In einem Kölner Medium forderte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers dazu auf, die Demonstrationen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung "Pro Köln" nicht zu beachten. "Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen", wird Albers zitiert, und weiter: „Auch wenn das schwerfällt. Dann könnten wir davon ausgehen, dass wir zumindest im Stadtteil Kalk erst einmal Ruhe haben“. Ist dies der richtige Umgang mit Demonstrationen gleich ob aus der links- oder rechtsradikalen Ecke oder wie im Fall der Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird?
Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag: Das ist totaler Quatsch. Wegschauen ist immer das falsche Signal. Wir Demokratinnen und Demokraten sind klar in der Mehrheit und das frustriert diese rechtsextremen Hetzer. Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus darf niemals unwidersprochen bleiben. Deshalb sollten wir nicht die Rollläden runterlassen, sondern die Augen aufmachen, friedlich Widerstand leisten und widersprechen. Überall dort, wo es nötig ist. Außerdem macht man als Polizei oder Zivilgesellschaft mit Rechtsextremen keine Deals.

Sollte ein Polizeipräsident eine öffentliche Diskussion in dieser Form anregen, auch vor dem Hintergrund, dass diese Haltung von einer großen Kölner Zeitung aufgegriffen und für richtig befunden wurde?
Ich habe die Kölner Polizei bisher sehr besonnen erlebt und bin schockiert über die Einlassungen des Polizeipräsidenten. Der Polizeipräsident hat natürlich keinen Bock darauf, Samstage mit der Polizei auf Demonstrationen von Pro Köln oder der NPD zu verbringen. Ich kann mir auch Schöneres vorstellen. Widerstand ist aber Bürgerpflicht. Und würde der Polizeipräsident nicht nur an seinen nächsten freien Samstag denken, sondern an die weitere Zukunft, müsste er über die tausenden Menschen dankbar sein, die mit friedlichen Mitteln unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen.

"Pro Köln" nutzt intensiv die modernen Medien und schafft damit eine eigene Öffentlichkeit. Folgt man vor diesem Hintergrund der Logik des Polizeipräsidenten, dann gebe es auch keine unabhängige und einordnende Berichterstattung über die Inhalte und Ziele der Demonstrationen von "Pro Köln". Kann man einschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wahrnehmung von "Pro Köln" hätte?
Das ist mir zu hypothetisch. So lange Rassisten, Antisemiten oder andere Nazis ihre Demonstrationen anmelden, so lange gehen wir auf die Straßen und werden uns dem entgegenstellen. Auch im Netz ist der Widerspruch und die Analyse zur Einordnung der rechten Strategien nötig.

Welche Einflüsse auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen und Ereignisse der Weimarer Republik könnte das Ignorieren von radikalen Positionen für den demokratischen Prozess haben?
Wir sind von Zuständen der Weimarer Republik weit entfernt. Wir können aber aus dem Nationalsozialismus einen Lehre ziehen: Wer nicht widerspricht, macht mit. So einfach ist es. Damals haben nachweislich zu wenige widersprochen. Heute können wir das nicht wieder gut machen. Sehr wohl aber Zeichen setzen, dass wir was daraus etwas gelernt haben. Wir sehen uns zahlreich in Kalk am kommenden Samstag!

Die Interviews finden Sie hier:
Hans-Peter Killguss (ibs) – "Demokratie muss täglich argumentativ verteidigt werden"

Volker Beck (Grüne) – "Wegschauen ist immer das falsche Signal"

Susana dos Santos (SPD) – "Die Straße darf nicht den Extremisten überalssen werden"

Winrich Granitzka (CDU) – "Man schadet am meisten, dass man sie nicht beachtet"

Jörg Frank (Grüne) – "Ein öffentliches Ignorieren kann zu falschen Schlüssen führen"

Ulrich Breite (FDP) – "Passiver Widerstand kann eine Form des Protestes sein"

Jörg Detjen (Die Linke) – "Wegschauen ist kein passiver Widerstand"

AKKU – "Weil man Rassismus ignoriert, hört er nicht auf"

Kommentar der Redaktion: Polizei kann keine inhaltliche Auseinandersetzung führen

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[cs,
Foto: Stefan Kaminski]