Die Revolution an ihrem Wendepunkt: Büchners Drama
Georg Büchner, dessen Werke zwischen Klassik und Romantik stehen und der Epoche des politisch engagierten „Vormärz“ angehören, schrieb sein Revolutionsdrama 1835 im Alter von nur 22 Jahren. „Dantons Tod“ war sein erstes von insgesamt drei Bühnenwerken. Eine desillusionierte Grundhaltung wird dabei von aufrichtiger revolutionärer Begeisterung kontrastiert. Da Georg Büchner sich auf historische Quellen bezog und zu einem großen Teil Originalreden der Revolutionäre verarbeitete, gilt das Stück als Vorläufer des sehr viel später populär werdenden Dokumentartheaters. Die Figur des passiven Helden Danton ist Zweifler und Genussmensch zugleich und vereint in ihrem pessimistischen Denken politische mit existentieller Tragik.

Die Handlung findet statt im Jahr 1794 als die Schreckensherrschaft nach der Französischen Revolution auf ihrem Höhepunkt war und sich die unterschiedlichen Parteien längst verfeindet hatten. Während Robespierre das Konzept einer Terrorherrschaft verfolgt, beabsichtigt Danton und sein Kreis eine gemäßigtere Neuordnung des Staates. Obwohl er weiß, dass er festgenommen werden soll, bleibt Danton in Paris. Sein eigener Tod scheint ihm selbst unausweichlich zu sein. Zuletzt wird Danton zusammen mit seinen Anhängern hingerichtet.

Gelangweilte Turnübungen: Die Inszenierung von Laurent Chétouane
Eine mit weißem Tuch verhüllte Bühne erinnert an eine Verhüllungsaktion Christos. Auf dem linken Rand ist eine Guillotine zu sehen und gegenüber drei Mikrophonständer, deren Funktion man beliebig deuten kann. Auf dieser weitgehend leeren Bühne hampeln acht Personen herum und sagen dabei ihre Sätze auf. Bei einer solch belanglosen Turnerei kann der Zuschauer Verhaltenstherapie im Sinn haben oder Ausdruckstanz an der Volkshochschule. Er kann auch an irgendetwas anderes denken, ganz bestimmt aber nicht an ein Drama von Büchner.

Da sie einen großen Raum einnimmt, scheint die Bewegungschoreographie für diese Inszenierung sehr wichtig zu sein. Schade nur, dass alles austauschbar und beliebig  daherkommt, dass sich weniger inspiriertes Tanztheater kaum vorstellen lässt. Da zudem meist mehrere Personen gleichzeitig im Raum verteilt mit ihren Verrenkungen beschäftigt sind, wird von der eigentlichen Handlung zusätzlich abgelenkt. Man fragt sich in den zwei Stunden immer wieder, wie man auf eine solch idiotische Idee kommen konnte. Die Schauspieler wechseln darüber hinaus mehrfach ihre Rollen, was zur Folge hat, dass Charaktere als solche nicht mehr zu erkennen sind. Nach kurzer Zeit ist es dem Zuschauer ganz folgerichtig völlig egal, wer oder was auf der Bühne den Text spricht. Dass Hauptdarsteller Devid Striesow ein großartiger Schauspieler ist, zeigt sich ansatzweise in Monologen am Ende des Stückes. Aber leider hat man zu diesem Zeitpunkt längst vergessen, wer oder was Danton auf dieser Bühne sein soll.

Nichts ist schlimmer als blanke Langeweile
Theater muss mutig sein und unkonventionell, sollte sich um neue Perspektiven auf klassische Stoffe bemühen. In diesem Fall aber wird durch eine ganze Reihe von inszenatorischen Eingriffen Büchners Stück eher entstellt als interpretiert. Von einer inneren dramatischen Linie kann letzten Endes beim besten Willen keine Rede mehr sein. Noch nicht einmal eine Handlung ist zu erkennen. Und das soll dem Zuschauer als modernes Theater für teures Geld verkauft werden? Möglicherweise hat sich die Regie im Vorfeld tiefsinnige Gedanken gemacht. Aber leider ist am Ende davon auf der Bühne nichts zu sehen.  

Die Publikumsreaktionen fallen entsprechend aus: Immer wieder verlassen einzelne Zuschauer während der Premiere den Saal. Zuletzt fangen ein paar laute Buhrufe aus dem Publikum die Atmosphäre besser ein als das verhaltene Klatschen. Wenn also nichts beim Publikum angekommen ist außer Langeweile und Unverständnis, dann wäre es eine hervorragende Idee, einmal darüber nachzudenken, ob irgendetwas mit der Inszenierung nicht stimmt. Bei allem elitären Geschwätz über Dekonstruktion und intellektuellen Überbau ist eine Grundregel offenbar vergessen worden: Nichts ist schlimmer für eine Theaterinszenierung als blanke Langeweile. Genau das ist nämlich hier der Fall und zwar pausenlos und mehr als zwei Stunden lang. Chétouane ging bereits mit seiner Hamburger Bearbeitung von Büchners „Woyzeck“ spektakulär baden. Wie oft muss das noch passieren?

In der Regel steht hinter nahezu jeder Aufführung ein gehöriges Maß an Idealismus, so dass selbst weniger gelungenen Bearbeitungen immer noch Respekt entgegengebracht werden sollte. Was aber, wenn die Inszenierung wirklich ärgerlich ist? Was, wenn man sich über zwei Stunden lang fragt, in welcher Verhaltenstherapie man gelandet ist? Was, wenn hier scheinbar überhaupt nichts zu funktionieren scheint? In diesem Sinne beginnt das Theaterjahr 2010 am Kölner Schauspielhaus mit einer totalen Pleite, die zu unterbieten wirklich schwierig sein wird.

Infobox
Premiere: 16.1.2010    
weitere Aufführungen: 24.01., 28.01., 29.01., 01.02., 06.02., 07.02., 10.02.

Dantons Tod
von Georg Büchner
mit:Lisa Densem, Isabell Giebeler, Robert Gwisdek, Anna Macrae, Renato Schuch, Maik Solbach, Devid Striesow, Sigal Zouk
Regie: Laurent Chétouane
Bühne: Patrick Koch
Kostüme: Sanna Dembowski
Musik: Leo Schmidthals
Video: Anna Henckel-Donnersmarck
Licht: Jürgen Kapitein
Dramaturgie: Jan Hein    

Edgar Naporra für report-k.de/ Kölns Internetzeitung