Köln | aktualisiert | Nach einem Medienbericht soll die Kölner Polizei ganze Bereiche der Kölner Innenstadt, Ehrenfelds, am Rheinufer oder Eigelstein als gefährliche Gebiete definiert haben. Die hat das über einen Sprecher bestätigt, will aber aus taktischen Gründen und weil man keinen Bereich stigmatisieren will, diese nicht nennen. Aber ist das unter Generalverdacht stellen von ganzen Stadtvierteln vom Landespolizeigesetz NRW überhaupt gedeckt?

Man erinnert sich an die Ausweisung von Gefahrengebieten in der Hamburger Innenstadt. Dies ist dort seit 2005 möglich. Kritiker stellen immer wieder die Frage ob diese Hamburger Eigenart mit der Verfassung vereinbar ist. Allerdings hat 2012 das Hamburger Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Hamburger Ausnahmegesetzes bestätigt. Hamburg hat damit in Deutschland eine Alleinstellung, indem es ganze Gebiete ausweisen kann. Dabei geht es darum, dass in diesen Bereichen die Polizei ohne Grund Personen kontrollieren kann.

Überdehnt die Kölner Polizei den Begriff „Ort“?

Aber wie ist das in Nordrhein-Westfalen und damit in Köln? Hier regelt das das Landespolizeigesetz und dort der Paragraph 12. Dies bestätigte das Innenministerium des Landes NRW auf Rückfrage von report-k.de. Dieser Paragraf beschäftigt sich mit dem Recht der Polizei in NRW die Identität eines Menschen festzustellen und wann dies in welchem Rahmen rechtlich möglich ist.

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Der Wortlaut des Paragrafen 12 des Landespolizeigesetzes NRW (kursiv gesetzt)

§ 12

Identitätsfeststellung

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,

1. zur Abwehr einer Gefahr,

2. wenn sie sich an einem Ort aufhält, von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

a) dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben,

b) sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen,

c) sich dort gesuchte Straftäter verbergen,

3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen oder diese Objekte gefährdet sind, und dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist,

4. an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um eine Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches, eine der in dieser Vorschrift genannten Straftaten oder eine Straftat nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) oder b), Abs. 2 Nr. 1, nach § 255 des Strafgesetzbuches in den vorgenannten Begehungsformen oder nach § 27 des Versammlungsgesetzes zu verhüten. Die Einrichtung der Kontrollstelle ist nur mit Zustimmung des Innenministeriums oder einer von diesem beauftragten Stelle zulässig, es sei denn, dass Gefahr im Verzug vorliegt.

<OL><LI>Die Polizei kann die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann die betroffene Person insbesondere anhalten, sie nach ihren Personalien befragen und verlangen, dass sie Angaben zur Feststellung ihrer Identität macht und mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Die betroffene Person kann festgehalten werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 3 können die betroffene Person sowie die von ihr mitgeführten Sachen durchsucht werden.

</LI></OL>

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Die Kölner Polizei kann also Orte definieren, wo sie vermutet dass Personen „ Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben“ und dort ohne Grund und Verdacht die Identität von jeder Kölnerin und Kölner feststellen. Sonst kann sie die Personalien nur dann feststellen, wenn ein Tatverdacht vorliegt.

Aber rechtfertigt dieser Passus, dass ganze Stadtviertel oder Straßenzüge, also Bereiche von der Kölner Polizei als gefährlicher Ort definiert werden, wie etwa der Eigelstein oder der Hohenzollernring zwischen Friesenplatz und Rudolfplatz oder ganze Teile von Ehrenfeld? Wo unbescholtene Kölnerinnen und Kölner shoppen oder das Nightlife genießen? Ist der gesamte Hohenzollernring ein Ort an dem Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt werden, wie etwa der Supermarkt wo die Innenstädter ihre Milch einkaufen?

Das es dort Lokalitäten – also einzelne Orte und ihr direktes Umfeld gibt – die temporär der Definition von gefährlichem Ort entsprechen können, dürfte unstrittig sein und auch, dass die Polizei diese temporär definieren kann, sollte und darf. Aber Generalverdacht und dann auch noch intransparent, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie sich sogar an einen solchen Ort begeben, wenn sie ins Kino gehen wollen oder zum Tanzen? Das Landespolizeigesetz legt die rechtlichen Rahmenbedingungen klar und deutlich fest und es spricht nicht von Stadtvierteln, Bereichen, Gebieten, Straßenzügen, Plätzen, sondern dezidiert von Orten und ihrem direkten Umfeld, im Unterschied zum Hamburger Gesetz.

Kölner Linke äußert starke Kritik

Die Linksfraktion im Rat der Stadt Köln äußert starke Kritik gegenüber der laut Medienberichten innerhalb der Kölner Polizei geführten Liste mit sogenannten „gefährlichen Orten“. Die Definition von „gefährlichen Orten“ ermögliche Willkür und Rassismus, so die Kölner Linke in einer schriftlichen Erklärung. Es gehöre zu den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates, so die Erklärung der Linken weiter, dass die Bürger nicht vor der Polizei „stramm stehen“ müssten. Deshalb sei selbst die Überprüfung der Identität („Ausweiskontrolle“) nicht jederzeit und beliebig durch Polizeibeamte möglich. Hier müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, denn normalerweise erfordere eine solche Kontrolle konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit. In einer unter Juristen durchaus umstrittenen Regelung im §12 des Polizeigesetzes werde dieses Prinzip dadurch aufgeweicht, so die Kölner Linksfraktion, dass an bestimmten Orten auch anlasslose Identitätskontrollen möglich seien.

Dazu erklärt der Kölner Fraktionsvorsitzende Jörg Detjen schriftlich: „Ich wusste nichts von diesen sogenannten Gefahrenzonen in Köln; der Polizeipräsident anscheinend auch nicht. Als ich Herrn Albers anlässlich einer umstrittenen Polizeiaktion in Hamburg danach fragte, versicherte er mir, das gäbe es in Köln nicht.“

Die Regelungen seien äußerst schwammig, besonders in Nordrhein-Westfalen, so die Kölner Linke. Das Polizeigesetz enthalte auch keine Regelung darüber, wer diese Orte wie bestimme. Nach einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers könne in Köln sogar jeder einzelne Polizist jederzeit jeden Ort als einen „gefährlichen Ort“ definieren und entsprechend handeln.

„Das ist geradezu eine Einladung zu Polizeiwillkür“, zitiert die Kölner Linke Detjen. Um Missbrauch zu verhindern, brauche man ein nachvollziehbares, transparentes Verfahren. Die Linke fordere die Polizei auf, so Detjen weiter, „die ‘gefährlichen Orte’ im Internet zu veröffentlichen und täglich zu aktualisieren.“

Problematisch sei auch, dass in diesen Gebieten auch Kontrollen von Personen stattfinden könnten, die erkennbar nichts mit dem Anlass der Erklärung zu gefährlichen Gebieten zu tun hätten. So seien etwa mit dieser Begründung in der Vergangenheit schon Flugblattverteiler am Rudolfplatz kontrolliert worden, so die Linke.

Jörg Detjen weiter: „Ich befürchte, dass mit dieser Regelung die ‘Gesichtskontrolle’ zunimmt und davon häufig Personen mit Migrationshintergrund betroffen sind. Wenn konkrete Anhaltspunkte keine Rolle mehr spielen, bleiben unbewusste Vorurteile als Bewertungsmaßstab einer Situation übrig. Das passt nach Birlikte, dem großen Fest gegen Ausgrenzung und Rassismus, nicht mehr nach Köln.“

Kölner Grüne verlangen Sondersitzung des Polizeibeirates

Auch die grüne Ratsfraktion kritisiert die Kölner Polizei: „Hier werden Stadtviertel wie der Eigelstein oder das Kulturprojekt Odonien an der Hornstraße auf unbestimmte Zeit zu gefährlichen Orten erklärt. Damit werden diese Stadtviertel und die dort lebenden Menschen und Besucher offenbar willkürlich öffentlich stigmatisiert. Ich bewerte dieses Vorgehen für rechtsstaatlich bedenklich und zudem belastend für den öffentlichen Ruf unserer Stadt.“, erklärte Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank schriftlich.

Dem Rat sei dieses polizeiliche Vorgehen nicht bekannt, so Frank weiter. Die grüne Ratsfraktion erwarte, dass die Polizei im Polizeibeirat, in dem auch Rat und Stadtverwaltung vertreten sind, die städtischen Vertreter eingehend informiere. Für die Klärung der näheren Umstände, polizeilichen Ziele und Kriterien für gefährliche Orte sei der Polizeibeirat das geeignete Gremium. Man beantrage seitens der Grünen daher die kurzfristige Einberufung des Polizeibeirates noch vor der Sommerpause, so Brigitta von Bülow, stellvertretende Vorsitzende des Polizeibeirats.

Eine bereits anberaumte Sitzung des Polizeibeirates sei kürzlich vom Polizeipräsidenten mit Verweis auf den neugewählten Rat abgesagt worden, so die Kölner Grünen. „Der amtierende Polizeibeirat ist so lange im Amt, bis der Rat voraussichtlich in seiner Sitzung am 2. September seine Mitglieder neu wählt. Es gibt also keinen Grund, nun untätig zu sein.“ so die Kritik von Bülows.

Autor: Andi Goral