„Ich trete und trete in die Pedale und habe das Gefühl, dass ich trotzdem nur wenige Zentimeter vorankomme. Gleich muss ich schon in der Redaktion von report-k.de in Ehrenfeld sein und weiß aber nicht, wie lange ich mit dem Fahrrad von mir bis zur Redaktion brauche.  Normalerweise würde ich jetzt in der vollbesetzten 13 sitzen und lesen, die Termine des Tages in Gedanken durchgehen, Leute völlig unmotiviert anstarren oder einfach innerlich weiterschlafen. Doch der KVB-Streik hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Also trete ich Sportmuffel weiter und weiter und versuche mir einzureden, dass ich mir ja eh immer schon vorgenommen hatte, mehr Sport zu treiben, zumal der Burger gestern Mittag ja wirklich nicht sein musste. Außerdem tut ja frische Luft am Morgen ganz gut, ich werde ja heute sowieso noch lange genug vor dem Rechner verbringen.


Manche hatten wohl noch nichts vom Streik gehört. Vergeblich warteten sie auf die Bahn.

Gähnende Leere an den Haltestellen
Doch ich bin nicht allein. Wie ich radelt auch Christa Hammerich an diesem Morgen: „Ich bin zum Glück nicht auf die Bahn angewiesen, weil ich nicht mehr berufstätig bin. Ich bin aufs Rad umgestiegen, weil ich Angst hatte, für mein Auto keinen Parkplatz zu finden.“ Geteiltes Leid ist halbes Leid, oder wie war das? Unterwegs fahre ich an verwaisten Bus- oder Bahnhaltestellen vorbei. Wo sonst Menschen darauf warten, zu ihrer Arbeitsstelle transportiert zu werden und dabei manchmal wegen der verspäteten Bahn fluchen, drängen sich nur Wagenkolonnen an den Haltestellen vorbei. Nur einige wenige scheinen nichts vom Streik gehört zu haben und  wundern sich, warum nichts kommt.


Kioskbesitzer Ulve Simsek hatte heute weniger Kunden.

Verständnis für Streikende
Ulve Simsek klagt in seinem Kiosk an der Haltestelle Aachener Str./ Gürtel darüber, dass die Kunden heute ausbleiben: „Ich habe heute morgen um sechs Uhr aufgemacht. Bis acht Uhr habe ich nur zwei Tassen Kaffee verkauft. Sonst sind es in der Zeit 50.“ Er glaubt, dass viele erst gar nicht zur Arbeit gefahren sind. „Die sind einfach zuhause geblieben“, meint Simsek. Gleichzeitig hat er aber auch Verständnis für die Streikenden: Zu mir kommen viele KVB-Mitarbeiter, weil die Zentrale in der Nähe ist. Von ihnen habe ich gehört, dass sie nur mit 1.200 Euro im Monat auskommen müssen. Bei den steigenden Miet- und Lebenshaltungskosten kann das doch niemals langen.“

Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen
Auffällig viele Taxis sind heute auf den Straßen. Manche Leute greifen jedoch zu ungewöhnlichen Mitteln. Manu Handura zum Beispiel bewegt sich aus einer Mischung aus unsicherem Gehen und Gleiten weiter. Sie trägt Inliner Skates und verlangsamt ihre Schritte, als sie über einen Abschnitt des Bürgersteigs muss, der mit Kopfsteinpflaster bedeckt ist. „Ich muss zur Schule am Rudolfplatz. Eigentlich fahre ich mit der Bahn oder mit dem Auto dorthin“, erzählt mir die 18-jährige. „Aber heute ist meine Schwester damit zur Arbeit gefahren und mein Fahrrad kann ich nicht benutzen, weil es kaputt ist“, Sie schätzt, dass sie von der Venloer Straße bis zu ihrer Schule eine Halbe Stunde braucht. Auf einmal ruft mich mein Chef an, weil er mir noch Termine für gleich durchgeben will. „In paar Minuten bin ich da, dann kann ich ja die Unterlagen dazu abholen“, sage ich. Drei Minuten später bin ich wirklich schon in der Redaktion und erschrecke mich ein bisschen dabei, weil ich denke, dass das Radfahren ja heute gar nicht soo schlimm war.


 Manu Handura griff gezwungenermaßen zu ihren Inline-Skates.

Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung