Politik auf der Straße. Schildergasse Köln, Samstag 14 Uhr, Sonnenschein. Die Menschen gehen shoppen oder schlendern, viele sitzen an diesem Frühlingstag auch schon in den Kaffees. Direkt zur Einkaufsmeile Kölns hat die FDP ihren schon im letzten Jahr erprobten Infotainer platziert und glänzt mit viel politischer Prominenz. Sogar eine kleine Bühne hat man aufgebaut auf der steht „Aufsteigerland NRW“. Und wer zu den Menschen spricht muss auch nach oben steigen. Man brüllt das Wahlvolk aber nicht an, oder agitiert laut, sondern die Lautstärke der Reden ist eher leise, zurückhaltend. Die Unterstützer, meist ältere Semester, jubeln bei jeder kleinen Attacke gegen den politischen Gegner oder Aufzählung der Taten der letzten Jahre auf der Regierungsbank in Düsseldorf ihren Helden zu. Die meisten Passanten gehen einfach nur vorbei, ärgern sich über das Gedränge und nicht selten ist leise zu hören „Laber, Laber, Laber…“. Stehen bleibt keiner und hört zu. Vor allem die Jungen nicht. Lautstark protestieren ist aber auch nicht Sache des Volkes. Nur der Klagemauermann hat seinen Standort gewechselt, steht mit einer Papptafel am Rande auf der er die Wohnungspolitik der FDP kritisiert.

Ein gutgelaunter Andreas Pinkwart
Ulrich Breite von der Kölner FDP kündigt Andreas Pinkwart nicht nur als Parteivorsitzenden, sondern auch als erfolgreichen Minister und stellvertretenden Ministerpräsidenten an. Der erzählt launig, dass er seit acht Uhr morgens von Infostand zu Infostand fahre und um eine Mehrheit für Schwarz-Gelb kämpfen werde. Die FDP und ihr Koalitionspartner CDU stehe für Schulvielfalt statt Einheitsschule erklärt Pinkwart und plädiert für die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems. Als Erfolg reklamiert er, dass NRW nicht mehr auf dem letzten Platz in der Statistik bei der Bildung stehe. Seine Partei stehe für eine moderne Industrie, ein dichtes Verkehrsnetz und eine funktionierende Infrastruktur, wie etwa am Flughafen Köln-Bonn wo tausende Arbeitsplätze entstanden seien, so Pinkwart. Und dann greift er auch das Streitthema der letzten Wochen auf, die Hartz IV Debatte. Es müsse eine soziale, aber auch eine Leistungsgerechtigkeit geben, einen Unterschied machen ob man morgens aufstehe, arbeite und die Familie versorge oder einfach liegen bleibt. Ehrliche Arbeit und Leistung müssen sich lohnen, davon würden auch die Ärmeren profitieren.

Derzeit stünden Rot-Rot-Grün bei 50 Prozent und könnten so eine Regierung in NRW bilden. Das gelte es zu verhindern rief Pinkwart seinen Getreuen zu. Die NRW-Grünen würden ganz bewusst die Koalitionsfrage offen halten und seien das trojanische Pferd für eine Linke und rote Politik in NRW. „Wer die Mitte will muss das wissen. NRW und Deutschland müssen aus der Mitte regiert werden“, so Pinkwart.

Wahl mit bundesdeutschem Einfluss
Denn bei der NRW-Wahl geht es mehr als nur um die Neubesetzung des Landtages in NRW. Die Wähler in NRW entscheiden mit wer in Berlin das Sagen behält. Nur in NRW wird 2010 gewählt und damit ist das Ergebnis entscheidend für die Mehrheiten auch im Bundesrat. Bleibt Schwarz-Gelb an der Macht so kann auch die Schwarz-Gelbe Bundesregierung komfortabel weiterregieren, denn CDU/CSU und FDP haben dann in beiden Häusern eine Mehrheit und damit optimale Bedingungen für die Gestaltung von Gesetzen, kommt ja auch noch der Bundespräsident aus dem Lager der CDU.

Große Koalition denkbar?
Über eine Option wird derzeit wenig in NRW gesprochen. Es ist die große Koalition aus CDU und SPD. Für Schwarz-Gelb dürfte es sehr, sehr eng werden. Die Umfragewerte der FDP sind tief gesunken und auch Rüttgers ist durch die „Rent a Ministerpräsident“-Affäre angeschlagen. So rosig wie CDU und FDP ihre Bildungspolitik malen ist sie in der Realität nicht. Klassenstärken etwa an Kölner Gymnasien mit weit über 30 Schülern und damit sogar laut Schulgesetz verboten, kommen nicht selten vor, Unterrichtsausfall en Masse, kaum mehr Anmeldungen an den Hauptschulen, Gedränge an den Gesamtschulen und viel zu wenig Plätze dort. Dazu kommt der desolate Eindruck, den die Koalition in Berlin hinterlässt und die Frage die viele Bürger bewegt: „Was machen die in Berlin nach der NRW-Wahl“. Die Bürger glauben an Steuererhöhungen, Rüttgers ist gestern beim Wahlkampfauftakt der CDU in Oberhausen auch schon zurückgerudert und stellte Steuererleichterungen in Frage oder an weitere Belastungen wie die PKW-Maut. Keine guten Vorraussetzungen für Schwarz-Gelb.

Die Option CDU und Grüne ist eine spannende. Aber ist sie auch eine realistische? Gerade mit Blick auf die energiepolitische Diskussion, die in einem Industrieland wie NRW sicher ganz anders zu führen ist, als in einem Stadtstaat wie Hamburg. CDU und FDP haben in den letzten Jahren mit der Förderung an das Kernforschungszentrum in Jülich die Weichen wieder mehr in Richtung Weiterentwicklung der Kernenergie gelegt. Die Förderung des Baues neuer Kohlekraftwerke, bzw. deren Weiterbau dürften für beide Parteien hohe Hürden darstellen, auch im Hinblick auf den Bund. Und Rot-Grün? Mit Hannelore Kraft baut die SPD gerade eine Persönlichkeit auf und dazu auch noch eine Frau. Wer aber bildet das Kabinett? Wer zeichnet verantwortlich für Finanzen, Wirtschaft, Kultur? Rot-Grün kann sicher bei den jungen Wählern punkten, wenn es etwa um die Studiengebühren geht, die man zumindest für das Erststudium abschaffen will. Und sicher verbindet die SPD bei vielen Themen, viel mehr mit den Grünen, als etwa Schwarz-Grün. Der Infostand der SPD auf der Schildergasse am gestrigen Shoppingsamstag fand allerdings eher mauen Anklang, aber man hatte ja auch keine Politprominenz am Stand, um die sich das Parteivolk drängelt.

Und was ist mit der als rechtsextrem eingestuften Partei „Pro NRW“? Dort jubelt man über Prognosen, dass man zwei Prozent bei der Landtagswahl erreichen kann. Die Präsenz im Wahlkampf allerdings ist noch gering, obwohl man auf dem Parteitag in Leverkusen einen Flächenwahlkampf mit Plakaten, auch Großflächen, angekündigt hatte. Finanziert vom schwedischen Millionär Brinkmann. In Köln hängen ganz vereinzelt Plakate, vor allem in sozialen Brennpunkten und die so hoch, dass man schon danach gezielt suchen muss. Flächendeckender Wahlkampf sieht anders aus.

Spannend ist, ob es einem der Lager noch gelingen kann in den verbleibenden vier heißen Wahlkampfwochen, einen echten Vorsprung für sich herauszuarbeiten, oder ob am Ende eine Stimme Mehrheit für eine rot-rot-grüne oder schwarz-gelb Mehrheit im Landtag herauskommt. Denn so knapp dürfte es, glaubt man den aktuellen Umfragen, werden. Oder eben große Koalition mit einem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Am 9. Mai ist der Tag der Entscheidung in NRW.

[ag]