Alkoholsucht – ein weitverbreitetes Problem
Nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahr
e.V.(DHS) besteht bei circa vier Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung eine behandlungsbedürftige Alkoholabhängigkeit. Ein bedenklicher Umgang mit Alkohol bzw. das drohende Abrutschen in die Sucht lässt sich bei ca. zehn Prozent der Bevölkerung annehmen. Für Köln wären das rein rechnerisch 40.000 alkoholabhängige und etwa 100.000 suchtgefährdete Menschen. Bei der Medikamentenabhängigkeit darf in Köln von etwa 14.000 betroffenen Menschen ausgegangen werden.

Mit diesen Zahlen eröffnete Sozialdezernentin Marlis Bredehorst die Pressekonferenz. Sie führte weiter aus, dass der Alkoholkonsum insbesondere in einer Stadt wie Köln ein schwieriges Thema sei. Immerhin stünde die ausgeprägte Kölner Feierkultur in einem engen Bezug zum Kölsch-Bier. Für Bredehorst damit offensichtlich: "Sich hier dem Alkohol zu entziehen, ist nicht einfach." Beschäftigen sich die Medien in letzter Zeit häufig mit einigen jugend-spezifischen Formen übermäßigen Alkoholkonsums – wie etwa dem "Koma-Trinken" – und dramatischen Todesfällen in diesem Zusammenhang, bleibe das tägliche Leid von Alkoholikern und Tablettensüchtigen im Hintergrund. "Wenn Sie mich fragen, ist die Alkoholsucht tatsächlich das größte soziale Problem, was wir in der Bundesrepublik haben."

Neue Suchtberatungsstellen in Mülheim und Porz
Die drei bestehenden linksrheinischen Anlaufstellen für suchtkranke
und -gefährdete Menschen in Köln wurden im letzten Jahr um zwei rechtsrheinische Beratungseinrichtungen ergänzt, deren niedrigschwellige Hilfsangebote nun erste Wirkung zeigen. Im Gegensatz zu den innerstädtischen Beratungsstellen, die von Betroffenen hauptsächlich aktiv und in Eigeninitiative aufgesucht werden, sollen die neuen Stellen in Mülheim und Porz ein Angebot für weniger mobile, weniger motivierte Betroffene sein. Wie Helga Blümel von der Diakonie Köln und Region ausführte, gehe es hier um das Knüpfen sozialer Netze, um auch über  indirekt Betroffene – also Freunde, Familienangehörige und Arbeitskollegen – die Alkoholabhängigen zu erreichen. Über die Anlaufstellen können Menschen mit Alkoholproblemen dann Zugang zu Selbsthilfegruppen finden und an Therapie- und Entgiftungseinrichtungen vermittelt werden. Es sollen Türen geöffnet, ein Einstieg ins Hilfssystem ermöglicht werden.
Die hohe gesellschaftliche Relevanz sieht Blümel dabei in der
Tatsache begründet, dass Alkoholabhängigkeit sich im Umfeld von diversen sozialen Problemsituationen wie etwa innerfamiliärem Missbrauch aufzeigen lässt: "Eigentlich überall, wo Probleme vorhanden sind, steht Alkohol im Hintergrund."

Verstärkte Zusammenarbeit mit der ARGE
Seit Ende 2005 läuft des weiteren ein Projekt unter Federführung
der ARGE, das es den Fallmanagern der ALG II-Empfänger ermöglicht, ihre Kunden im Bedarfsfalle direkt den Beratungsstellen zuzuweisen. Der Geschäftsführer der ARGE Köln, Klaus Müller-Starmann, betonte, dass es dabei zuerst auf die Einsicht des jeweiligen Betroffenen ankomme. "Wir müssen ihn dazu bringen, seine Situation wahrzunehmen." Mit dem Druck drohender Mittelkürzungen könnten ALG II-Empfänger mit Alkoholproblemen dann dem Hilfssystem zugeführt werden.

Für den erfolgreichen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt wird ab April dieses Jahres zusätzlich die Möglichkeit offen stehen, die Brutto-Personalkosten der Arbeitgeber mit bis zu 75 Prozent bezuschussen zu lassen. Allerdings werde eine solche weiterführende Hilfestellung in jedem Einzelfall einer kontinuierlichen Überprüfung durch die ARGE unterliegen.

Die wichtige Rolle der Selbsthilfegruppen
Nicht nur beim Einstieg in das Hilfsangebot spielen die gut 90
Kölner Selbsthilfegruppen für alkoholabhängige Menschen eine wichtige Rolle. Gerade auch nach einer erfolgreichen Entgiftung und Therapie müssen die Betroffenen von einem verständnisvollen sozialen Netz aufgefangen werden, wie Dr. Helmut Berger vom Gesundheitsamt ausführte. Das Rückfallrisiko müsse gemindert und die Re-Integration in das familiäre Umfeld begleitet werden.
Aber auch Kinder und Jugendliche aus einem Elternhaus mit
Alkohol-Hintergrund bedürfen noch verstärkter Zuwendung, um eine Weitergabe des Alkoholismus von Generation zu Generation zu verhindern. In der Zukunft sollen, so Helga Blümel, auch für sie Gruppen zur Verfügung stehen, in denen sie mit ihren im täglichen Leben oftmals verschwiegenen Problemen ein offenes Ohr finden.
Abschließend wies Dr. Berger auf die wichtige Rolle des Umfelds
alkoholkranker Menschen hin. Wegschauen sei der falsche Weg. Seiner Meinung nach müssen Betroffene von ihrem Umfeld aktiv mit ihren Problemen konfrontiert und zum Besuch der zur Verfügung stehenden Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen ermuntert werden: "Man tut keinem Abhängigen oder Menschen auf dem Weg in die Abhängigkeit einen Gefallen, wenn man ihm hilft, sein Problem zu vertuschen."

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INFOBOX
Kölner Beratungsstellen für alkohol- und medikamentenabhängige
Menschen:
Diakonisches Werk Köln und Region
Brandenburger Straße 23, 50668 Köln, Tel.: 0221 / 1603873
Graf Adolfstraße 22, 51065 Köln-Mülheim, Tel.: 0221 / 3565060-1/-2

Sozialdienst Katholischer Männer e.V.
Große Telegraphenstraße 31, 50676 Köln, Tel.: 0221 / 20740
Goethestr. 7, 51143 Köln-Porz, Tel.: 02203 / 95536-0

Blaues Kreuz in Deutschland e.V.
Piusstraße 101, 50823 Köln, Tel.: 0221 / 527979


Fabian Sieg für report-k.de / Kölns Internetzeitung