Die Staatsanwaltschaft begründet die Einstellung des Verfahrens mit einer detaillierten Schilderung der Vorgänge am 16.11.2007 am Georg Büchner Gymnasium: Nach den Ermittlungen, insbesondere den intensiven, teilweise mehrfachen zeugenschaftlichen Vernehmungen – unter Leitung des zuständigen Staatsanwalts – der an den Gesprächen in der Schule Beteiligten, konnte folgender Sachverhalt festgestellt werden:

Am 16.11.2007 um die Mittagszeit führten der stellvertretende Direktor und der Oberstufenleiter mit dem Schüler ein Gespräch über die von ihm in seinem Internetprofil eingestellten Bilder des Amoklaufs von Columbine. Da nach der Unterredung aus Sicht der Lehrer weiterer Handlungsbedarf bestand, wurde ein zweites Gespräch nach der sechsten Schulstunde vereinbart. Hierzu wurden von der Schule die zuständigen polizeilichen Ansprechpartner des örtlichen Bezirksdienstes hinzugezogen, wobei einer der Polizeibeamten für sog. Gefährderansprachen besonders geschult war. Zunächst wurde ein Ausdruck des Internetauftritts des Schülers erörtert. Im allseitigen Einvernehmen wurde sodann in Anwesenheit der Polizisten ein Lehrer/Schüler-Gespräch geführt.

Anschließend hielten die Polizeibeamten, wie zuvor mit ihrem zuständigen Fachkommissariat und ihrer Direktionsleitung abgesprochen, die Gefährderansprache in Abwesenheit der Lehrer. Hierbei handelte es sich nicht um eine Beschuldigtenvernehmung, sondern um eine präventiv-polizeiliche Maßnahme. Zudem war geplant, auf freiwilliger Basis im Zimmer des Schülers Nachschau zu halten.

Die ca. zehnminütige Ansprache verlief auf sachlicher Basis. Nach Einschätzung der Polizeibeamten ergaben sich dabei keine Anhaltspunkte für eine begangene oder geplante Straftat. Der strafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getretene Schüler zeigte sich einsichtig und erklärte sich bereit, die Bilder zu löschen. Er lehnte aber das Angebot der Polizei ab, ihn nach Hause zu begleiten, um „einen Blick in sein Zimmer zu werfen“. Nach Rücksprache mit der Direktionsleitung sahen die Polizeibeamten zu weiteren Maßnahmen keinen Anlass. Damit war die Gefährderansprache – etwa gegen 13.55 Uhr – beendet.

Die Beamten unterrichteten anschließend die Lehrer über den Verlauf der Ansprache. Während dessen verließ der Schüler die Räumlichkeiten und sagte, er gehe zur Toilette. Dies erklärte er auch den beiden vor dem Sekretariat wartenden Mitschülern, die ihn zu dem Gespräch mit der Schulleitung begleitet hatten.

Nach seiner Rückkehr wollten die Lehrer, wie zuvor mit den Polizeibeamten abgestimmt, in seiner Anwesenheit mit den Eltern ein Telefonat führen. Da er nicht zurückkehrte, hielt ein Polizist im Flurbereich kurz nach ihm Ausschau. An der anschließenden, etwa drei- bis fünfminütigen Suche im Gebäude beteiligten sich die Polizeibeamten nicht mehr. Nachdem sie die Schule verlassen hatten, informierte ein Lehrer die Mutter des Schülers über die geführten Gespräche und seine in Kürze zu erwartende Heimkehr.

Wann genau und auf welchem Wege der Schüler das Schulgelände mit seinem Fahrrad – unter Zurücklassung seiner Schultasche – verließ, konnte nicht geklärt werden. Um 14.14 Uhr kam es zu der tragischen Selbsttötung.

Die unterschiedliche Bewertung der an den Gesprächen beteiligten Lehrer und Polizisten, unter welchen Umständen der Jugendliche die Schule verließ, lag offenbar darin begründet, dass sie ihre Aussage auf die jeweilige berufliche Tätigkeit bezogen. So hat nach Einschätzung der Lehrer der Schüler das Gespräch vor dem Ende verlassen (sie beabsichtigten noch ein Telefonat in seiner Anwesenheit mit den Eltern zu führen). Aus Sicht der Polizeibeamten hat er sich aber nach Abschluss des Gesprächs entfernt (die Gefährderansprache war beendet).

Nach übereinstimmenden Angaben der Lehrer und Polizeibeamten wurden dem Schüler weder schulische noch strafrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt. Sein Verhalten wirkte auf sie während der gesamten Zeit in jeder Hinsicht unauffällig. Es ergaben sich für sie zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Anzeichen für einen beabsichtigten Amoklauf oder für eine Suizidgefährdung, die im Übrigen auch den Eltern nicht bekannt war. Nach all dem ist im Umgang mit dem Jugendlichen keine strafrechtlich relevante Pflichtverletzung zu sehen. Seine Selbsttötung war für die Beteiligten nicht vorhersehbar.

Die Staatsanwaltschaft stellt abschließend fest, dass die Ermittlungen in dem gesondert geführten Verfahren wegen der Verabredung zu einem Verbrechen noch nicht abgeschlossen sind.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung