Ganz oben: Das Amt für Kinderinteressen

Köln Barbarossaplatz. Links eine Videothek. Angebot der Woche oder des Monats „Saw V“, im Laufband erscheint das Wort „Death“. Daneben eine Tafel die auf das „Kölner Haus des Jugendrechts“ hinweist. Gelistet sind die Institutionen: Staatsanwaltschaft Köln, Polizei Köln und Jugendgerichtshilfe. Auf der anderen Seite des Eingangs steht „Stadt Köln – Amt für Kinderinteressen“. Das „Kölner Haus des Jugendrechts“ soll sich um jugendliche Intensivstraftäter kümmern. Wer Intensivstraftäter ist, legt die Polizei nach einem durch sie bestimmten Punktesystem fest. Hierbei werde, so Polizeisprecher Baldes die Anzahl und die Qualität der Straftaten berücksichtigt. Einen Katalog, der mit der Politik oder zumindest einem Beirat abgesprochen wird gibt es nicht. Erreicht ein Jugendlicher Täter die von der Kölner Polizei festgelegte Grenze, die ihn als Intensivtäter erkennen lässt, kommt es zu einer so genannten Fallkonferenz unter Beteiligung der Polizei, der Jugendgerichtshilfe, der Staatsanwaltschaft und des Jugendgerichts. Das Jugendgericht sitzt aber nicht im Haus des Kölner Jugendrechts, aus Neutralitätsgründen, wie es am heutigen Tag hieß.


Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe an einem Tisch

Nach dieser Definition gibt es aktuell so Polizeipräsident Steffenhagen 150 jugendliche Intensivtäter, davon werden zur Zeit 86 von der Kölner Polizei betreut. Der leitende Oberstaatsanwalt Heiko Manteufel setzt auf die abschreckende Wirkung des Hauses: „Wir wollen den jugendlichen Tätern deutlich machen, dass alle verantwortlichen Behörden an einem Strang ziehen. Die jugendlichen Intensivtäter von heute dürfen nicht die Schwerkriminellen von morgen werden“. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter und Innenminister Dr. Ingo Wolf bei der Eröffnung des "Hauses des Jugendrechts": "Hier wird das Prinzip der zusammen geschobenen Schreibtische im Kampf gegen die Jugendkriminalität verfolgt", sagte der Innenminister. Die Justizministerin betonte: "Erst dieses konzentrierte und auf aktuellem Stand gehaltene Wissen versetzt einen Jugendrichter in die Lage, dem jungen Beschuldigten schnell und spürbar eine "passende" Antwort auf seine Straftaten zu geben. Das ist sowohl aus erzieherischen Gründen als auch im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung geboten."

Alle Beteiligten aus Politik, Polizei und Verwaltung verbinden mit dem für eine Million Euro sanierten Haus die Hoffnung jugendliche Intensivtäter wieder auf die richtige Bahn zu bringen.

Anwälte lehnen das Haus ab
Anders sieht man dass beim Strafrechtsausschuss des Kölner Anwaltvereins, der zur heutigen Eröffnung Stellung bezieht. In Köln sollen jetzt alle Jugendlichen und Heranwachsenden am kameraüberwachten Eingang und der Sicherheitsschleuse des Hauses vorbei ihren Sozialarbeiter, ihre Sozialarbeiterin bei der Jugendgerichtshilfe aufsuchen müssen. Die Jugendgerichtshilfe ist nach § 38 des Jugendgerichtsgesetzes Helfer der Jugendlichen und des Gerichts im Jugendstrafverfahren.

Die Jugendgerichtshilfe soll den Jugendlichen bei ihrer weiteren Entwicklung und dem Gericht bei der Ermittlung der persönlichen Verhältnisse Hilfe leisten. Die Mitwirkung des Jugendlichen in diesem Zusammenhang ist freiwillig. Die Arbeit der Jugendgerichtshilfe ist ein durch Vertraulichkeit zu schützender Rahmen, der nicht durch den nun geplanten Informationsaustausch mit der Polizei gefährdet werden darf. Nur wenn eine strikte Trennung der personenbezogenen Informationsgewinnung der Jugendhilfe von der sach- und damit tatbezogenen Informationsgewinnung der Polizei gewährleistet ist, kann die Jugendgerichtshilfe ihren Auftrag wahrnehmen und helfen.
 
Deshalb ist ein gemeinsames Haus des Jugendrechts unter den bisher geplanten Bedingungen abzulehnen. Zur Wahrung von Beschuldigtenrechten, wozu auch das Recht gehört, in jedem Stadium des Verfahrens einen Anwalt hinzuzuziehen, ist jedem falschen Schein entgegenzutreten, im sogenannten Haus des Jugendrechts säßen alle Beteiligten „in einem Boot“. 

Der Strafrechtsausschuss des Kölner Anwaltvereins spricht sich gegen die derzeit modische Etablierung von Häusern des Jugendrechts aus. Stattdessen sollte Jugendhilfe personell und finanziell so ausgestattet werden, dass die Ursachen der Straffälligkeit bekämpft werden, anstatt den vertrauensvollen Kontakt mit diesen Jugendlichen auszuhöhlen. Dass die Optimierung der polizeilichen Strafverfolgungsarbeit und nicht die der Jugendgerichtshilfe angestrebt ist, zeigt sich auch schon daran, dass zwar das Innen- und Justizministerium, nicht aber das Jugendministerium am Haus des Jugendrechts beteiligt ist.

Die Jugendgerichtshilfe im Haus
Insgesamt werden in Köln laut der Kölner Jugenddezernentin Dr. Agnes Klein 5.000 Jugendliche pro Jahr auffällig. Davon sind aber nur wenige Intensivtäter. Sie müssen nun auch alle in das Haus, da dort auch die Jugendgerichtshilfe ansässig ist. In der Öffentlichkeit und so wurde das Haus heute auch vorgestellt wird das Haus als Haus der Intensivtäter dargestellt. Daher ist die Kritik des Anwaltvereins nachvollziehbar. Dass auch das Amt für Kinderinteressen in ein und dem selben Haus untergebracht ist, zeigt mangelnde Sensibilität der Kölner Stadtverwaltung. Das Haus des Jugendrechts, an dieser sehr öffentlichen Stelle von Köln hat auch stigmatisierende Wirkung.

Von der Politik, gerade auch von einem FDP Innenminister, hätte man sich gewünscht, statt nur der Töne, Recht, Ordnung, Anstand auch andere Worte, wie etwa „Vertrauen“ zu hören. „Vertrauen“, ein Wort das eine in der Hauptsache auf Repression angelegte Behörde wie die Polizei nicht erfüllen kann. So wünscht man sich, dass die Politik die Tätigkeiten der dort akkumulierten Strafverfolgungsbehörden kontrolliert und überprüft. Ein Beirat unabhängiger Fachleute, eine Evaluation unabhängiger Sachverständiger, deren Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werden,  würde einem Haus des Jugendrechts, allerdings ohne Jugendgerichtshilfe und Amt für Kinderinteressen nicht nur gut tun, sondern müsste zwingend eingesetzt sein. Das es keinen festgelegten Kriterienkatalog unabhängiger Sachverständiger, oder eines unabhängigen Gremiums aus Strafverfolgern, Strafverteidigern, Jugendgericht und Jugendarbeit etwa für die Definition „Intensivtäter“ gibt, sondern dies alleine von der Polizei festgelegt wird, spricht nicht für Transparenz, Vertrauen und einen demokratischen Prozess. Jugendgerichtshilfe und Amt für Kinderinteressen müssen an einem anderen Ort untergebracht werden. Denn ein fairer Dialog mit Jugendlichen kann nur auf Vertrauen und Augenhöhe basieren.


Gefährlich parkten die Wagen der Minister in der zweiten Reihe

Am Rande muss man der Politik auch ins Stammbuch schreiben, dass wenn sie schon ein Haus des Jugendrechts einweiht, sich auch an die Gesetze des Landes halten sollte. Zwar hatte man sich schon einen Bereich vor dem Haus des Jugendrechts mit Parkverbotstafeln frei geblockt. Das schien aber nicht gereicht zu haben und so parkte man munter in der zweiten Reihe und dass obwohl nur wenige Meter eine Parkgarage in der Rotonda zur Verfügung steht. Der OB-Wagen parkte dann gleich auf dem Bürgersteig. Vorbildcharakter hat das keinen.

Aktualisiert 15.6.2009, 12:33 Uhr >
Gaby Schlitt, jugendpolitischen Sprecherin der Kölner Grünen:
 
"Die grüne Ratsfraktion hat den Beschluss im Jugendhilfeausschuss und Rat im Januar 2008 zur Konzeption eines Haus des Jugenedrechts unterstützt. Seitens SPD und GRüNE wurden auch Änderungen eingebracht und beschlossen. Das nun eröffnete Haus entspricht den damaligen Vorgaben. Die Verlagerung des Amtes für Kinderinteressen in das gleiche Gebäude hat mit dem Haus des Jugendrechts nichts zu tun. Das Amt für Kinderinteressen ist nicht Bestandteil des Behördenverbundes. Da kein intensiver Publikumsverkehr Kinder, Eltern zum Amt für Kinderinteressen stattfindet, ist die Verlagerung auch vertretbar und eine rein innerorganisatorische Maßnahme des Dezernats IV."

[ag]