Report-k.de: Wann wussten Sie, dass Sie Schriftstellerin werden wollen?
Vikotria Schüßler: Schon als Kind wollte ich Bücher schreiben. Während meine Freunde Feuerwehrmann oder Tierarzt wählten, habe ich gesagt, dass ich einmal Schriftstellerin werde. Bereits damals bin ich wie ein Detektiv durch die Straßen geirrt, habe Leute beobachtet und mit den Eindrücken mein Notizbuch gefüllt.

Wann haben Sie Ihre ersten Texte geschrieben?
In meiner Jugendzeit habe ich viele Gedichte geschrieben. Mit 12 Jahren ist dann das erste Kapitel zu meinem Buch „Wasser – Der Anfang und sein Ende“ entstanden, das auch jetzt in meinem Roman zu finden ist. Nach dem Kapitel hatte ich jedoch das Gefühl, dass irgendetwas fehlt, ich es aber noch nicht in Worte fassen konnte. Daraufhin habe ich zwei Jahre später den Text wieder in Angriff genommen und ein weiteres Kapitel geschrieben. Danach war ich richtig sauer, weil der Text immer noch nicht stimmig war. Erst mit 22 Jahren habe ich entdeckt, wie ich die Geschichte schreiben muss, damit das Puzzel ein Bild ergibt. Ab da ging alles sehr schnell. Ich habe jeden Tag wie eine Besessene 12 bis 14 Stunden geschrieben. Ein Jahr später war das Manuskript fertig und ich habe es den Verlagen geschickt.

Im April kam ihr Roman „Wasser – Der Anfang und sein Ende“ nun auf den Büchermarkt. Wie würden Sie ihr erstes Werk mit wenigen Schlagworten beschreiben?
Ein neues Buch für eine neue Zeit. Ich hätte es auch dreimal so dick schreiben können, aber das wäre nicht passend gewesen. Das Buch ist ergreifend, voller Kampf und Schmerz, aber dennoch nicht negativ. Es packt Tabuthemen an und versucht, meiner Generation ein Gesicht zu geben. Es ist vollkommen vielfältig und lässt jedem Leser Raum für Interpretation. Immer wieder tauchen neue Rätsel auf, sodass der Leser spielerisch eingebunden wird. Vielleicht mögen es darum viele, die sonst nicht gerne lesen.

Was für ein Gefühl war es, nach langer Arbeit sein erstes eigenes Buch in den Händen zu halten?
Das hat richtig gekribbelt, als der erste Karton mit meinen eigenen Büchern bei mir ankam. Doch noch schöner war das Gefühl, den Text Zuhause auf dem Drucker auszudrucken. Als das Buch schließlich fertig war, konnte ich das kaum genießen. Ich war zu angespannt und hatte Angst, dass ich noch Fehler darin finden könnte. Doch je öfter ich es nun ansehe, je stolzer macht es mich.

Haben Sie schon erste Zahlen, wie oft sich ihr Buch bereits verkauft hat? Und haben Sie bereits erste Rückmeldungen oder vielleicht Fanpost erhalten?
Genaue Zahlen gibt es noch nicht, allerdings war mein Buch bei einem Internetanbieter an Ostern schon ausverkauft. Das lässt natürlich hoffen. Einige Leser zwischen 16 und 80 Jahren haben sich auch schon bei mir gemeldet. Dabei war das meiste Feedback positiv. Eine ältere Dame hat mir geschrieben, sie hätte Gänsehaut beim Lesen bekommen. Das hat mich riesig gefreut. Junge Leser nennen das dann „Ich wurde geflasht“ (lacht).

Ihr Buch ist bei dem nicht unbekannten Verlag Fischer erschienen. Wie haben Sie die Arbeit zu Ihrem Buch erlebt? Mussten Sie für Ihren Schreibstil und ihre Geschichte kämpfen?
Der Weg bis zur Veröffentlichung war das reinste Super-Mario-Spiel. Ich musste immer wieder neue Level bewältigen: Vom Vertrag mit meinem Verlag über das Lektorat bis hin zur Covergestaltung – alles wurde diskutiert. Schließlich bin ich als Autorin unbekannt und daher ein Risiko für den Verlag. Die Zusammenarbeit war eine tolle Erfahrung, die mich stark gemacht hat. Sie hat mich aber auch gelehrt, dass ich eine Agentur brauche, sollte ich wirklich weiterhin als Schriftstellerin tätig sein. Der Weg bis zur Veröffentlichung war für mich stressiger, als das Buch zu schreiben. Mit meinem Lektor habe ich mich insbesondere über zwei Sätze gestritten. Sie waren ihm zu ungrammatisch, dabei passten sie meiner Meinung nach genau zu meinem Stil. Ich male mit den Wörtern Bilder. Letztlich duften sie zum Glück so im Buch bleiben, wie ich es wollte.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne einmal über sich lesen?
Oh, das ist nicht leicht. Vielleicht: „Kölner Jungautorin startet durch“ oder „Unglaubliches Buch – Muss man lesen“. Als Schriftsteller ist man in einem Moment von sich selbst überzeugt und im nächsten Moment voller Selbstzweifel. Da tut es gut, positive Rezensionen zu lesen.

Wie arbeitet man als junge Autorin? Sitzen Sie mit Bleistift und einem Glas Rotwein auf der Veranda oder schreiben Sie direkt mit dem Computer?
Zu Beginn meines Buches habe ich alles auf Karteikarten festgehalten – für jeden Protagonisten gab es eine Farbe. Die habe ich, ähnlich wie nun auch mein Buch aufgebaut ist, zu einem Puzzle in meinem Zimmer verteilt und immer wieder neu zusammengelegt, bis das Raster stimmte. Das eigentliche Schreiben habe ich aber direkt mit dem Computer gemacht. Das wäre sonst zu aufwändig. Allerdings schreibe ich meine Gedichte am liebsten mit einem Bleistift in meine kleinen, ledernen Notizbücher.

An welchen Orten schreiben Sie am liebsten?
Tatsächlich schreibe ich überall, sei es auf der Couch, auf dem Boden, im Park oder auch in der U-Bahn. Sobald mir eine Beobachtung auffällt, notiere ich sie mir. Häufig schreibe ich mir auch Wortkombinationen auf, die mir unterwegs einfallen. Denn ich habe sonst Angst, sie zu vergessen, Dinge wie „verrosteter Schmerz“ oder ähnliches.

Haben Sie literarische Vorbilder oder Texte, die Sie inspiriert haben?
Ich lese viel klassische Literatur: E.T.A. Hoffmann ist mein absoluter Lieblingsautor. Seitdem ich „Hamlet“ gelesen habe, bin ich auch von Shakespeare begeistert. Außerdem mag ich Kafka und will mich künftig nun Nietzsche annähern. Mein Deutschlehrer in der Schule war Literatur- und Philosophie-Lehrer. Er hat mich an diese Literatur herangeführt und mich gefördert. Ihm verdanke ich viel, vor allem den Mut zum Schreiben.

Was machen Sie, wenn Sie nicht schreiben?
Tja, im Moment dreht sich tatsächlich fast mein gesamtes Leben um das Wort (lacht). Doch ich mag auch American Football. Die Spiele der Cologne Centurions habe ich regelmäßig verfolgt, bis sie sich 2007 leider auflösten. Ansonsten höre ich viel Musik. Gute Lieder sind wie Gedichte – nur besser.

Viele aufstrebende Musiker beginnen ihre Karriere in Internetforen. Haben Sie einen vergleichbaren Weg eingeschlagen?
Nein, ich habe mein Buch zuerst an die Verlage geschickt. Seit es veröffentlicht ist, betreibe ich jedoch meinen eigenen Blog. In dem berichte ich fast schon wie in einem Tagebuch darüber, wo ich Interviews gegeben und welche Rückmeldungen ich zu meinem Buch erfahren habe. Außerdem bin ich natürlich in bekannten Communities unterwegs. Ich habe jedoch keine Texte in Foren ausgestellt. Dafür wird es in einigen Monaten bei youtube ein Lied mit einigen Textstellen aus meinem Buch geben. Ein Freund vor mir, der Musiker ist, nimmt es derzeit auf. Sollte mein Buch ein Erfolg sein, soll es künftig auch als e-book angeboten werden.

Wie haben Ihre Eltern auf Ihre Berufswahl als Schriftstellerin reagiert und wie geht es mit Ihnen nun weiter?
Früher dachten sie, es sei nur ein Kinderwunsch. Als ich ihnen dann jedoch mein fertiges Buch gezeigt habe, waren sie begeistert und beeindruckt. Sie unterstützen mich seitdem sehr. Aber natürlich machen sie sich auch Sorgen. Ich beruhige sie damit, dass ich zum Glück nicht tief fallen kann. In diesem Jahr will ich mich nun ganz meinem Buch widmen. Dafür habe ich auch mein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Mathematik aufgegeben. 2011 entscheide ich dann, wie es weitergeht. Ich werde auf jeden Fall in Köln bleiben. Ich liebe diese Stadt mit Rhein, Dom und vor allem den herzlichen Menschen. Hier fühlt man sich überall so Zuhause, dass man seine Schuhe ausziehen könnte.

Wird es weitere Bücher von Ihnen geben?
Eine indirekte Fortsetzung zu meinem ersten Buch ist bereits geschrieben. Sie besteht aus kurzen Geschichten rund um die Handlung. Ob es allerdings veröffentlicht wird, steht noch nicht fest. Das hängt vor allem davon ab, wie gut sich „Wasser“ verkauft. Ich wünsche mir, dass ich aus diesem Traum, den ich momentan lebe, nicht aufwachen muss.

Frau Schüßler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung