Berlin | In der Affäre um den Internet-Blog „netzpolitik.org“ wusste das Bundesinnenministerium (BMI) bereits frühzeitig, dass die geplante Strafanzeige des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wegen Geheimnisverrats auch Ermittlungen gegen Journalisten nach sich ziehen könnte. Das Ministerium sei bereits bei der Abstimmung der Anzeige vor deren Erstattung Ende März darüber informiert gewesen, dass es Hinweise auf den Geheimnisverrat im BfV erst „durch Medienveröffentlichungen“ gegeben habe, sagte ein Sprecher dem „Tagesspiegel“ (Dienstagsausgabe). „Das war dem Bundesinnenministerium bekannt“, sagte der Sprecher.

Ob dabei auch der Blog „netzpolitik.org“ sowie dessen später angezeigte Veröffentlichung zum Wirtschaftsplan des Bundesamtes erörtert wurden, wollte der Sprecher nicht bestätigen. Bisher hatte das Innenministerium dazu nur erklärt, der Text der Anzeige, in dem „netzpolitik.org“ ausdrücklich erwähnt wird, habe dem BMI erst vorgelegen, nachdem die Anzeige erstattet worden sei. Die Vorab-Unterrichtung durch das BfV sei „nicht so sehr ins Detail“ gegangen. Der Leitung des Ministeriums sei der Vorgang als „Anzeige gegen unbekannt“ vorgetragen worden.

Kubicki: Landesverrats-Affäre ist für GroKo nicht ausgestanden

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki sieht die Landesverrats-Affäre nach der Einstellung der Ermittlungen gegen Netzpolitik.org nicht als beendet an: „Wer vielleicht aufseiten der Bundesregierung hoffen mag, diese Affäre sei nunmehr ausgestanden, täuscht sich schwer. Denn es drängt sich nach wie vor die Frage auf, welche politische Verantwortung Verfassungsschutzminister Thomas de Maizière in diesem Komplex hat und wie es zu dieser Anzeige eigentlich gekommen ist“, erklärte Kubicki am Montag. „Sollte es in Wahrheit hierbei darum gegangen sein, demonstrativ ein Zeichen gegen missliebige Journalisten zu setzen und der Pressefreiheit mit einem Einschüchterungsversuch zu begegnen, wäre dieser Innenminister nicht mehr zu halten.“

Dass die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org eingestellt wurden, sei absehbar gewesen, so der Freidemokrat weiter. „Denn die vom Verfassungsschutzpräsidenten gestellte Strafanzeige war aus juristischer Sicht nur noch beschönigend als `zweifelhaft` zu bezeichnen.“

Autor: dts