Das Museum für Ostasiatische Kunst zeigt 47 Holzblätter aus der Hiroshige-Serie „100 Ansichten von Edo und mehr“. Die Werke, die das Leben in Edo, wie Tokio früher hieß, darstellt, stammen aus dem eigenen Bestand des Hauses. „Seit über 20 Jahren wurden nicht mehr so viele Blätter auf einmal präsentiert“, erklärt Dr. Adele Schlombs, Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst. Den Besuchern bietet sich darüberhinaus die Gelegenheit, in der Ausstellung Einblicke in die soeben im Taschen-Verlag erschienen Faksimile-Edition der „100 Ansichten von Edo“ zu nehmen, die ausführliche Beschreibungen und Kommentare von Melanie Trede und Lorenz Bichler, Universität Heidelberg, zu jedem einzelnen Blatt enthält.

Ein Blatt für 10.000 Euro
Heute besitzen seine Werke einen Marktwert ab 10.000 Euro aufwärts. Die Popularität der „100 berühmten Ansichten von Edo“ verdankt nicht zuletzt der Auswahl der Sehenswürdigkeiten. Tempel- und Schreinbezirke stehen neben belebten Straßen sowie öffentliche Parks und reine Landschaftsszenen. „Alles Orte die für japanischen Touristen heute noch wichtig sind“, erklärt Dr. Adele Schlombs. In knapp 40 Prozent der Blätter sind Orte vorgestellt, die zuvor noch nie thematisiert worden waren. Mit diesen Überraschungsmomenten wollten Hiroshige und seine Verleger den Absatz der Serie im 18. Jahrhundert steigern. „Die Nachfage war so groß, dass die Blätter 10 bis 15.000 mal gedruckt worden sind. Das ist enorm“, betont Dr. Adele Schlombs. Die größte Sammlung besitzt das Uta Memorial Hall in Japan. Aber es existiert weltweit keine Komplettsammlung von Hiroshiges Werken“, erklärt Ute Kieseyer, Lektorin der Faksimile-Edition „100 Ansichten von Edo“.

Hiroshiges Werke
Hiroshige richtet den Blick auf die unterschiedlichen sozialen Schichten der Stadtbevölkerung, mit Vorliebe bei jahreszeitlichen Bräuchen und Festen und bei touristischen Freizeitvergnügungen. Er stellt ein Edo der variationsreichen Attraktionen, der ungetrübten Idylle und des Wohlstands vor. Häufig spielt die Vegetation, allen voran Bäume, eine kompositorische, farbliche oder auch jahreszeitliche Rolle. In zahlreichen Blättern verwendet er die in der japanischen Maltradition verankerte Vogelperspektive, die den Betrachter auffordert, seinen Blick im Bild wandern zu lassen. Zur Wiedergabe prominenter Straßenszenen bedient er sich aber auch gerne der westlichen Linearperspektive. Das dritte Kompositionsmittel, das wesentlich zum Ruhm dieser Serie beitrug, ist ein nah an den Betrachter herangerücktes und meist angeschnittenes Vordergrundmotiv. Durch diese Einengung des Bildraums erzielt Hiroshige spektakuläre Blickperspektiven. Häufig dient das aus dem Zentrum gerückte, angeschnittene Bildmotiv wiederum als Mittel, um Bewegung oder die Flüchtigkeit des Augenblicks wiederzugeben.

Hiroshige- Sohn eines Samurais
Utagawa Hiroshige (1797-1858) kam als Sohn eines Samurai zur Welt, der die Position eines Brandinspektors in Edo, dem späteren Tokyo, innehatte. Mit 15 Jahren wurde er Schüler des Holzschnittmeisters Utagawa Toyohiro. Nach anfänglichen Serien über schöne Frauen, Kabuki-Schauspieler und berühmte Krieger, landete er seinen ersten großen Wurf mit der zwischen 1832 und 1834 entstandenen Serie „53 Stationen der Ostmeerstraße“. Zwischen 1856 und 1858, dem Jahr seines Todes, erschienen in unregelmäßiger Folge insgesamt 115 Einzeldrucke der „100 Ansichten von Edo“. Der Erfolg war so groß, dass der Verleger beschloss, sie durch drei weitere Holzschnitte seines Schülers Hiroshige II zu ergänzen und posthum in der Reihenfolge der vier Jahreszeiten nochmals als komplette Serie herauszugeben. „In Japan ist es eine ganz berühmte Serie“, erklärt Dr. Adele Schlombs. Interessant ist die Ausstellung für uns Eurpäer dshalb, „weil er in unseren Kanon der Kunst einhalt gefunden hat“, sagt Museumsdirektorin Schlombs.

Ein Japaner revolutioniert Europa
Schon bald nach dem Beginn der Meiji-Zeit (1868 – 1912) gelangten Hiroshiges Drucke nach Europa und revolutionierten die europäische Malerei. „Impressionisten haben von Hiroshige profitiert. Seine Mittel und Methoden wurden aufgegriffen und haben unsere Malerei revolutioniert“, erklärt Dr. Adele Schlombs. Er lieferte den Impressionisten eine neue Bildsprache, mit der die subjektive Wahrnehmung von Licht und atmosphärischer Stimmung, aber auch von flüchtiger Bewegung ausgedrückt und interpretiert werden konnten. So kopierte 1887 beispielsweise Vincent van Gogh (1853-1890) die Holzschnitte „Pflaumenpark Kameido“ und „Plötzlicher Schauer über der Brücke Shin-Ôhashi und Atake“. „Van Gogh fand seine Farben ungeheuerlich“, erklärt die Museumsdirektorin. „Man sieht mehr mit japanischen Augen, man fühlt die Farbe anders“, so ein Zitat von van Gogh.

Informationen
Museum für Ostasiatische Kunst
Universitätsstraße 100
Köln-Neustadt-Süd

Haltestelle Universitätsstraße
Öffnungszeiten
Di-So 11-17 Uhr
Do bis 20 Uhr
Eintrittspreis
4,20 Euro, ermäßigt 2,60 Euro

Johannes Braun für report-k.de/ Kölns Internetzeitung