Report-k.de: Wir stehen wenige Tage vor der Kommunalwahl und der Wahl um das Amt des Kölner Oberbürgermeisters. Sie haben sich in den letzten Wochen viel durch Köln bewegt und viele Menschen getroffen. Sie kennen Köln aber auch aus ihrer Tätigkeit als Polizei- und Regierungspräsident. Wo liegen nach Ihrer Auffassung die Stärken, wo die größten Schwächen Kölns, was hat sich verändert?
Jürgen Roters: Ja, in den letzten Monaten bin ich sehr viel in der Stadt unterwegs gewesen und habe festgestellt, dass ich trotz meiner 15-jährigen Arbeitszeit hier in Köln noch viel Neues entdeckt habe, auch sehr Positives. Ich will mal mit den Stärken in unserer Stadt beginnen: Da ist das Lebensgefühl der Menschen, die Weltoffenheit. Wie man jetzt im Wahlkampf angesprochen wird, wie man mit den Menschen in Kontakt kommt, das ist etwas ganz anderes als bei Wahlkämpfen im Münsterland. Die Kölnerinnen und Kölner sind interessiert, kritisch und streiten auch schon mal gerne ein wenig. Das ist lebendig und zeugt von großer Offenheit. Aber ich habe auch immer wieder viel Toleranz festgestellt und das hat mich schon sehr beeindruckt.

Die Stärken darüber hinaus liegen, auch ein wenig politischer gesehen, in der Breite in der die Kölner Wirtschaft aufgestellt ist. Im Grunde sind alle wichtigen Branchen, von der Industrieproduktion bis zu neuen Entwicklungen im Dienstleistungssektor, oder im Bereich der regenerativen Energien in unserer Stadt vorhanden. Diese Vielfalt ist unsere Stärke, die wir noch weiter ausbauen müssen. Wir sind nicht abhängig von einem oder zwei Großunternehmen, sondern wir haben einen breiten Mittelstand. Unsere Präsenz ist breit gefächert in allen Sektoren der Wirtschaft, der Finanzmärkte, der Versicherungswirtschaft, wo wir führend sind, über die industrielle Produktion sei es im Anlagenbau, dem exportorientierten Werkzeugbau, der Chemie-, der Automobil- oder Pharmaindustrie. Das ist wichtig im Hinblick auf die Beschäftigungssicherung.

Die dritte Stärke ist unsere Wissenschaftslandschaft. Wir gehören zu den großen Wissenschafts- und Universitätsstädten in der Bundesrepublik. Die Potenziale sind zwar noch nicht richtig ausgeschöpft, aber die Institutionen sind da. Mit 12 Hochschulen, vier großen internationalen Forschungszentren, mit renommierten Wissenschaftlern an der Spitze das ist schon ein Pfund, um das uns andere auch beneiden. Aber da können wir in der Tat noch besser werden.

Die Kölner Wissenschaftslandschaft lobte auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude bei seinem Kölnbesuch. Hat Sie das verblüfft?
Nein, heute ist das so. Die Wirtschaft braucht Innovation, braucht immer wieder neue Impulse und Anreize. Man kann sich heute nicht mehr ausruhen auf dem, was man fünf oder zehn Jahre lang gemacht hat. Die Konkurrenz schläft nicht, bringt neue Entwicklungen auf den Markt. Aus diesem Grund muss man ganz nahe an den Innovationen sein und die kommen häufig aus dem Bereich der wissenschaftlichen Forschung. Wenn die Forschung unternehmensnah und entwicklungsorientiert ist, also über die reine Grundlagenforschung hinausgeht, dann ist das eine der ganz wesentlichen Positionen, die eine Stadt voranbringt. Sehen Sie die Münchner haben zwei große Universitäten, die beide zu den Exzellenzhochschulen gehören.

Kann man als Oberbürgermeister Hilfestellungen geben, damit die Kölner Universität das Prädikat Exzellenzhochschule erhält?
Das wäre natürlich schön, dass ist aber nicht steuerbar durch einen Oberbürgermeister. Da müssen sich die Hochschulen selbst profilieren, damit sie zu diesem Kreis gehören.

Weitere Stärken?
Wichtig bei den Stärken ist zu nennen, dass wir eine wachsende Stadt sind. Viele Großstädte, etwa im Ruhrgebiet, aber auch im Osten Deutschlands, haben Strukturprobleme weil dort die Bevölkerung deutlich schrumpft. Köln wird auch weiterhin wachsen. Damit verbunden ist, dass genug junge Menschen – die allerdings gut qualifiziert sein müssen – in den Arbeitsprozess nachwachsen können und der Wirtschaft auch zur Verfügung stehen. In Zukunft wird es so sein, dass Industrie- und Wirtschaftsunternehmen entsprechend gut ausgebildete junge Menschen brauchen. Wenn die aber nicht mehr da sind oder die Stadt immer älter wird, dann hat man sehr große Probleme.

Wo liegen die Schwächen?
Natürlich hat Köln, wie jede andere Metropole auch, Probleme. Eines ist mir ganz deutlich geworden, wenn man Köln mit anderen Städten vergleicht, das ist der ungepflegte Zustand. Der hat sich in den letzten zehn Jahren noch verstärkt. Da gibt es viele Ansatzpunkte für Kritik. Das sind nicht nur Grafitti oder Schmierereien, sondern es ist das gesamte Bild. Der Pflegezustand unserer Anlagen, unserer Infrastruktur, all das lässt zu wünschen übrig. Da muss man viel mehr Augenmerk darauf richten. Wenn man sich umsieht, wie schmuddelig etwa das Domumfeld ist. Der Dom ist ein Monument von europäischem Rang, das viele, viele hunderttausende Touristen jedes Jahr anzieht. Geht man etwa an den Dionysos Brunnen, dann ist das abschreckend. Es stinkt dort nach Urin, und es ist unansehnlich. Solche Dinge dürften überhaupt nicht sein.

Ein Symbol für diesen ungepflegten Zustand sind auch unsere U-Bahn-Baustellen. Es gibt keine Stadt in Europa, die so nachlässig mit diesen Baustellen umgeht. Wenn man sich mal Wien, Stockholm oder selbst Rom anschaut, die auch gerade eine U-Bahn bauen und wie dort Baustellen in die Umgebung eingebunden werden, mit Kunstwerken oder ansprechender Bekleidung versehen oder sogar eingegrünt werden, das ist vorbildlich. Bei uns in Köln ist das genaue Gegenteil der Fall, etwa wenn man sich die Baustelle am Dom ansieht. Da hat man offensichtlich die hässlichsten Holzlatten, die man noch gefunden hat, angebracht. Also das ist wirklich abscheulich.

Die KVB Haltestelle am Alter Markt ist aber auch nicht viel besser?
Oder am Chlodwigplatz, da hängen noch die alten Zettel dran von irgendwelchen Reklamen und das über Jahre. Es ist ja nicht so, dass das jetzt eine kurzfristige Straßenbaustelle wäre. Menschen die zu uns kommen, wenn man mit denen durch die Stadt geht, die rümpfen darüber wirklich die Nase. Also Sauberkeit ist ein Thema und zwar nicht nur Innenstadt, sondern auch in den Außenbezirken. Da muss man sehr viel tun.

Eine weitere Schwäche ist die Arbeitslosigkeit, vor allem was den Sockel der Langzeitarbeitslosen angeht. Da haben wir eine Spitzenposition in der Bundesrepublik. Über 40.000 Menschen die seit über einem Jahr nicht in Arbeit vermittelt worden sind, da muss man dringend etwas dran tun, um die Menschen wieder in Beschäftigungsverhältnisse zu bringen, oder für den ersten Arbeitsmarkt fortzubilden.

Zudem sind unsere Schulgebäude teilweise in keinem guten Zustand. Wer sich umsieht, sieht Sportanlagen und Schulanlagen, die dringend einer Sanierung bedürfen. Manche Maßnahmen sind schon auf den Weg gebracht. Es ist nicht alles schlecht, aber andere Städte sind da schon weiter als wir. Hier müssen wir jetzt alles dransetzen den Zustand zu verbessern und alle Kapazitäten die wir haben, so schnell wie möglich einsetzen.

Macht Köln genug Lobbyarbeit für sich im Land, um entsprechende Mittel einzuwerben?
Andere Städte verstehen es besser, Förderkapazitäten und -möglichkeiten, die von der EU, dem Bund, oder dem Land kommen für sich in Anspruch zu nehmen, um darauf neue Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen aufzubauen. In Köln haben wir es in den letzten Jahren versäumt von dem Kuchen etwas mitzunehmen. Hier muss man sich ja nicht nur engagieren, um überhaupt etwas zu bekommen, sondern das sind Mittel, die man braucht um die Stadt zu modernisieren. Dafür sind sie auch vorgesehen. Wir müssen in der Kölner Stadtverwaltung ein richtiges Management für Fördermittel installieren, das ist die eine Seite. Die zweite ist, wir brauchen eine Kölner Lobby in Düsseldorf beziehungsweise in Berlin und letztlich auch in Brüssel. Unsere Abgeordneten müssen darauf eingeschworen werden, die Interessen Kölns zu vertreten, übrigens unabhängig davon von welcher Partei sie sind. Da muss der Oberbürgermeister die Abgeordneten regelmäßig zu entsprechenden Gesprächen empfangen, um zu sehen, was kann man machen, wo haben wir Kontakte, wo müssen wir weitere Kontakte aufbauen.

Eine Stadt wie Köln ist auf der einen Seite bis zu einem gewissen Maß autark, auf der anderen Seite in regionale, nationale und internationale Kontexte eingebunden. Wirtschaft ist Psychologie, aber persönliche Beziehungen sind wichtig. Netzwerken ist ja sicherlich auch auf Oberbürgermeisterebene wichtig. Wie stark sind Sie in der Region, dem Land und dem Bund verdrahtet?
Netzwerken ist auch für einen Oberbürgermeister das A und O. Als ehemaliger Regierungspräsident bringt man natürlich ganz viele Kontakte mit, was die regionale Zusammenarbeit anbelangt. Dennoch müssen wir uns auch in der Region bemühen, Köln kann hier der Motor der regionalen Entwicklung und späterer Kooperationen sein. Das wird auch ein wichtiges Aufgabenfeld sein. Aber es geht auch darüber hinaus. Ich habe lange Zeit im Ministerium gearbeitet, kenne die Landtagsarbeit und weiß, wie gewisse Mechanismen und Prozesse ablaufen. Das muss man sich noch stärker zu Nutze machen, um eben für Köln mehr zu bewirken. Das Gleiche gilt auch für die Bundesebene, auch da muss man regelmäßig die Kontakte pflegen. Wenn wir einen Staatssekretär im Finanzministerium sitzen haben, der zum Beispiel aus Köln stammt und hier wohnt, dann ist es selbstverständlich dass man regelmäßig miteinander spricht. Das ist zum Beispiel in der Vergangenheit versäumt worden. Ich möchte die Stimme Kölns auch im Kreis der anderen Großstädte stärker zur Geltung bringen, etwa im Deutschen Städtetag. Köln, als viertgrößte Stadt, muss auch hier wieder stärker gehört werden.

Würden Sie auch rund um das Oberbürgermeisteramt Strukturen schaffen, etwa eine Stabsabteilung nationale und internationale Zusammenarbeit, die sich um diese Themen kümmert?
Also diese Themen muss man auf jeden Fall zuordnen. Wie man das jetzt genau organisiert, das muss nach der Wahl entschieden werden, erst muss man ja gewählt werden. Das hier klare Aufgabenverteilungen vorgenommen werden müssen, das halte ich für wichtig. Das ist ja immer ein Prozess des Gebens und Nehmens. Das heißt nicht nur, dass wir unsere Abgeordneten auffordern, in Berlin aktiv zu werden. Man muss auch sehen, welche Ansprechpartner haben wir in Berlin und wie können wir sie unmittelbar mit der städtischen Verwaltung vernetzen. Ich will keinen neuen Wasserkopf schaffen, sondern die Kontakte etwa der Dezernenten, gerade auf der fachlichen Ebene nutzen.

Sie setzen also wieder stärker, als der amtierende Oberbürgermeister, auf die Dezernentenstruktur, der ja etwa Stellen, wie die des Medienbeauftragten geschaffen hatte?
Ja, das ist richtig. Ich halte nichts davon, einen riesigen Stab rund um den Oberbürgermeister zu platzieren. Man muss mit den vorhandenen Verantwortungsträgern gut zusammenarbeiten, Ziele vereinbaren und dann auch klar sagen, was man will. Dann wird das auch umgesetzt.

Ihre wichtigsten wirtschaftspolitischen Impulse für Köln?
Ganz entscheidend ist, dass wir den Weg der Wirtschaftsförderung, den wir jetzt eingeschlagen haben, konsequent fortsetzen. Das wir uns international stärker aufstellen, auch als Marke erkennbar sind, das wir noch stärker unsere positiven Potenziale herausstellen. Als Logistik-Standort ersten Ranges, als Wissenschaftsstandort, als eine Stadt mit Lebensfreude, eine Stadt mit einem Kultursektor, der immer noch einen hohen Stellenwert hat. Auch wenn da manches jetzt verbesserungsbedürftig ist. Das sind alles Faktoren, wo es notwendig ist, diese besser nach außen zu präsentieren.

Die Investoren schauen auf bestimmte Hardwarefaktoren, wie etwa weit sind die nächsten Kundenkreise entfernt, wie funktioniert das Autobahnsystem, das Güterverteilsystem. Da sind wir sehr gut aufgestellt. Die fragen aber auch nach, wie ist das Bildungssystem aufgestellt, ist Köln da gut? Gibt es genügend qualifizierte Mitarbeiter für unsere Produktion oder unseren Dienstleistungsbereich, den wir hier einrichten wollen? Wir müssen intensiv ausbilden und in die Qualifikation unseres Nachwuchses investieren. Wir müssen mehr tun im Bereich der Ingenieure, der Naturwissenschaftler und Techniker. Das sind Berufszweige, die in Zukunft besonders intensiv nachgefragt werden. Da herrscht auch bundesweit ein Mangel, und jede Stadt, die da schon Vorkehrungen trifft, in der Grundschule, in den Gymnasien, in den Leistungskursen und die Kontakte zwischen Schule und Hochschule fördert, wird einen Vorsprung gegenüber den Anderen haben. Vorausgesetzt man ist in der Lage die Nachfrage der Unternehmen zu befriedigen. Wir brauchen mehr Ingenieure.

Unterstützen sie dann auch Projekte, wie etwa die Nacht der Technik?
Ja, auch das Odysseum geht in die richtige Richtung. Aber noch wichtiger ist mir die Tatsache, dass die Bereitschaft in den Schulen wieder da ist, Freude an Technik, den Naturwissenschaften, an Mathematik zu vermitteln. Diese Fächer sind bei uns eher ein wenig vernachlässigt. Die Region Köln ist europaweit der größte Chemiestandort, und wenn man dann sieht, wie viel Stunden in Chemie bei uns ausfallen, das darf nicht sein. Denn wir wollen unseren Nachwuchs ja gerade in der Region finden und halten. Da muss man mit der Bezirksregierung sprechen, dass wir eine gute und solide Lehre und Ausbildung garantieren können.

Sind Sie ein Freund der Verlegung des Fachhochschulcampus von Deutz nach Bayenthal?
Ja, es muss nur gleichzeitig ein Weg gefunden werden, dass das, was in Deutz zurückbleibt, auch genutzt wird, durch die Verlagerung zum Beispiel anderer Institutionen in diesen Bereich.

Sieht man sich etwa den Aufsichtsrat der Kölnmesse an, so ist dieser stark geprägt von lokaler Politprominenz. Müssten für so ein Gremium nicht mehr nationale und ausländische Persönlichkeiten gewonnen werden, die Werbung betreiben für den Standort Köln und in der Welt? Ihr größter Konkurrent um das Amt des Oberbürgermeisters, Peter Kurth, will nicht Aufsichtsratsvorsitzender der Kölnmesse werden.
Vom Grundsatz her ist die Kölnmesse wegen ihrer internationalen Ausstrahlung ein Türöffner gerade auch für die städtische Wirtschaftsförderung. Wenn der Oberbürgermeister, die Themen, neue Investoren gewinnen und vorhandene halten, zu den Schwerpunkten seiner Politik macht, dann muss er ganz eng mit der Messe verbunden sein. Die Messe hat ja viele Niederlassungen, wo sich internationale Kontakte entwickeln. Und deswegen wäre es fahrlässig für einen Oberbürgermeister, den Aufsichtsrat der Messe zu vernachlässigen. Ob man Vorsitzender ist oder nicht, dass ist eine andere Frage, aber der Oberbürgermeister muss sich dieser Möglichkeiten bedienen können. Zudem muss man sagen, ist es in vielen Bereichen gesetzlich vorgesehen, dass der Oberbürgermeister oder sein Vertreter dort im Aufsichtsrat vertreten ist.

Natürlich kann man darüber nachdenken, vereinzelt auch sachkundige Fachexperten hinzuzuziehen, aber man darf sich nicht der Illusion hingeben, es gäbe völlig interessenfreie Fachexperten. Auch Experten sind eingebunden in Netzwerke mit eigenen Interessen. Herr Kurth schlägt zum Beispiel vor, die Vertreter der großen Aussteller in den Aufsichtsrat der Messe zu berufen. Das ist eine Idee. Aber wenn man zum zweiten Mal draufschaut, ob das denn so sinnvoll ist, sieht man, dass die Interessen der Aussteller und der Messe nicht immer deckungsgleich sind. Die Aussteller wollen zum Beispiel zunehmend Showrooms. Die wollen nicht mehr die Messehallen nutzen oder nicht mehr in vollem Umfang, sondern wollen in die Stadt hineingehen. Das ist zum Schaden der Messe, weil sie dann ihre Plätze nicht vermieten kann. Insofern muss man sich genau überlegen, nehme ich solch einen Vertreter, eines anderen Modellgedankens, in den Aufsichtsrat.

So gibt es viele Dinge die man mitbeachten muss. Entscheidend ist einfach nur, dass sind städtische Gesellschaften. Das sind unsere Töchter. Es ist Aufgabe des Rates, dafür Sorge zu tragen, dass diese Töchter positiv im Wettbewerb dastehen, aber gleichzeitig auch immer die Interessen der Stadt im Blick haben. Das kann man nicht so ohne weiteres auf Externe übertragen. Wir sehen das bei der GAG zum Beispiel, da möchte ich schon, dass die Interessen die wir hier haben, dass Wohnungsbau nicht nur das Verbauen von Steinen ist, sondern dass das Wohnumfeld, dass die soziale Integration mitberücksichtigt wird und dass dies auch auf Dauer erhalten bleibt. Wenn man nur Bauexperten beruft, die können vielleicht ganz tolle architektonische Vorschläge machen, aber entscheidend ist für uns, dass wir die soziale Komponente nicht vergessen.

Zum Thema Arbeitsmarkt. Wie kann man denn die Sockelarbeitslosigkeit senken, den Bildungsstand erhöhen und die Menschen langfristig in Beschäftigung bringen?
Wir brauchen ein exzellentes Schulsystem, um zu verhindern dass wir Schulabbrecher, oder junge Menschen ohne Schulabschluss haben. Die Frage ist, welche Möglichkeiten haben wir, die große Zahl der Langzeitarbeitslosen zu reduzieren. Wir brauchen ein breites Angebot an Beschäftigungsträgern, auch sehr unterschiedlichen Trägern, die gerade für die Wiedereingliederung von Arbeitslosen Angebote machen. Damit diese Menschen wieder regelmäßig an den Arbeitsablauf herangeführt werden, dass sie auch technisch und handwerklich weiter geschult werden. Hier müssen wir weiter ausbauen. Das können wir nur gemeinsam mit der Arbeitsagentur machen. Daher ist es sehr misslich, dass bei den 1 Euro Jobs, die Mittel um die Hälfte gekürzt worden sind. Ich persönlich halte die 1 Euro-Jobs für einen sehr guten Weg, zumindest einen Teil der Langzeitarbeitslosen, wieder in die Betriebe einzugliedern. Ansonsten ist es notwendig, durch verpflichtende Weiterbildung dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen ihr Wissen und Können auf dem Laufenden halten, dass sie etwa Computerkurse belegen.

Das städtische Internetunternehmen Netcologne hat viele Kabel gelegt. Hardwaretechnisch scheint Köln gerüstet zu sein, auch wenn Wettbewerber die monopolistische Kölner Situation kritisieren. In anderen Bereichen der Internetindustrie nimmt Köln keinen Spitzenplatz in einer der Schlüsselindustrien des 21 Jahrhunderts ein. Wie Internetaffin sind Sie?
Ich benutze natürlich das Internet, bin jetzt aber nicht jemand, der vier oder fünf Stunden lang surft und versucht, alle möglichen Informationskanäle für sich in Anspruch zu nehmen. Aber wenn man sich meine Homepage ansieht, dann sieht man, dass ich da auf dem Laufenden bin. Auch was Facebook oder Twitter angeht. Dort up to date zu sein, ist im Augenblick etwas schwierig, weil ich viel unterwegs bin. Also ich halte das Internet schon für ein wichtiges Informationsmedium, da geht heute kein Weg mehr dran vorbei. Daher ist es umso wichtiger, dass wir breite Bevölkerungsschichten, auch die ältere Bevölkerung, aber auch allen Arbeitslosen, die Chance bieten müssen, daran teilzuhaben. In den letzten 20 Jahren hat sich eine neue Welt entwickelt und wer da nicht mitspielen kann, der ist letztlich ein Analphabet in diesem Bereich. Deswegen muss man die Angebote, was Internetnutzung und Internetkompetenz anbelangt, verbreitern. Attraktive Angebote zur Kompetenzvermittlung könnten über Volkshochschule formuliert werden.

Ein Thema das gerade die jüngsten Internetnutzer brennend interessiert. Wie stehen Sie zur Internetzensur?
Ja ich glaube schon, dass die junge Generation einen ganz anderen Zugang zu den neuen Medien hat, als wenn man schon ein wenig älter ist und nicht unmittelbar damit groß geworden ist. Es sind ja Erfahrungen, die die junge Generation gesammelt hat, wie die der freien und unbeschränkten Zugänglichkeit, selbst bis zu Missbrauchsmöglichkeiten. Aber eben auch die Freiheit von allen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Das ist ein ganz hohes Gut, das ist eine tolle Erfahrung, die es früher nicht gab, da musste man sich Bücher besorgen, die waren oftmals nicht verfügbar, oder Literatur war sogar gesperrt. Diese Freiheit muss man sich erhalten, dafür muss man kämpfen, und ich finde gut, dass es eine solche Diskussion gibt. Es darf nicht sein, dass es jetzt wieder Instanzen gibt, die meinen, sie müssen kontrollieren. Wir sehen wohin das führt in totalitären Staaten, wie China oder zuletzt im Iran, wo man immer wieder versuchte, die weltweite Kommunikation zu unterbinden. Wir müssen natürlich auch darüber nachdenken, wo sind Grenzen. Das muss man sehr sorgfältig machen, dass nicht etwa durch die Hintertür Kinderpornographie andere missliebige Seiten, die einem nicht gefallen, gesperrt werden. Es muss eine Schnittstelle geben zum Schutz von Menschen und es darf nicht sein, dass man etwa den Markt der Kinderpornografie erst durch das Internet richtig fördert.

Ganz Köln lobt sich im Kulturbereich und den Kulturwirtschaftsbericht, sogar ihr Kanzlerkandidat Frank Walter Steinmeier gab an, ihn gelesen zu haben. Wie wollen Sie Köln wieder zu einem Hotspot machen, der die kreativsten Köpfe anzieht und nicht, wie zurzeit nach dem Studium in die weite Welt verliert? Ist nach Ihrer Auffassung die Kölner Kulturszene gut in sich vernetzt, oder sehen Sie hier Potential auch in Bezug auf die Hochschulen?
In der kulturellen Ausstrahlung ist Köln durchschnittlicher geworden. Wir haben vieles an Berlin, aber auch an andere Städte verloren und müssen sehen, dass wir da wieder aufholen. Wir brauchen wieder Leuchtturmprojekte, um ganz vorne mitzuspielen, damit die Aufmerksamkeit sich wieder stärker auf Köln fokussiert. Ich habe den Eindruck, die Kölner Kulturszene ist schon ganz gut vernetzt, wenn ich an die Veranstaltung Köln-Convent denke. Da war eine große Zahl von Kunstschaffenden anwesend, und das zeigt, dass da doch ein hohes Interesse besteht. Selbstverständlich kann man das eine oder andere Netzwerk noch verbessern. Ich spüre auch, dass die Künstler sagen, wir müssen uns wieder mehr einbringen, in die Stadtpolitik, in die Kulturförderung, in die Kulturentwicklung. Sie haben sich lange Zeit zurückgehalten und diese Bestrebungen muss man nun offen aufgreifen. Das finde ich wunderbar und damit muss die Politik jetzt ganz positiv umgehen.

Köln ist geprägt von konventioneller Energie und Umweltpolitik. Der Müll wird unter Einsatz fossiler Energie verbrannt, Solarenergie kaum gewonnen. Beim Individualverkehr setzt man mit der Umweltzone eher auf Verbote als innovative Ideen aufzugreifen. Wollen Sie wenigstens Pilotprojekte auf kommunaler Ebene aufgreifen, um hier Köln voranzubringen?
Wir sind auch hier ein bisschen abgehängt worden, wenn man andere Städte wie Karlsruhe oder Freiburg sieht, wie weit die in ihrer Entwicklung sind. Auch gegenüber München, wo man sich klare klimapolitische Ziele gesetzt hat, hinkt Köln hinterher. Im Themenbereich der Energieeffizienz, auch in der Ausnutzung regenerativer Energien, da müssen wir besser werden. Da passiert zu wenig. Wir müssen da mit unseren städtischen Gebäuden ganz nach vorne kommen, da haben wir noch nicht allzu viel zu bieten, insbesondere was Photovoltaik anbelangt. Wir müssen die Unternehmen, die sich bei uns ansiedeln wollen und die Produkte oder Dienstleistungen rund um die regenerativer Energien anbieten, noch stärker fördern. Wir müssen Anreize schaffen, etwa diese Unternehmen auch stärker mit der Fachhochschule und der Universität vernetzen. Und wir müssen uns als Stadt Köln selbst eine klimapolitische Zielsetzung geben. Wann und in welchem Umfang wollen wir die neuen Energien, gemeinsam mit Kraft-Wärme-Koppelung, mit Erdwärme, mit Solaranlagen nutzen?

Wir müssten natürlich auch als Automobilstadt sehr stark daran interessiert sein, neue Formen der Antriebe von der Brennstoffzelle über Elektromotoren oder Hybridantriebe, voran zutreiben und den Namen Kölns damit verbinden. Bei Ford ist es so, dass man dort nicht so sehr die Entwicklung des Elektroautos forcieren möchte, bei Toyota ist das anders. Wir müssen schauen, was machen andere Länder. In Frankreich etwa gibt es eine Vielzahl von Elektrotankstellen so dass wir auch da aufpassen müssen, nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wir brauchen in diesem Bereich eine entsprechende Infrastruktur, die man langsam entwickeln muss, da die Nachfrage auf alle Fälle kommen wird.

Würden sie ein Elektro-Dienstfahrzeug nutzen? Einen Radius von 100 Km schafft man und in der Innenstadt darf man ja auch nicht 180 km/h fahren?
Ja das wäre für mich da ich auch sowieso kein Raser bin überhaupt kein Problem ein Elektrofahrzeug oder ein Hybridfahrzeug als Dienstwagen zu nutzen. Hybrid gar kein Problem, die sind auf dem Markt. Ein Elektrofahrzeug, wenn es dann angeboten wird, dass wäre doch ein tolles Beispiel für einen Oberbürgermeister der sich da kümmert.
 
Herr Roters, wir danken Ihnen für Gespräch

Das Gespräch führten Cornelia Schlösser und Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung