Martin Walser behauptet er schreibe schon immer Tagebuch. Dabei hat Walser eine ganz klare Vorstellung zur Erstellung seiner Tagebücher und ihrer Veröffentlichung. Er schreibt seine Sätze, Geschichten. Sie werden nicht überarbeitet wenn er sie veröffentlicht. Lediglich Kürzen gestattet er sich. Und was Kürzen bedeutet erklärt Walser so, etwa wenn er bei Veranstaltungen, Diskussionen mitnotierte oder die Aussagen von amerikanischen Senatoren zur Zeit der Watergate Affäre im TV mitdokumentierte, so kürzt er diese. Walser will so die Unschuld seiner Tagbücher bewahren. Walser unterscheidet innerhalb seiner Tagebücher, bis ins Jahr 1951 habe er Eintragungsnaturalismus betrieben, dann wurde die literarische Formulierung, ausgelöst durch einen Reiz immer wichtiger. Geschrieben wird in kleine Büchlein gebunden in Leinen und in Blindbände, die der Verlag Walser zur Verfügung stellt. Daher stammt auch die Systematik der Tagebücher, Büchlein für unterwegs, Blindbände* für zu Hause. Aktuell ist Walser bei 46/46f. Der erste Band der Tagebücher umfasst die Jahre 1952-62 und der zweite die Jahre 63-1973.

Sätze wie „Erzählen, singen mit geschlossenem Mund“, „Ich bin öfter gestürzt, als aufgestanden“ oder „Ich habe heute wieder den falschen Mantel gekauft, aber der Richtige wäre auch der Falsche gewesen.“ können nur in einem Tagebuch Platz finden, ist sich Walser sicher. Im Laufe der Jahre habe auch die Reaktion auf Zeitgenossen verstärkt Eingang in die Tagebücher gefunden, so Walser. Also wenn ihn Max Frisch besucht hatte, dann kam er eben auch nicht unter vier Seiten weg, erzählt Walser. Dabei schreibt Walser nicht ritualiesiert: „Ich stehe nach acht Stunden auf und dann ist es unsicher was ich mache, denn ich reagiere schreibend auf Reize. Ich muss empfindlich sein. Ich habe keinen Schreibfahrplan irgendwelcher Art“, so Walser.

Martin Walser greift Reich-Ranicki und Merkel an
Einen breiten Raum seiner Vorlesung gab Walser der Auseinandersetzung zwischen ihm und Marcel Reich-Ranicki (MRR), die er auch in einem Interview mit dem „Spiegel“deutlich macht. Der Schriftsteller Martin Walser hat persönliche Vorwürfe gegen Kritiker Marcel Reich-Ranicki erhoben, der 1976 Walsers Buch "Jenseits der Liebe" als "belanglosen Roman" verrissen hatte. Walser fühlte sich, so sagt er heute, aus dem Reich der Dichter ausgewiesen: "Solch eine Machtausübung, die einem so weh getan hat, erlischt nicht", sagte Walser in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Weiterhin kritisierte der 82-jährige Autor die Außenpolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er ertrage nicht, "wie Deutschland in diesen Afghanistan-Krieg mit hineinstolpert. Es provoziert mich, dass dieses Land so dumm regiert wird. Es tut mir leid, aber Frau Merkel, die ich achten kann und sympathisch finde, kommt mir außenpolitisch unreif vor", so Walser.

* Blindbände: Die Ausstattung des Buches, wie Einband und Haptik der Buchblockes wird in Verlagen mit so genannten Blindbänden vorher getestet. Diese Bücher sind mit leeren Seiten gestaltet.

[ag; dts]