Wer den Jahresbericht 2009 des NS-Dokumentationszentrums aufmerksam studiert, der merkt wie bienenfleißig und engagiert die Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums arbeiten und mit welch hohem Maß sie für Köln Reputation international einholen. Dr. Jung, der Direktor des NS-Dok nennt 2009 ein äußerst erfolgreiches Jahr. Dies spiegelt sich zum einen natürlich in der Erhöhung der Besucherzahlen auf 48.916 im Jahr 2009 von 44.448 im Jahr 2008. Das ist eine zehnprozentige Steigerung. Das sind aber nur Zahlen. Vielmehr festigte das NS-Dok auf inhaltlicher Ebene in 2009 seinen Ruf, nicht nur als Dokumentationsstelle und Ausstellungsmacher, sondern auch als wichtiger Player in der aktuellen Diskussion um Rechtsextremismus.

Zwei Tage in den Hauptnachrichten
So wurde am 1. September 2009, das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz eingeweiht. Hier war das NS-Dok mit dem internationalen Künstlerwettbewerb betraut. Schon einen Tag später stoppte der Winton-Train im Kölner Hauptbahnhof, der an die Rettung von 669 Kindern und die historische Zugfahrt von Prag nach London erinnerte. Mit beiden Veranstaltungen und das erfreute besonders, wurde das NS-Dok und Köln auch positiv in den Hauptnachrichten erwähnt. Insgesamt 122 Veranstaltungen und sechs Sonderausstellungen organisierte das NS-Dok im Jahr 2009.



Vielfalt vor 1933: Die linke Seite im neugestalteten Jugendbereich der Dauerausstellung zeigt die vielen Jugendgruppen vor 1933 und deren Anstecknadeln.



und die rechte Wand stramm organisiert die Zerstörung der Vielfalt und Gleichmacherei durch HJ und BDM.

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres war am 14. Mai die Eröffnung des EL-DE-Hauses nach der Neugestaltung der Gedenkstätte und der ständigen Ausstellung. Die gilt als besonders erfolgreich, nicht nur, weil man durch die Erweiterung des Foyers die Eingangssituation verbessert hat. Auch inhaltlich hat man große Fortschritte gemacht. Dr. Jung nannte etwa den Jugendbereich, der jetzt „genial“ gelöst sei. Auf einen Blick könne man den Unterschied zwischen Jugend vor und im Dritten Reich erkennen. Betritt man den Raum im zweiten Stock der Ausstellung, so sieht man links, die Fotos unterschiedlichster Jugendgruppen, die locker für den Fotografen posieren, dabei Guitare spielen. Zu sehen auch viele unterschiedliche Anstecknadeln der Gruppen vor 1933. Also ein vielfältiges, buntes und reiches Angebot. Rechts dagegen sieht man Fotos von den zwei stramm ausgerichteten Jugendorganisationen der Nazis, der HJ und dem Bund Deutscher Mädchen. Nach 1933 gibt es nur noch eine Anstecknadel. Ergänzt hat man das Angebot der Ausstellung auch durch vertiefende multimediale Angebote, die sehr gut angenommen werden. Hier werden Zeitzeugeninterviews, Originalfilme und Fotos gezeigt. Im Jugendbereich etwa kann man einem Zeitzeugen, der selbst in der HJ war zuhören und mittlerweile auch einer Frau, die im Bund deutscher Mädchen organisiert war.

Auch die Gedenkstätte habe durch die Umgestaltung gewonnen, etwa das man die Dunkelzelle oder den Hausbunker der Gestapo heute zeigen könne. Auch der Gedenkraum im ehemaligen Wachraum als „Raum im Raum“ sei ein maßgeblicher Fortschritt, so Jung. Die nächsten entscheidenden Schritte seien das Freiräumen des Innenhofes als dem zentralen Gedenkort, die Übernahme der Galerie, die jetzt vertraglich geregelt sei. „Die Gedenkstätte sei ein einzigartiges Kulturgut von nationalem und europäischem Rang“, verdeutlichte Jung die Alleinstellung des Hauses.

Unter den sechs Sonderausstellungen sorgte vor allem eine für internationale Aufmerksamkeit: „Von wegen Heilige Nacht! – Weihnachten in der politischen Propaganda“. Eine Ausstellung die auf der privaten Sammlung von Rita Breuer basierte. Die Ausstellung war auch Teil des Kölner Krippenweges und wurde weltweit medial begleitet und besprochen.

Das NS-Dok ist aber nicht nur Gedenkstätte, oder Ausstellungsraum, sondern auch Forschungsstelle und auch da konnte man in 2009 viele erfolgreiche Projekte und deren Vollendung  präsentieren. Dr. Jung nannte etwa das Projekt „Opposition und Widerstand in Köln 1933-1945, das „Ghetto Litzmannstadt“, dass sich mit dem Verbleib von aus Köln nach Litzmannstadt deportierten Juden intensiv auseinandersetzt, „Transportzug DA 219“ das sich mit dem Schicksal von 1.163 deportierten Frauen und Männern am 20. Juli 1942 beschäftigt oder das Videoprojekt „Erlebte Geschichte“, bei dem bisher 19 Zeitzeugen unter dem Titel „Kölnerinnen und Kölner erinnern sich an die NS-Zeit“ befragt wurden. Und neben all den Aufgaben hat man sich auch ein neues CI gegeben und neue Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt.



Kümmert sich derzeit alleine und nur mit einer halben Stelle um 300 kleinere und 30 größere jüdische Nachlässe: Dr. Barbara Becker-Jäkli. Das ist natürlich viel zu wenig Zeit um die wichtigen Dokumente alle zu verzeichnen.

Ausblick mit Sorgen
Neben all der Freude über die gelungenen Projekte des Jahres 2009, blickte Direktor Jung aber auch mit Sorge in die Zukunft. Da sind zum einen die jüdischen Nachlässe. Rund 300 kleinere und 30 größere Nachlässe warten darauf verzeichnet, dokumentiert und digitalisiert zu werden. Darunter die weltweit einzigartige Sammlung Irene und Dieter Corbach, mit deren umfangreicher Korrespondenz mit Überlebenden des Holocaust. Derzeit ist die Dokumentation aber nur mit einer halben Stelle von Frau Dr. Becker-Jäckli besetzt. Die kümmert sich liebevoll um die Nachlässe und hat vieles in ihrem Gedächtnis, aber die Zeit reicht nicht alle wertvollen Materialien wissenschaftlich zu verzeichnen. Aber gerade diese Arbeit ist wichtig, um diese Schätze der Wissenschaft und auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn nur verzeichnete Nachlässe und die Erkenntnisse daraus können auch in die Ausstellungen einfließen. Wichtig ist diese Erfassung aber auch in der Hinsicht, dass nur so etwa Anfragen von Angehörigen nach dem Schicksal ihrer Verwandten beantwortet werden können. Mit der halben Stelle dauere es Jahrzehnte, bis man die Verzeichnislücken aufgearbeitet habe, so Dr. Jung, der den Aufbau des Dokumentationsbereichs als zentrale Forderung sieht und hofft, dass die Ziele des Kulturentwicklungsplans, die in der derzeitigen Finanzsituation Kölns Makulatur sind, in Zukunft wieder eine realistische Chance erhalten.

Mit wenig Mitteln mehr erreichen
Ein zweiter Sorgenkomplex sind die Öffnungszeiten, die derzeit zu kurz sind, um allen Anfragen gerecht zu werden. Auch hier leidet man unter den Kürzungen. Aktuell fragen mehr Schulen, oder Schulklassen nach der Möglichkeit einer Führung nach, als das NS-Dok bewältigen kann. Das läge daran, dass man nur von 10-16 Uhr geöffnet habe, so Dr. Jung. Für eine Führung in einem Themenbereich müsse man mindestens 75 Minuten pro Schulklasse veranschlagen, so dass bei den aktuellen Öffnungszeiten gegen 14 Uhr die letzte Schulklasse eingelassen werden kann. Eine Erweiterung der Öffnungszeiten um zwei Stunden würde hier schon Abhilfe schaffen, etwa wenn man von 9-17 Uhr geöffnet hätte. Das geht aber leider nicht, da man die Kosten für die Bewachung des Objektes derzeit nicht aufbringen könne.

Es stimmt traurig, wenn man sieht, mit welcher Verve hier Wissenschaft und Mitarbeiter engagiert Forschung, Lehre und Gedenken bewahren und vorantreiben. Das NS-Dok ist ein Juwel für Köln und das gleich in dreifacher Hinsicht und sorgt international für eine hohe Reputation Kölns. Das etwa die Nachlässe nicht verzeichnet, dokumentiert und digitalisiert werden können oder auch Schulklassen abgewiesen werden müssen ist unverzeihlich. Das NS-Dok erfüllt hier eine äußerst wichtige gesellschaftliche Aufgabe vor allem auch im Hinblick darauf, dass die Zahl der Zeitzeugen immer weniger werden.

[ag]