDU Henriette Reker als parteilose Kandidatin und sprachen dies öffentlich aus. Beide Parteien haben öffentlich angekündigt, bei der OB-Wahl 2025 mit einer eigenen Kandidatin bzw. einem eigenen Kandidaten anzutreten. Auch die SPD will alleine in die OB-Wahl ziehen, zumindest gibt es keine anderen offiziellen Statements. Auch das produziert die Flurgerüchteküche des spanischen Baus, dass Reker gefragt werden wolle von den Parteien. Aber Gerüchteköchinnen und -köche gibt es viele auf dem Kölner Rathausberg.

3. Legt man den vom Blog ins Feld geführte Duell Reker-Mörtter zugrunde, dann bliebe Reker die Option, alleine in die Wahl zu ziehen und ihre in zwei Amtszeiten erworbene Bekanntheit zu nutzen. Bekanntheit ist das eine, aber es bedarf einer Logistik für den Wahlkampf und viel Geld. All das müsste Reker aufbauen. Davon ist aktuell nichts zu sehen.

Wer also aktuell wahrhaftig über die OB-Wahl berichtet und einzelne Bewerber oder deren Ansinnen vorstellt, der sollte diese Fakten den Kölnerinnen und Kölnern nicht vorenthalten. Heißt im Klartext: Es wird in anderthalb Jahren gewählt und es fließt nicht nur viel Wasser den Rhein noch hinab, sondern bevor man über Chancen spricht, sollten alle Kandidatinnen- und Kandidatenvorschläge auf dem Tisch liegen. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch um inhaltliche Fragen geht.

Kandidatur eine Stilfrage

Ein weiterer Aspekt ist die Frage des Stils. Auf einer Nubbelverbrennung vor einer Kneipe wirft jemand seinen Ring in den Hut für den Posten des Oberbürgermeisters der viertgrößten Stadt Deutschlands? Ohne Programm, ohne klarzumachen für was er steht, welche politische Richtung er unterstützt? Nur weil er einen lokalen Prominenzfaktor hat? Für eine Position, die ja nicht nur repräsentativ ist, sondern auch beinhaltet, über 22.000 Menschen vorzustehen und diese verantwortungsvoll zu leiten, eine Ratssitzung zu leiten, Köln beim Städtetag vertreten, Köln gegenüber den gesetzgebenden Parlamenten zu vertreten?

Wenn Mörtter mit Parteien spricht, warum stellen sich diese nicht gemeinsam mit dem Kandidaten vor? Oder will Mörtter auf diese Parteien Druck ausüben?

Dürfen die Kölnerinnen und Kölner von einem ernsthaften Kandidaten oder Kandidatin nicht erwarten, dass er sich ihnen und mit seinem Programm, seinen Kompetenzen vorstellt? Dabei ist Mörtter in guter Gesellschaft, denn immer mehr freie Kandidatinnen und Kandidaten werfen seit dem Millennium ihren Hut in den Ring. Sie erhalten auch immer mehr Stimmen, wie eine kurze Analyse der OB-Wahlen der vergangenen Jahrzehnte zeigt.

Immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten

Eines vorweg: Jede oder Jeder, der mag, kann und soll kandidieren, wenn er auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Das ist nicht nur Gesetz, sondern steht so in der Gemeindeordnung und es ist gut so. Ein Vorteil für Mörtter, der 1955 geboren wurde und nächstes Jahr 70 Jahre alt wird, dass es in NRW – anders als in anderen Bundesländern – keine Höchstaltersgrenze gibt. Die Gemeindeordnung NRW: „Wählbar ist, wer am Wahltag Deutscher im Sinne von Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist oder wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt und eine Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland innehat, das 23. Lebensjahr vollendet hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist sowie die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.“

Bemerkenswert ist allerdings die Zunahme der OB-Kandidaten bei Wahlen seit 1999. Nun sagt Mörtter in einer Zeitung, dass er von einem Parteienbündnis getragen werden und als parteiloser Kandidat antreten will. Aber ein Blick lohnt. Fast 10 Jahre lang traten nur vier bis fünf Bewerberinnen und Bewerber zur OB-Wahl an, bei den Wahlen 1999 bis 2009. 2015 waren es sieben und 2020 sogar schon 13 Bewerberinnen und Bewerber. Deren Stimmanteile stiegen: So wählten 2020 die aussichtsreichsten Kandidaten im ersten Wahlgang 71,82 Prozent. Es waren Reker und Kossiski, SPD. Die elf weiteren Kandidatinnen und Kandidaten konnten 28,16 Prozent auf sich vereinen. 2015 konnten die chancenlosen Kandidaten 15,82 Prozent, 2009 addiert 12.07 Prozent, 2000 zusammengerechnet 11,1 Prozent der Stimmen erringen.

Hintergrund – Überblick über die letzten 5 OB-Wahlen

Wahl 2020
13 Bewerberinnen und Bewerber

Andreas Kossiski, SPD, 26,77 Prozent
Henriette Reker, parteilos, getragen von Grünen und CDU 45,05 Prozent

11 weitere Bewerber die 28,16 Prozent zusammengerechnet erhielten:
Darunter Jörg Detjen für die Linke mit 7,17 Prozent, Cremer AfD 4,19 Prozent, Gabrysch 3,45 Prozent, Campione 3,40 Prozent, Zimmermann, Gut, 2,07 Prozent, Fuchs, Volt,  4,45 Prozent oder Lutz Langel 1,07 Prozent.


2015
7 Bewerberinnen und Bewerber

Henriette Reker, parteilos, unterstützt von den Grünen, CDU und FDP:  52,66 Prozent
Jochen Ott, SPD, 32,02 Prozent

Die weiteren 5 Bewerberinnen und Bewerber erhielten addiert 15,32 Prozent


2009
5 Bewerber

Jürgen Roters, SPD von den Grünen unterstützt, 54,67 Prozent
Peter Kurth, CDU, 33,25 Prozent

Die weiteren drei Kandidaten konnten 12,07 Prozent addiert erringen


2000
4 Bewerberinnen und Bewerber

Fritz Schramma , CDU, 47,37 Prozent
Anke Brunn, SPD, 38,9 Prozent

Die weiteren Kandidaten errangen addiert 11,1 Prozent und das waren Barbara Moritz, Grüne 9,1 Prozent und Ralph Sterck, 2,0 Prozent.


1999
4 Bewerberinnen und Bewerber

Harry Blum, CDU, 48,1 Prozent
Annemarie Lüttkes, Grüne, 32,4 Prozent

Die beiden weiteren Kandidaten errangen addiert 15,5 Prozent und das waren Dr. Klaus Heugel, SPD, 12,9 und Ralph Sterck, FDP, 2,6 Prozent.

ag