Eine Stromtankstelle am Meer.

Köln | Kommentar | Die Debatte und Neuausrichtung um Mobilität wird auf allen Politikfeldern wider jede Vernunft geführt und umgesetzt. Sie ist von allen Seiten ideologisch geprägt oder wird programmatisch überlagert und führt in Sackgassen bei der Umsetzung. Ein Kommentar von Andi Goral.

Erkenntnisse

Mobilität auch über größere Strecken ist kein neuer Megatrend, sondern seit mehr als 100 Jahren richtungsweisend in europäischen Gesellschaften, später weltweit. Mobilität bestimmt den Alltag der Menschen, denn sie wohnen nicht mehr neben dem Ort an dem sie arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Mobilität bestimmt Produktionsprozesse durch Just in Time Lieferungen und Produktionen. Ohne Mobilität ist die moderne Menschheit undenkbar. All das sind keine neuen Erkenntnisse, sondern bilden das Fundament dieser Gesellschaft in jeder Hinsicht.

Was muss moderne Mobilität leisten?

Sie muss verfügbar sein. Sie muss in einem angemessenen Zeitrahmen die physische Überwindung einer Strecke zwischen A und B ermöglichen. Sie soll möglichst klimaschonend erfolgen und sie soll für diejenigen, die sie benötigen und nutzen sicher sein. Sie ist aber leider Fetisch in dieser Gesellschaft. Wer gegen diese Erkenntnis rebelliert, sollte sich einmal die einschlägigen Tabellen und Artikel in den Fetischmedien für Automobile Verbrenner, Hybride, wie Elektrofahrzeuge ansehen und durchlesen und nur auf die Leistungszahlen der Motoren blicken.

Ein Beispiel: Um von Köln-Meschenich nach Köln-Flittard zu kommen muss Mensch um die 30 Kilometer überwinden. Die Fahrzeit mit dem motorisierten Individualverkehr sprich Auto wird mit 34 Minuten angegeben. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt der gleiche Mensch einen Zeitraum zwischen einer Stunde zwölf Minuten bis zu anderthalb Stunden. Zu Fuß wären es 4.15 Stunden. Und mit dem Fahrrad oder E-Bike 1.03 Stunden. Hin und zurück müssten diese Werte, die ja Idealwerte darstellen, verdoppelt werden. Natürlich gibt es Verbindungen die mit der Stadtbahn idealer laufen. Aber es gibt auch jede Menge Verbindungen, die schlecht laufen. Alleine der ÖPNV wird nicht ausreichen, den Mobilitätsanforderungen gerecht zu werden.

Das Verkehrsmittel, das den geringsten Zeitaufwand bedeutet und das die meisten Menschen nutzen würden, wenn sie eines vor der Tür stehen haben, ist in diesem Fall das Auto. Blöd nur: Es wird ein Verbrenner sein, dazu hochmotorisiert. Wäre es übrigens ein E-Auto ist davon auszugehen, dass dieses ebenso hochmotorisiert wäre und vor dem Hintergrund der Reichweitendebatte, die Strecke wahrscheinlich 7-10 mal je Batteriekapazität schaffte. Unendlich oft würde das E-Auto diese Strecke bewältigen können, gäbe es eine entsprechende Ladeinfrastruktur und auch die Fahrt mit einem E-Bike würde attraktiver. Dieses Beispiel ist noch dazu im urbanen Großstadtraum angesiedelt, wo es die meisten Mobilitätsangebote gibt.

Was es brauchen würde

Die Debatte muss entfetischisiert, entideologisiert und vernünftig geführt werden. Es braucht:
• In Ballungsräumen einen guten ÖPNV mit Ästen und Anbindungen an die nahe Peripherie.
• Eine gute Bahninfrastruktur auf innerdeutschen Fernstrecken – auch abseits der Rennstrecken.
• Es braucht einen ÖPNV, der nach Schadensereignissen nicht jahrelang Ersatzbus fährt.
• Es braucht eine sichere Radinfrastruktur in urbanen Räumen.
• Es braucht einen pragmatischen Umgang mit dem Thema Auto: wirtschaftlich und gesellschaftlich vernünftige, ressourcenschonende Fahrzeuge und eine entsprechende Ladeinfrastruktur.
• Gesellschaftlich muss sich die mobile Gesellschaft aus ihrem verkrampften Hass der einen gegen die anderen lösen. Es geht nicht um Fahrrad gegen Auto, Auto gegen Fahrrad, Fußgänger gegen Fahrrad, Bahn gegen Auto, sondern um die beste klimafreundlichste Mobilität. Es geht um Reduktion von Schadstoffen bei der Erzeugung von Mobilität und die Sicherung von Mobilität für Alle.

Kurzum einen von der Vernunft geleiteten Umbau der Mobilität, ohne dass die einen die anderen oder deren Verkehrsmittel hassen. Eine Industrie, die nicht über Fetischisierung immer mehr Geld verdienen will, sondern vernünftige und bezahlbare Mobilität anbieten will. Fraglich ist, ob sie dies tun wird. Denn das Gegenteil ist der Fall: Sie übermotorisiert ihre Straßenfahrzeuge und begründet damit, dass eine Abkehr vom Verbrenner nur schwer möglich sei. Sie propagiert Luxus statt Mobilität, um Dividenden nach oben zu treiben und vernachlässigt den Mobilitätsgedanken.

Der e-Up als Beispiel

Wer das nicht glaubt, dem sei Volkswagen als Beispiel angeraten. Es fehle ein Markt von 500.000 Verkaufseinheiten, Werke könnten geschlossen werden und dem Konzern gehe es besonders schlecht. Die deutsche Autoindustrie am Ende, Deutschland am Ende und so weiter. Derzeit hat VW zwei Elektrofahrzeuge. Dabei hatte das Unternehmen bis vor kurzem einen echten E-Verkaufsschlager.

VW hatte einmal den e-Up. Einen Kleinwagen, der elektrisch fuhr und der etwa für die Strecke Köln-Weiden nach Köln-Flittard ideal gewesen wäre. Im September 2020 verfügte das Management von VW einen Bestellstopp für den kleinen Stromer. Die Nachfrage nach dem vollelektrischen Fahrzeug war durch die sogenannte Innovationsprämie sprunghaft angestiegen. Im Februar 2022 öffnete der Konzern die Bestellbücher wieder. Für zwei Monate, dann war der Wagen wieder ausverkauft. Denn der e-Up war in seiner Preisklasse fast konkurrenzlos.

Im Oktober 2023 bestätigte VW das Aus für den e-Up und die Produktion lief im vierten Quartal aus. Als Grund nannte VW die neue Cybersecurity-Regelung UNECE 155 (ab 1. Juli 2024) für Neuwagen, deren Umsetzung laut VW für den Kleinwagen zu teuer gewesen wäre. Gleichzeitig schüttete der Konzern 4,5 Milliarden Euro an Dividende aus. Andere Fahrzeughersteller wie etwa Mercedes Benz haben weniger Probleme damit und hatte die entsprechende Cyber Security Management System (CSMS) Regulierung bereits im Jahr 2021 vorgenommen. Von den Stuttgartern hieß es damals: „Die Regularie hat keine Auswirkungen auf das Portfolio von Mercedes-Benz.“

So sagte die Regelung auch aus, dass selbst wenn bei Typzulassungen vor Juli 2024 noch kein CSMS für den Typ nachgewiesen werden konnte und man dieses etwa wegen des Fachkräftemangels nicht entwickeln konnte, reichte es aus, wenn die Cybersicherheit als „angemessen bedacht“ belegt wurde.

Zu großer Erfolg, ein neuer rechtlicher Rahmen und hohe Kosten für die Umrüstung, machten dem kleinen Stromer den Garaus? Die Kosten können es ja nicht gewesen sein, bei der Dividende, oder doch? Oder war es der Wunsch, Platz für das neue Modell zu machen, das dann nicht kam? Denn VW kündigte für 2025 den ID2 an. Der soll jetzt aber erst 2026 oder 2027 kommen.

Eigentlich klare Anforderungen

Wir brauchen eine Politik, die endlich die Rahmenbedingungen für E-Mobilität durch eine Ladeinfrastruktur schafft, die ein Laden von allen E-Fahrzeugen – E-Bike, E-Auto, E-Transporter – überall ermöglicht und dies auf allen Ebenen Kommune, Land und Bund umsetzt. Ein Management in der Automobilindustrie, das nicht nur PS-Protzerei, Luxus und Fetisch im Kopf hat, sondern den Menschen klimafreundliche und sichere Mobilität in allen Klassen ermöglichen und damit Geld verdienen will.

Am 9. Mai 1876 startete in Köln der Ottomotor. Das ist jetzt mehr als 148 Jahre her. Auch damals gab es Widerstände. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen erst dann mit der Auslieferung zu beginnen, wenn der erste SUV durchentwickelt wurde. Der Umgang mit der Mobilität und der Digitalisierung, die hier eingeflochten eine weitere Dimension bedeutet, ist aktuell wider jeder Vernunft. Es muss gesellschaftliches Ziel sein, Mobilität für alle Menschen zu erhalten und zu ermöglichen und dass diese möglichst nachhaltig und ressourcenschonend erfolgt. Daran muss Politik, Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten. Es braucht den Hochlauf der E-Mobilität, des ÖPNV und in urbanen Räumen der Fahrradmobilität.