Geschickt entführen Autor und Verlag in die Welt der Industrialisierung um 1900. So beginnt der im Querformat angelegte Band nicht mit langen Textstücken oder Vorwörtern, sondern zeigt ungewöhnlich bis Seite 53 ein „Andenken in Bildern an einen Rundgang durch den Helios“ Fotografie mit kurzen Bildunterschriften. So kann der, der heute das Ärztehaus kennt, den Turm an der Heliosstraße oder die Rheinlandhalle, in die Anfangsjahre zum Beginn des letzten Jahrhunderts eintauchen. Arbeiten am damaligen Verwaltungsgebäude, die riesigen Maschinenhallen mit ihrem Gewusel aus hunderten Arbeitern oder Bilder von Menschen die zur Mittagspause auf der Venloer Straße unterwegs waren, machen neugierig. Intime Einblicke ins Büroleben um 1900 geben Fotos vom „Conferenzzimmer“ oder des „Technischen Bureaus“, wo wir im Vordergrund einen Zeichner tief über seinen Zeichentisch gebeugt sehen, der mit dem Bleistift arbeitet, während der anderen den Blick zum Fotografen richten. Aber auch die Aufnahmen aus dem Werk entführen in eine uns heute nicht mehr bekannte Arbeitswelt. Am „Platz für Hochspannungsarbeiten im Probierraum“ lesen wir auf einer Tafel „Hochstrom !lebensgefährlich!“ und sehen einen Arbeiter der lässig die eine Hand in die Hüfte gestemmt Tests vornimmt. Die Aufnahmen entstammen dem Buch „Andenken an einen Besuch beim Helios Köln“ der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Daneben sehen wir elektrische Straßenbahnwagons auf dem Ehrenfelder Testgelände, das Elektrizitätswerk am Zugweg, die Marketingaktivitäten des Köln-Ehrenfelder Unternehmens auf der Pariser Weltausstellung oder die Leuchttürme an der Nordsee, die Helios elektrifizierte,

Im zweiten Teil des Buches gelingt es Schäfke, Markt und Marketing, aber auch den Aufstieg und Fall des Unternehmens sensibel an den Marktgesetzten die damals galten, nachzuzeichnen und auch das persönliche Schicksal des ersten Ingenieurs Carl Theodor Coerper einzuweben. Dabei verliert sich Schäfke nicht in langen Ausführungen sondern komprimiert und verdichtet die wirklich wichtigen historischen Fakten zu einem spannenden Wirtschaftskrimi über Fehlentscheidungen und zu hohen Hoffnungen an den Markt, der auch heute nichts an Aktualität eingebüsst hat. Das Buch kommt im Angesicht der aktuellen Diskussionen um die Zukunft des Heliosgeländes zur rechten Zeit.

Der Autor Dr. Werner Schäfke
Dr. Werner Schäfke lebt seit 1962 in Köln. Geboren wurde er in Hildesheim im Jahr 1944. Er studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie und katholische Theologie. Von 1984 bis 2009 leitete Schäfke das Kölnische Stadtmuseum als Direktor.

Werner Schäfke
“Helios – Ein Leuchtturm für Ehrenfeld“
Gebunden
Zahlreiche Abbildungen
Köln: Emons Verlag 2011
ISBN 978-3-89705-875-0
96 Seiten, 17,95 Euro

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