Serap Güler bei einer Rede im Deutschen Bundestag. (Archivfoto) | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | Serap Güler, CDU-Vorstandsmitglied und Bundestagsabgeordnete, hat die Kritik von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Wolfsgruß-Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral als heuchlerisch kritisiert. Faeser hatte die Uefa aufgefordert, Sanktionen gegen den Spieler zu prüfen, Symbole türkischer Rechtsextremisten hätten in unseren Stadien nichts zu suchen. Der Wolfsgruß sei „nicht verboten“, sagte Güler dem TV-Sender „Welt“ am Mittwoch. „Insofern ist das Heuchelei, was die Innenministerin gerade macht.“

Es sei „richtig, dass man fordert, dass der Spieler suspendiert wird“, so die CDU-Politikerin. „Dieser Wolfsgruß gehört nicht auf ein Fußballfeld, der gehört überhaupt nicht irgendwohin. Es ist ein faschistisches Zeichen. Und genau so, wie wir uns gerade darüber aufregen würden, wenn jemand den Hitlergruß zeigt, muss die Aufregung eben auch bei diesem Wolfsgruß gegeben sein.“

Die Innenministerin sei allerdings „nicht bereit, diesen Gruß bei uns zu verbieten, wie es in Österreich beispielsweise der Fall ist“, so Güler. „Und insofern ist das ein bisschen Heuchelei, was die Innenministerin hier gerade macht.“

Es sei eine gerechtfertigte Integrations-Forderung, „dass Antisemitismus, dass Faschismus, egal aus welcher Richtung er kommt oder welchen ethnischen Background er hat, bei uns einfach nicht erlaubt sind“, sagte die Bundestagsabgeordnete. „Wenn dieser Gruß bei uns verboten worden wäre, hätten ihn auch die Fans nicht zeigen können.“

Güler wollte nicht als Entschuldigung gelten lassen, dass der Gruß seine Wurzeln mutmaßlich in der türkischen Mythologie hat. „Er wird eben auch von türkischen Faschisten und Rechtsextremen benutzt – egal aus welchem Background er kommt, auch wenn er aus der Mythologie kommt.“ Der Missbrauch des Grußes durch Faschisten sei Grund genug für ein Verbot, findet sie. „Insofern ist die Innenministerin jetzt auch gefordert, ihren eigenen Worten Taten folgen zu lassen.“

Faeser kritisiert Demiral nach Wolfsgruß   

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den türkischen Nationalspieler Merih Demiral scharf kritisiert, nachdem dieser während des EM-Achtelfinales den „Wolfsgruß“ gezeigt hatte.

Die Ministerin finde, dass Symbole türkischer Rechtsextremisten in den Stadien nichts zu suchen hätten, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in Berlin. „Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel.“ Man erwarte, dass die Uefa diesen Fall untersuche und Sanktionen prüfe.

Zudem sei klar, dass die Sicherheitsbehörden türkische Rechtsextremisten in Deutschland fest im Blick hätten. „Die Grauen Wölfe stehen unter der Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz – das gilt“, so der Sprecher. Zu möglichen Verbotsverfahren könne man sich nicht äußern.

Nach EM-Vorfall: Linke drängt auf Verbot der Grauen Wölfe

Die Bundesgeschäftsführerin der Partei Die Linke, Katina Schubert, hat ein Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland gefordert. „Wenn ein Fußballspieler in Deutschland ungestraft den Gruß der Rechtsextremisten zeigen kann, muss das ein Weckruf sein für die Bundesregierung“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ (Donnerstagausgabe). „Die Ampel muss die faschistische Terrororganisation Graue Wölfe endlich verbieten. Dann wäre auch das Zeigen des Wolfsgrußes strafbar.“

Während des EM-Achtelfinals hatte der türkische Torschütze Merih Demiral den Gruß gezeigt. Darüber ist am Dienstag eine Debatte entbrannt. Unter anderem forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf der Plattform X, der Wolfsgruß müsse verboten werden. Auch die CDU plädiert dafür.

Schubert hält die Geste für eine „Kampfansage an den demokratischen Rechtsstaat“. Die türkischen Ultra-Nationalisten seien kein harmloser Verein, sondern eine faschistische Mafia. „In vielen EU-Staaten sind die Grauen Wölfe zurecht verboten, nur die Bundesregierung schaut weg und will das Problem nicht erkennen“, so Schubert. „Damit trägt sie eine Mitschuld, wenn Menschen auf offener Straße überfallen werden und linke und kurdische Aktivistinnen nicht frei agieren können.“

Die Fraktionsvorsitzende der Linken in Hamburg, Cansu Özdemir, schloss sich der Verbotsforderung an. „Rassismus ist ein Kernelement der Ideologie der Grauen Wölfe“, sagte sie. „In Deutschland haben Anhänger mehrere Morde und Mordversuche unter anderem an türkischen und kurdischen Aktivisten, Anschläge auf Vereine und Einschüchterungen von Oppositionellen sowie Kritikern des türkischen Präsidenten Erdogan zu verantworten.“

Zur extrem nationalistischen Ideologie komme der Islamismus hinzu. „Der Bundestag verschleppt die Verbotsfrage mit dieser Hinhaltetaktik und nun ernten wir die Bilder, wie ein Spieler den Gruß machen kann und wir dagegen hilflos sind“, so Özdemir. Die Uefa hat inzwischen eine Untersuchung gegen Demiral eröffnet.

Kurdische Gemeinde fordert Verbot der Grauen Wölfe  

In der Bundespolitik werden Stimmen nach einem Verbot türkischer Rechtsradikalen-Vereine lauter. „Worauf wartet Innenministerin Nancy Faeser eigentlich?“, sagte der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Toprak, dem „Tagesspiegel“. „Schon vor vier Jahren forderte eine breite Bundestagsmehrheit ein Verbot der bedeutendsten Organisation der Grauen Wölfe hierzulande.“

Anlass der Empörung sind Versammlungen der Grauen Wölfe zur Fußball-Europameisterschaft sowie die Wolfsgeste des türkischen Nationalspielers Merih Demiral nach dem Sieg über Österreich. „Wir fordern zudem die Uefa auf, Fußballer, die rassistische und antisemitische Symbole zeigen, von Spielen auszuschließen“, sagte Ali Toprak weiter. „Fans übernehmen solche Zeichen, unter türkischen Jugendlichen auch in Deutschland gilt es als cool, rechtsextrem zu sein. Man stelle sich vor, ein österreichischer Spieler hätte nach einem Torschuss einen Hitlergruß gezeigt.“ Die Uefa hatte am Mittwoch angekündigt, den Fall zu untersuchen. „Wir müssen gerade in einer Einwanderungsgesellschaft auch migrantischen Faschismus geißeln“, sagte Toprak.

Der CDU-Innenexperte Christoph de Vries sagte unterdessen der Zeitung: „Wir freuen uns mit den türkischen Fans über den Sieg ihrer Nationalmannschaft. Aber nichts rechtfertigt das Zeigen rechtsextremistischer Symbole und dies ausgerechnet am 31. Jahrestag des pogromartigen Angriffs von Sivas, dem 35 Aleviten, die auch heute noch Feindbild der Grauen Wölfe sind, zum Opfer fielen.“