Köln (ots/report-k), 8.12.2007, 16:10 Uhr //
Der Kölner Journalist Frank Überall stellte gestern im Domforum sein neuestes Buch, das gleichzeitig seine Doktorarbeit ist, "Der Klüngel – in der politischen Kultur Kölns", vor. Das Buch ist eine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema "Klüngel" in Köln, das sich aber nicht nur mit der Politik und Verwaltung beschäftigt, sondern alle gesellschaftlichen Kräfte miteinbezieht. Überalls Analysen zur aktuellen politischen Situation und den Machtverhältnissen in Köln sind brilliant. Dabei besticht die Analyse der Verhältnisse nicht durch Mutmassung, sondern durch sachliche Auseinandersetzung und Beobachtungsgabe und viele geführte Interviews mit den handelnden Akteuren. Herauszuheben bleibt dabei der sachlich, nüchterne und auf Objektivität ausgerichtete reflektierende Schreibstil des Autors, der den politischen und gesellschaftlichen Kräften schonungslos den Spiegel vorhält.

"Politik braucht mehr positiven Klüngel", fordert der Kölner Politologe Frank Überall: "Dabei darf natürlich die Gefahr des Abgleitens die Korruption nicht verdrängt werden." Überall hat bei Professor Hans-Georg Wehling an der Universität Tübingen über den "Klüngel" promoviert. Er hat die Handlungsweisen des Klüngels erstmals wissenschaftlich untersucht und erklärt, dass Klüngel förderlich für die Demokratie sein kann: "Der Begriff des Klüngels kommt historisch vom Wort Knäuel – Neudeutsch würden wir das als Netzwerken bezeichnen." Unter anderem durch die jüngsten Skandale in der Entsorgungsbranche im Rheinland sei der "Klüngel" aber in die Negativ-Schlagzeilen geraten: "Was wir brauchen, ist mehr Transparenz in der Politik, damit sinnvolle kooperative Verhaltensweisen von denen der schädlichen Korruption unterschieden werden können."

Die aktuellen Fälle der "Lustreisen" von Politikern auf Einladung kommunaler Unternehmen hätten auch gezeigt, dass Handlungsbedarf bei der Korruptionsbekämpfung besteht. "Der Gesetzgeber wird bald über eine Verschärfung der Vorschriften für alle Volksvertreter in Deutschland beraten", sagt Überall voraus. Lücken im Strafrecht seien zu schließen, damit korruptive und damit demokratieschädliche Verhaltensweisen besser sanktioniert werden können: "Die Bundesregierung steht dabei unter internationalem Druck!"

Dass Klüngel in der Politik produktiv sein kann, belegt Überall in seiner Arbeit auch mit der Rolle des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Der habe in seiner Bonner Regierungszeit und als Oberbürgermeister von Köln über Parteigrenzen hinweg Kontakte gepflegt und Entscheidungen auf den Weg gebracht: "Wenn Klüngel richtig gemacht wird, fördert er die Kommunikation und trägt zur sinnvollen Suche nach politischen Kompromissen bei. Auf allen politischen Ebenen ist mehr solche Zusammenarbeit zum Wohle der Bürger wünschenswert."

In mehreren Fallstudien, wie etwa dem Kölner Müll- und Spendenskandal, den Schmiergeld-Zahlungen beim Bau der Müllverbrennungsanlage, der Kölnarena oder dem Streit um den Straßenstrich, beleuchtet Überall das Zustandekommen von politischen und Entscheidungen der Verwaltung, aber auch deren Auswirkungen. Letztlich ist die Frage nach der Grenzziehung zwischen positivem Klüngeln und Korruption, eine Frage der sich nicht nur politische oder gesellschaftliche Top-Eliten stellen  müssen, sondern auch die, die in der zweiten Reihe stehen. Wieweit sind sie involviert und wie frei agieren sie wirklich. So ist es letztlich auch eine Frage der inneren Haltung, wo man als Handelnder die Grenze zieht und diese auch nach außen, auch vor dem Gesetz, vertreten kann.

Der 36-jährige berichtet als Journalist regional wie bundesweit über Politik. Im Bouvier Verlag erscheint jetzt sein Buch "Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns" (19,90 Euro, ISBN 978-3-416-03125-7).

// ag // ots // Foto: Johanna Tybussek