Köln | Kölns Partnerstadt Turin steht vor einem Machtwechsel. Die italienischen Kommunalwahlen am kommenden Wochenende sind auch ein Stimmungstest für die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse in Italien.

Deutschland hat gewählt, Italien steht vor der Wahl. Am nächsten Wochenende (3./4. Oktober 2021) sind mehr als 12 Millionen Italienerinnen und Italiener aufgerufen, in 1349 Städten und Gemeinden die Stadtparlamente und Bürgermeister neu zu wählen, darunter auch in den vier größten Städten Rom, Mailand, Neapel und Turin. In dem Land, in dem es seit den Parlamentswahlen 2018 mehrere Regierungswechsel ohne Neuwahlen gegeben hat, sind die Kommunalwahlen auch ein Stimmungsbarometer. Spätestens im Mai 2023 muss in Italien auch die Regierung in Rom neu gewählt werden.

Wie die aktuellen politischen Machtverhältnisse in Italien aussehen, ist eher unklar. Die Parlamentswahlen von 2018 machten die Protestpartei Cinque Stelle und die Rechts-Partei Lega von Matteo Salvini zu Wahlsiegern. Auch in den Regionen und Städten fegten die beiden Parteien die politische Verhältnisse hinweg. Doch ihr poltisch widernatürliches und praktisch chaotisches Regierungsbündnis lässt sie heute als die Verlierer dastehen, zumal der amtierende Regierungschef Mario Draghi die Regierungszügel überraschend fest und sehr erfolgreich in den Händen hält. Die Protestbewegung Cinque Stelle versucht unter dem ehemaligen Regierungschef Giuseppe Conte eine Transformation in eine „ordentliche“ Partei; die Zukunft wird zeigen, ob es den Grillini gelingt, so ihren politischen Niedergang zu stoppen. Auf der Rechten versucht der Populist Matteo Salvini als Regierungsmitglied und gleichzeitiger Regierungsgegner eine politische Nummer, die ihm das Überleben rechts außen sichern soll, wo ihn aber die neue Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni rechts überholt und immer mehr Wähler abnimmt.

Vor diesem Hintergrund veränderter politischer Kräfteverhältnisse finden nun auch die Kommunalwahlen am nächsten Wochenende statt. Insbesondere die Grillini müssen fürchten, dass sie zahlreiche Bürgermeisterämter verlieren werden. In Rom wird wohl nur die Schwäche der Opposition der Cinque Stelle-Bürgermeisterin Virginia Raggi ein zweites Mandat bescheren können. In Mailand zeigen die Meinungsumfragen den Amtsinhaber Giuseppe „Beppe“ Sala vorne, der, bevor er 2016 erstmals sindaco wurde, Chef der Weltausstellung 2015 war. Seit März 2021 Mitglied der Grünen-Partei Europa Verde.

Kölns Partnerstadt Turin steht, wenn man den Meinungsumfragen Glauben schenken kann, vor einem Machtwechsel. Turin gehört zu den italienischen Städten, in denen die Protestpartei Cinque Stelle die Verhältnisse zum Tanzen brachte.

Doch Chiara Appendino, ein Mitglied der Fünf-Sterne-Bewegung und seit 2016 Bürgermeisterin von Turin, hat nach allgemeiner Einschätzung wohl keine überragende Performance abgeliefert. Deshalb schicken die Grillini, unterstützt von den Grünen (Europa Verde), diesmal Valentina Sganga ins Rennen, die durch eine Internet-Abstimmung auf der Plattform SkyVote als Kandidatin bestimmt wurde. Die 35-Jährige war bereits Mitglied des Stadtparlaments (consigliera comunale) und Fraktionschefin der Cinque Stelle.

Ob es der allgemeine Bedeutungsverlust der Cinque Stelle oder die Kandidatin selbst ist, die Turiner wollen an Valentina Sganga keinen Gefallen finden. Die Wahlumfragen jedenfalls sehen sie als chancenlos. Das Rennen um den Posten des sindaco von Turin, so scheint es, werden zwei Männer unter sich ausmachen.

Mitte-Links-Kandidat ist Stefano Lo Russo, im Hauptberuf Dozent für Geologie am Politecnico di Torino. Der 45-Jährige war bereits in der letzten Stadtregierung vertreten und Fraktionschef des Partito Democratico (PD).

Formal als unabhängiger Kandidat mit seiner Liste „Torino bellissima“ und dem Slogan „C’è de fare“ (Es gibt zu viel tun) geht der Unternehmer Paolo Damilano, 55, hinter dem die Rechtsparteien Lega, Fratelli d’Italia, Forza Italia stehen, ins politische Rennen. Mit seinen zwei Brüdern betreibt Damilano das für seine hervorragenden Barolo-Weine bekannte Weingut Cantine Damilano im Piemont. Der sportbegeisterte Politiker, der auch schon einmal als Rally-Fahrer in Erscheinung trat, war auch von 2013 bis 2018 Präsident des in Turins Wahrzeichen, der Mole Antonelliana, beheimateten Museo del cinema di Torino.

In den Meinungsumfragen liegen Paolo Damilano und Stefano Lo Russo derzeit bei etwas über 40 Prozent. Damit würde es am 17./18. Oktober zu einer Stichwahl kommen, bei der die Stimmen der Protestpartei Cinque Stelle den Ausschlag geben würden.

Autor: Von Christoph Mohr
Foto: Das Symbolbild zeigt Turin