Ähnlichkeiten zwischen Psychologen und Ermittlern
“Als ob er Wien erfunden hätte. Es war alles sehr detailliert beschrieben“, meinte Schauspieler August Zirner, der den Schmöker gestern Abend las und zuvor schon in Wien gelesen hatte. Zirner sorgte mit sonorer Stimme, sparsamen Gesten und Gesichtsausdrücken dafür, dass sich das Publikum gut in die Geschichte einfühlen konnte. Zwischen dem Beruf des Psychologen und dem eines Kommissars stellt der Londoner – er gilt in seiner Heimat als Experte für Obsessionen und Zwangshandlungen – viele Ähnlichkeiten fest: In der Psychologie gehe ich Symptomen und versteckten Motiven nach. Ermittler erklären aus Indizien Geheimnisse auf“, sagte Tallis.

Wien als multikulturelles Experiment
Auf Wien kam der Sohn italienischer Einwanderer während seines Studiums, als er sich mit Siegmund Freud beschäftigte. „Das hat mein Interesse geweckt. Dann führte eins zum anderen.“  Die Namen seiner Charaktere sucht er sich auf eher unkonventionelle Weise aus: „Ich schaue in Biografien berühmter Menschen in das Personenregister oder suche im Internet nach typischen Nachnamen aus dieser Zeit“, verriet der Autor. So heißt etwa der Direktor der Kadettenschule Eichmann, ein anderer Charakter  zum Beispiel von Bülow. Seine Themen wie das grausame Unterdrückungssystem an der Schule, starke Frauen in einer frauenfeindlichen Gesellschaft und fehlgeleitete Leidenschaften sind eingebettet in einen komplexen Handlungsstrang. Und noch eine Ähnlichkeit macht Frank Tallis aus: Genau wie Wien ist London ein großes Experiment, was das Leben vieler Kulturen angeht. In Wien endete es jedoch mit dem Holocaust. Mit meinen Büchern will ich vor solch einem Ende warnen.

Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung