In einem Kölner Medium forderte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers dazu auf, die Demonstrationen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung "Pro Köln" nicht zu beachten. "Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen", wurde Albers zitiert, und weiter: "Auch wenn das schwerfällt. Dann könnten wir davon ausgehen, dass wir zumindest im Stadtteil Kalk erst einmal Ruhe haben". Ist dies der richtige Umgang mit Demonstrationen gleich ob aus der links- oder rechtsradikalen Ecke oder wie im Fall der Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird?
Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen: Der Vorschlag von Polizeipräsident Albers wird aller Erfahrung nach keineswegs dazu führen, dass die Rechtsextremen von weiteren Demonstrationen in Kalk absehen. Im Gegenteil. Vielmehr würden die Rechtsextremen dies als resignativen Rückzug bewerten und als Erfolg werten. Sie fühlen sich dann eher ermuntert. Die demokratische Stadtgesellschaft kann nur durch öffentliche Präsens und vielfältige Formen der Aufklärung den Einfluss demokratiefeindlicher zurückdrängen.

Sollte ein Polizeipräsident eine öffentliche Diskussion in dieser Form anregen, auch vor dem Hintergrund, dass diese Haltung von einer großen Kölner Zeitung aufgegriffen und für richtig befunden wurde?
Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn ein Polizeipräsident sich zu wichtigen gesellschaftlichen Problemen, wie z.B. der Gefahren des Rechtsextremismus, in einen öffentlichen Dialog einbringt. Es wäre aber sicher hilfreicher, wenn er seine Überlegungen zuerst mit Repräsentanten der demokratischen Stadtgesellschaft, die sich zum großen Teil seit langem in Bündnissen gegen Rechts aktiv engagieren, berät. Eine Diskussion darüber, welche Aktionen und Schritte zielführend sind, um dem Auftreten neofaschistischer und rechtsextremer Kräfte besser Einhalt zu gebieten, führen wir gerne mit dem Polizeipräsidenten.

"Pro Köln" nutzt intensiv die modernen Medien und schafft damit eine eigene Öffentlichkeit. Folgt man vor diesem Hintergrund der Logik des Polizeipräsidenten, dann gebe es auch keine unabhängige und einordnende Berichterstattung über die Inhalte und Ziele der Demonstrationen von "Pro Köln". Kann man einschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wahrnehmung von "Pro Köln" hätte?
Wir vermuten nicht, dass Polizeipräsident Albers mit seinem Vorschlag so weit gehen wollte. Seine Idee ist einfach nicht zu Ende gedacht. Eine demokratische Presse, die rechtsextreme und die demokratische Gesellschaft angreifende Umtriebe fundiert aufdeckt, dürfte von keinem Demokraten bestritten werden.

Welche Einflüsse auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen und Ereignisse der Weimarer Republik könnte das Ignorieren von radikalen Positionen für den demokratischen Prozess haben?
Ein unmittelbarer Vergleich mit der Situation in der Weimarer Republik ist schwierig. Allein schon deshalb, weil die demokratische Republik weit über den Nationalsozialismus hinaus in der damaligen Gesellschaft „systemkritisch“ beurteilt wurde und mangelnden Rückhalt hatte. Allerdings ist unzweifelhaft, dass ein öffentliches Ignorieren der rechtsextremen Gefahren zu falschen Schlüssen führen kann, nämlich vermeintliches Verharmlosen und mangelnde Sensibilität. Angemessene Aufklärung über Rechtsextremismus, die so vermittelt wird, dass sie auch Gehör findet, ist notwendiger denn je. Erst recht, seitdem offenbar wird, welche Versäumnisse und Fehleinschätzungen von staatlichen Sicherheitsbehörden ausgegangen sind.

Die Interviews finden Sie hier:
Hans-Peter Killguss (ibs) – "Demokratie muss täglich argumentativ verteidigt werden"

Volker Beck (Grüne) – "Wegschauen ist immer das falsche Signal"

Susana dos Santos (SPD) – "Die Straße darf nicht den Extremisten überalssen werden"

Winrich Granitzka (CDU) – "Man schadet am meisten, dass man sie nicht beachtet"

Jörg Frank (Grüne) – "Ein öffentliches Ignorieren kann zu falschen Schlüssen führen"

Ulrich Breite (FDP) – "Passiver Widerstand kann eine Form des Protestes sein"

Jörg Detjen (Die Linke) – "Wegschauen ist kein passiver Widerstand"

AKKU – "Weil man Rassismus ignoriert, hört er nicht auf"

Kommentar der Redaktion: Polizei kann keine inhaltliche Auseinandersetzung führen

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