Report-k.de: Wie ist denn der aktuelle Stand des Bürgerbegehrens?
Manfred Giesen (MG): Wir haben annähernd 20.000 Unterschriften gesammelt und sind guter Dinge das Quorum zu schaffen, vor allem weil wir uns bisher auf die Kerngebiete Sürth, Weiss, Godorf und Rodenkirchen beschränkt haben. In den anderen Stadtteilen werden wir von den Kölner Grünen, dem BUND, Robin Wood und der NABU unterstützt. In der nächsten Zeit werden wir unsere Aktivitäten auf die nächstgelegenen Stadtteile wie Klettenberg, Sülz, Porz, Poll und das gesamte Kölner Stadtgebiet ausweiten.

Wieviel Stimmen brauchen Sie für das Bürgerbehren und bis wann?
MG: Wir benötigen bis 30.November 2007 rund 25.000 Unterschriften. Sie müssen wissen, dass wir durch eine fundierte juristische Ausarbeitung bereits drei Wochen verloren haben. Wir gehen davon aus, dass die Stadt Köln rechtliche Schritte gegen das Bürgerbegehren vorbereitet. Klar ist, dass die Stadtverwaltung kein Bürgerbegehren will. Auch wenn wir den Rat mit einem erfolgreichen Begehren konfrontieren, erwarten wir, dass die Verwaltung dem Rat eine Ablehnung  nahe legen wird.
Jörg Frank (JF): Die Entscheidung im Rat wird nicht so einfach sein für die großen Fraktionen, wenn erst einmal feststeht, wie viel Menschen gegen den Ausbau sind. Bei über 25.000 Bürgern für einen Bürgerentscheid müssten sich CDU und SPD offen gegen dieses Votum stellen. Das wäre riskant. Das sollten die Bürger wissen.

Wie ist denn die Stimmung in der Bevölkerung?
MG: Das Meinungsbild variiert nach unserer Kenntnis von Bezirk zu Bezirk. Natürlich finden wir große Zustimmung in Godorf und Sürth, hier ist das Projekt seit Jahren in der Diskussion. Es finden sich kaum Befürworter des Hafenausbaus. Allerdings muss das Thema alle Kölner Bürger interessieren, denn es geht um städtisches Geld, also ihr Geld das ausgegeben wird. Geld das an anderen Stellen wie zum Beispiel bei Kinderbetreuung und Schulen fehlt. Leider haben viele Bürgerinnen und Bürger oft schon resigniert und sagen das nützt doch alles sowieso nichts. Also wir stellen eine Menge Frust und Resignation bei den Kölner Bürgern fest. Aber es motiviert auch die breite Zustimmung und der große Einsatz vieler Helfer.

Wenn nicht Godorf, wo sehen Sie Flächen zum Ausbau der geforderten Hafenkapazitäten?
JF: Im Niehler Hafen und dafür müsste man diesen noch nicht einmal ausbauen, denn der Niehler Hafen hat Reserveflächen. Nach vorliegenden Untersuchungen sind 15 ha vorhanden, vor allem wenn man die mindergenutzten bzw. nicht für Hafenaktivitäten genutzten Flächen heranzieht. Denken Sie einfach an den Winterhafen der Köln-Düsseldorfer Personenschifffahrt, die müssen da nicht um jeden Preis mit ihren Schiffen liegen. Das Becken ließe sich zuschütten.

Warum braucht Köln eigentlich mehr Hafenkapazität?
JF: Unbestritten wächst der Containerverkehr, aber die Zuwachsraten, von der die HGK ausgeht, sind nicht realistisch. Die HGK rechnet zum Beispiel die globalen Zuwächse im internationalen Containerverkehr einfach 1:1 auf die Binnenschifffahrt um. Das ist sehr fragwürdig, da der Wettbewerb mit Schiene und Straße ausgeblendet wird.
MG: Wir fordern, dass, bevor man auf Gut Glück den Hafen ausbaut, das Verhältnis realistisch berücksichtigt, welche Verkehrsträger in welchem Anteil an den globalen Zuwächsen partizipieren. Das Schiff hat auch einen gewaltigen Nachteil in einer immer dynamisierteren Welt, es ist das langsamste Verkehrsmittel.

Wie sieht es mit den Kölner Konkurrenten zum Beispiel Duisburg aus?
JF: Die Wettbewerbssituation zu den anderen Rheinhäfen wird ignoriert. Duisburg ist der größte Binnenhafen. Mit diesem konkurrieren zu wollen ist schon ziemlich verwegen. Auch wenn OB Schramma dieses Beispiel immer wieder bemüht, ein ausgebauter Hafen in Godorf kann da nicht annähernd mithalten. Dazu fehlt ihm das Hinterland, um unmittelbar weitere Wertschöpfungsketten anzusiedeln. Dies wäre nur denkbar, wenn Sürth zwangsevakuiert würde. Ein absurder Gedanke, den kein Befürworter offen ausspricht.  

Sie kritisieren besonders das Finanzierungskonzept. Warum?
JF: Der Godorfer Hafen soll 61 Millionen Euro kosten, der Gutachter der Hafenbefürworter geht von 50% zugesicherten Zuschüssen der EU aus. Die sind nicht zugesagt. Kommen die Zuschüsse nicht, wird der Hafenausbau zum teuren öffentlichen Subventionsgrab. Hafenbefürworter wie die IHK wollen zeitgleich den Ausbau des Eisernen Rheins. Das ist auch aus grüner Sicht sinnvoll. Aber erstens geht finanziell nicht alles und zweitens muss es wirtschaftlich und umweltpolitisch Sinn machen. Dem Ausbau des Schienenverkehrs ist da sicherlich der Vorzug zu geben.

Was ist der Eiserne Rhein?
JF: Eiserner Rhein ist eine historische Eisenbahnverbindung zwischen Antwerpen und Duisburger Hafen, die ausgebaut werden soll. Neben der Betuwe-Route ist die Wiederherstellung des Eisernen Rheins von der der EU-Kommission als Bestandteil der europäischen Eisenbahnverbindung Lyon/Genua–Basel–Duisburg–Rotterdam/Antwerpen im Rahmen der Transeuropäischen Verkehrsnetze prioritär eingestuft.

Seit 2007 wird der niederländisch-belgische Teil wieder für den Güterverkehr genutzt. Nach der Instandsetzung des Streckenabschnitts Budel–Weert fahren nun bis zu acht Güterzüge pro Woche zwischen Antwerpen und Duisburg.

Es bleibt die Frage nach dem Warum des Standortes Sürther Aue in Godorf?
MG: Die HGK ist im Besitz des Naturschutzgebietes. Für die Bilanz ist dies relativ wertlos und kann nicht optimal verwertet werden. Als Hafen steigt der Wert des Grundstückes, denn dann ist es ja kein Naturschutzgebiet mehr. So einfach ist das.
JF: Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt. Die HGK wollte immer zwei Häfen haben, Niehl und Godorf, und verfolgt diese Strategie konsequent. Nun kommt die Schließung des Deutzer Hafens in die Diskussion. Manche wollen ihn als schicke Marina mit exklusivem Wohnen am Strom ausbauen. Im Deutzer Hafen gehören der HGK große Grundstücksflächen. Mit einer solchen Umnutzung würde sie hohe Grundstückserlöse erzielen und es wäre ein gutes Geschäft für Immobilien-Investoren. Wird Deutz geschlossen, sollen Deutzer Hafennutzungen nach Niehl verlegt werden. Daher soll die Reserve in Niehl nicht für den Containerumschlag genutzt werden.

Wie werten Sie die gegenwärtige Anbindung des Godorfer Hafens und wie wird sich die Erweiterung auf die Verkehre in der unmittelbaren Umgebung auswirken?
MG: Das Baum-Gutachen hat dies nicht geprüft. Der LKW-Verkehr wird sich auf die umliegenden Orte und die vorhandene Infrastruktur verteilen. Zunächst hatte man einen sogenannten "Overfly" über Godorf hinweg geplant, eine direkte Anbindung an die Autobahn A555. Dies hat man inzwischen verworfen, weil das Land die Zuschüsse für das Bauwerk gestrichen hat. Offiziell sagt man jetzt, der Overfly würde vor allem aus ökologischen Gründen abgelehnt. Durch die Bauhöhe wäre die Lärmemission des Verkehrs weit in die Landschaft getragen worden. Die Anbindung wird demzufolge über die Godorfer Straßen erfolgen müssen, die Orte Sürth und Weiß sollen nach dem Planungsverfahren weitestgehend vom LKW-Verkehr freigehalten werden.

Aber gerade dort herrscht ja heute durch Metro und IKEA schon eine schwierige verkehrliche Situation?
MG: Wir erwarten eine Billiglösung und das Chaos ist vorprogrammiert. Zudem gehen wir davon aus, dass jeder LKW sich seinen Weg selbst suchen wird.
JF: Schaut man sich andere Planungen an, wie z.B. für den neuen Großmarkt in Marsdorf,  dann müsste es eigentlich ein aktuelles Verkehrsgutachten für den Godorfer Hafenausbau geben. Schließlich muss man heutzutage für jedes kleine Gewerbegebiet ein Verkehrsgutachten vorlegen.

Wenn aber all die Planungen und Gutachten überholt sind, warum wagt die Politik nicht einen radikalen Schritt? Nach dem Motto alles auf NULL, ein Gutachten nach den aktuellen Gegebenheiten?
JF: Dazu fehlt die Mehrheit. Im Rat sind die Ausbaugegner in der CDU umgekippt. Ich glaube, der jahrzehntelange Konflikt hat zu einer gewissen Erschöpfung geführt. Auch in der SPD herrschen Zweifel. Aber die Meinungsführer in CDU und SPD wollen ihr Gesicht wahren. Mich erinnert das ein wenig an eine Art Beamtenmikado. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Führungsleute in SPD und CDU glauben, mit ihrer Zustimmung zum Hafenausbau  Kompetenz in Wirtschaftsfragen zeigen zu können. Ob dies die Bevölkerung überhaupt so wahrnimmt, bleibt unbeantwortet. Der Konflikt hat sich verselbständigt und trägt mittlerweile fast surreale Züge. Denken Sie alleine an die Behauptung der SPD, wenn der Hafen nicht komme würde der Niedergang des Wirtschaftsstandorts Köln eingeleitet. Das formuliert die SPD seit 20 Jahren. 20 Jahre Stillstand am Godorfer Hafen und Köln hat sich inzwischen zum attraktiven und dynamischen Dienstleistungsstandort entwickelt.

Bräuchte die Politik in einem solchen Fall nicht Mediation?
JF: Mediation? Das vielleicht nicht, aber ein besseres Kommunikationsmanagement und Angebote wie sie aus einer solchen festgefahrenen Diskussion wieder herauskommt. Unternehmen würden in einem solchen Fall einen Imagewechsel kreieren und diesen auch vollziehen.

Herr Giesen und Herr Frank wir danken Ihnen für das Gespräch.

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INFOBOX:
Jörg Frank,
52 Jahre, Mitglied des Kölner Rates, stellvertretender Vorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher der GRÜNEN im Kölner Rat, befasst sich seit 1988 mit dem Konflikt um den Godorfer Hafenausbau.

Manfred Giesen, 54 Jahre, Vorstandsmitglied von pro sürth e.V., kämpft zusammen mit anderen Bürgergruppen seit 1986 für den Erhalt der Sürther Aue und ist Mitinitiator des Bürgerbegehrens.

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Kölner Musiker wie Brings und viele andere engagieren sich gegen das Großprojekt und haben einen Song komponiert, der auf Website der Bürgerinitiative zum kostenlosen Download bereit steht.
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Click: Website der Bürgerinitiative
http://www.buergerbegehren-hafen.de/


Das Gespräch führte Andi Goral