Es ist bitterkalt, das riesige Logo der Kölnmesse taucht die kiesige Brachfläche in ein gespenstisches Licht. Eine Werbekampagne an dem einzeln stehenden Haus ist grell erleuchtet und versucht witzig zu sein. Die Fenster des Hauses sind zugemauert, in Stockwerk 1 und 2. Ganz oben brennt seit heute Abend wieder Licht. Ein Mann hängt weiße Tücher als Vorhänge auf. Das Haus an der Deutz-Mülheimer-Straße ist besetzt und keiner merkt es. Denn es hängen keine Transparente an dem Haus. Unten in der Gaststube sitzen die Besetzer zusammen trinken Kölsch und erzählen, warum sie das Haus besetzt haben.

Es geht um Rosemarie Rüdiger, die Wirtin der Gaststätte zur Post. Das Wirteehepaar hatte dem Irrsinn von Abriss, Besetzung und vielem mehr getrotzt, bis Günter Rüdiger an seinem Krebsleiden verstarb. Auch Rosemarie ist krank. Ihr ganzes Lebenswerk kaputt. Der Tresen halb zerstört, das jetzige Interieur erinnert an eine gutgehende gutbürgerliche Gaststätte. Vor der Tür zur Küche stehen schwarze Pantoffel, sie erinnern an die Macherin. Auf einem Spiegel steht "Wo mir sin is Kölle" an der Wand hängt ein aktueller Messeplan. Rosi ist weg, sie lebt in Kalk. Die Hausbesetzer haben Rosemarie Rüdiger beim Umzug geholfen. Am Freitag muss Rosemarie Rüdiger die Schlüssel beim Liegenschaftsamt der Stadt Köln abgeben. Dann ist die Gaststätte zur Post Vergangenheit, die Hausbesetzer rechnen damit, dass der Eigentümer die Stadt Köln schnell abreissen wird, um das Symbol zu beseitigen.

Rosemarie ist jetzt Mitte 50 hat ein Herzleiden. Rosemarie Günter hätte gerne bis zu ihrer Rente in der Gastronomie gearbeitet, in ihrer Kneipe, die das Ehepaar liebevoll selbst hergerichtet hat. Jetzt hat Rosemarie gar nichts mehr. Keine Abfindung, keine Umzugsbeihilfe, ihr Leben ein Scherbenhaufen. Im Beschwerdeausschuss der Stadt Köln so erzählen es die Hausbesetzer habe man mündlich zumindest zugesichert, den Umzug zu bezahlen. Sie fordern für "Rosi" wie sie die Wirtin liebevoll nennen eine Entschädigung für ihr zerstörtes Gewerbe, damit sich Rosemarie an einer anderen Stelle wieder eine kleine Existenz aufbauen kann. Zwei Briefe habe man schon an Dr. Walter-Borjans, den Wirtschaftsdezernenten, der auch für die Liegenschaften zuständig ist, geschrieben, ohne Erfolg. Mit ihrer Aktion wollen sie gegen dieses Unrecht protestieren. Sie fordern eine Entschädigung für Rosemarie Rüdiger, für ihr Gewerbe, den Umzug.

In der verlassenen Gaststube erzählt und spricht man über die Grundidee des Barmer Viertels und den Sinn von Genossenschaften und Solidarität, die Heimat bedeuten kann und was es bedeutet, wenn einem diese genommen wird. Man kann es immer noch nicht fassen, dass die Stadt Köln die Häuser hat abreissen lassen und jetzt den "teuersten Parkplatz" der Republik besitzt. Man kann es nicht fassen, was mit dem Wirte-Ehepaar geschah und warum die Stadt Köln noch nicht einmal bereit ist eine Entschädigung zu leisten. Im Haus ist es mollig warm, Strom, Wasser und Heizung funktionieren, anders als in den abgebrochenen Häusern die hier einmal standen.

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Aktualisiert 29.11.2007, 13:25 Uhr // Seit heute Mittag flattert ein Transparent an der Gaststätte zur Post: "Besetzt". Streifenwagen patroullieren immer mal wieder rund um das Gebäude, Polizisten machen Fotos. Nach Aussage der Besetzer hat die Stadt Köln Strafantrag gegen die Besetzer gestellt und will heute noch räumen lassen. Um das Transparent zu befestigen haben die Besetzer Steine aus den zugemauerten Fensteröffnungen herausgenommen, die auf die Straße fielen. Den dabei anfallenden Bauschutt hat man wieder sauber entsorgt. Heute morgen wollte man mit dem Kölner Wirtschaftsdezernenten Dr. Walter-Borjans sprechen, der auch für die Kölner Liegenschaften zuständig ist. Der hatte allerdings Termine, sein persönlichen Referent signalisierte aber Gesprächsbereitschaft, so die Hausbesetzer. Nach Aussagen der Kölner Polizei ist noch kein Strafantrag eingegangen und auch die Stadt Köln bestätigt heute Mittag, dass man noch keinen Strafantrag gestellt habe. Allerdings erwägt man dies zu tun. Die Stadt bestätigte auch, dass das Haus im Eigentum der Stadt Köln ist und dort ein Pachtvertrag bestand.

Aktualisiert 30.11.2007: Gestern am frühen Abend gegen 17:30 Uhr räumte die Kölner Polizei das Haus an der Deutz-Mülheimer-Straße. Die Initiative Barmer Viertel gibt an, dass Liegenschafts-Dezernent Dr. Norbert Walter-Borjans eine persönliche Anordnung dazu erteilt hat.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung