Look & Feel um ein Vielfaches besser – aber wer kümmert sich um die inhaltliche Qualität?
Eines vorweg, alle haben sich mit ihren Präsentationen viel Mühe gegeben und die Abende werden immer professioneller. Tonprobleme, wie sie noch vor einigen Jahren gang und gäbe waren, sind ausgemerzt und man hat auch im Look & Feel Bereich viel dazugelernt und umgesetzt. Auch die Muuzemändelcher haben mit ihrer Matinee in der Wolkenburg, statt im Ostermannsaal des Sartory, einen Weitsprung hingelegt. Dennoch bleibt eine Mammutaufgabe bestehen, die nicht so leicht zu lösen sein wird, wie die Verbesserung von rein Äußerlichem, oder den gebetsmühlenartig vorgetragenen Appellen den Nachwuchs zu buchen. Nachwuchs kommt nur aus zwei Vorstellabenden in den letzten Jahren. Der Kajuja, wie etwa Querbeat, heute beim Stammtisch Kölner Karnevalisten oder dem Literarischen Komitee des Festkomitees Kölner Karneval. Dort stammen Marc Metzger, der Hausmann oder Schlabber und Latz her, allerdings hatten alle schon in der Region eine karnevalistische Karriere hinter sich, sind also adoptiert und keine kölschen Eigengewächse.

Die Mammutaufgabe die vor dem Karneval liegt wird deutlich, wenn man die Vorstellabende einordnet, in dem man ein wenig über den Tellerrand schaut. Die Top-Musikgruppen, die heute schon alle ihre Buchungen bis weit über 2012 hinaus in der Tasche haben und daher nicht mehr auf den Vorstellabenden zu finden sind, haben alle fast oder sogar schon das Rentenalter erreicht. Und auch der kölsche Schutzmann Jupp Menth, der von sich selbst sagt im "biblischen Alter" zu sein und beim Stammtisch-Präsentationsabend einen Top Auftritt hingelegt hat, ist zwar fit wie ein Turnschuh, aber eben auch nicht mehr der Jüngste. Das Publikum in den Sälen, wie die BCG Studie des Festkomitees ergeben hat, ist auch überaltert. Übrigens auch bei den Vorstellabenden überwiegt die Weißhaarfraktion. Da wundert es nicht, dass viele der Reden, der Zweigespräche und auch der Musikgruppen mit ihren Polka-Adaptionen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit ihren Schweigermutter-, Frauenwitzen oder in der Adenauerära Anzüglichkeiten verhaftet geblieben sind und dort immer noch auf fruchtbaren Boden fallen. Durch die Zusammensetzung des Publikums ist dies aber beileibe kein Spiegel der Zeit. Aber es fällt auch auf, wie beim Stammtisch Kölner Karnevalisten, dass wenn etwa die Domstädter, einen Partyknaller der Jetztzeit anspielen der Saal sofort mitgeht. Oder wenn man an die Vorstellung der Höppemötzjer denkt, die für die kommende Session superdynamische Tänze im Gepäck haben. Auch sie reißen die Weishaarigen im Saal von den Stühlen. In der außerkarnevalistischen Welt hat sich die Zahl der Beats per Minute mehr als verdoppelt, auch im Schlager und sogar in der Volksmusik. Das muss auch der Karneval begreifen und umsetzen, denn so wie sich auch viele junge Gruppen heute präsentieren, ist es so, als gäbe es heute noch Tatorte nur in Schwarz-Weiß mit Hans-Jörg Felmy. Mehr Mut zur Lücke, Orientiertheit am Hier und Jetzt, Themen der Zeit aufgreifen und die Jugend, damit meinen wir auch schon die 40-Jährigen begeistern, muss auf der To Do Liste für alle im Karneval Beteiligten stehen.

Aber wer bringt Neues in den Karneval und achtet auf Qualität?
Die Kajuja war bisher bekannt für Neues im Karneval, sie haben etwa Querbeat entdeckt, die einen zwar musikalisch nicht vom Saalstuhl reißen, dafür aber mit ihrer Show. Der Saal beim Vorstellabend der Kajuja war aber in diesem Jahr erschreckend leer, so wie auch beim Kreis rheinischer Karnevalisten. Beide setzen auf unbekannte Künstler, auch wenn bei beiden jedes Jahr ähnliche Protagonisten auf der Bühne stehen. Voll dagegen der Saal im Maritim beim Stammtisch. Dort präsentieren aber Größen wie Jupp Menth, die 2 Schlawiner, Blom un Blömcher oder die Klüngelköpp im Prinzip nur ihr neues Programm. Dort vertreten aber Einzelne die Meinung nicht für den Nachwuchs, sondern nur für die schon etablierten Künstler Hafen zu sein. Aber reicht es nur abzufischen? Dann bringt man etwa mit Schlabber und Latz und Botz und Bötzje zwei Männerzwiegespräche auf die Bühne, die um das gleiche Thema kreisen und vor allem in ihrer Art und Aufmachung ein jüngeres Publikum – gerade junge Frauen – eher abschrecken als begeistern. Die Musikgruppen aus der zweiten oder dritten Reihe, auch bei den Muuzen, besingen gerne die Wirtschaft an der Ecke, eine Institution, die in den 50er, 60er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Rolle spielte, aber heute? Oder die Familich, die ihre Moderation mit Toilettenbeobachtungen verbindet und dann auch noch Seniorinnen die Hände in den Himmel, die Brüstchen schwenken und mit dem Hintern wackeln lässt. Junge Menschen empfinden das als peinlich und es sieht nicht nur vulgär aus. Auch junge Mädchen einer Jugendtanzgruppe müssen nicht das noch nicht vorhandene Dekolleté wie Moulin Rouge Tänzerinnen vor alten Männern ausschütteln und die Kölner Heinzelmännchen ihre Frauen nicht auf den Kopf stellen und die Beine scherenartig auseinanderklappen lassen müssen. Das ist nicht ästhetisch und solche Einlagen ziehen oft andere gute Ansätze der Gruppen nach unten. Auch das bei manchen Vereinigungen Künstler nur deshalb auf die Bühne dürfen, weil sie dem Vorstand angehören, sollte im großen Rahmen der Vorstellabende überdacht werden. Hier ist dringend ein auf Qualität ausgerichtetes Feedback im Vorfeld nötig und eine Best of Präsentation, wäre manchmal auch besser als Nonstop ein stundenlanges Programm zu präsentieren und am Ende spielen die letzten Künstler vor einem fast gänzlich leeren Saal.

Die Herausforderung
Die Herausforderung könnte lauten mehr Mut zu einem diversifizierten Programm und einer Öffnung in alle Richtungen. Die jungen Musikgruppen müssen sich, wenn sie schon Schlager wie die kölschen Bengels singen, in Richtung des modernen Partyschlagers mit mehr Beats per Minute öffnen und nicht auf Hitparaden Niveau der 70er Jahre singen. Wo bleiben elektronische Einflüsse in der Musik? Die Redner müssen auch die Richtung Comedy mit mehr gutem und eigenem Witz berücksichtigen, wie es ein Cantz seit Jahren zelebriert. Die Literaten aber auch neuen Formen, wie einen Schmitz Backes mit seiner Zaubercomedy mal auf Veranstaltungen testen. Die politische Rede mit eigenen Kräften und nicht mal so nebenbei von Tenören vorgetragen, wie sie etwa eine Kölnische auf ihrer Harlekin-Gala etablieren will, muss gefördert werden, dies erhöht auch die gesellschaftliche Flughöhe und bringt neue Zielgruppen in den Karneval. Es reicht nicht in einer einzigen Veranstaltung, wie bei der Prinzenproklamation auf politische Kabarettstars wie Schmickler zurückzugreifen und die politische Rede würde auch manche Herrensitzung würzen.

Und wenn moderne Elemente noch nicht im Hauptsitzungsprogramm platziert werden können, dann müssen sie die Ränder beleben. Darauf darf man aber, wie viele Karnevalistenvereinigungen dies aktuell tun, nicht einfach nur warten, sondern muss dies von den eigenen Mitgliedern, aber auch durch eine Öffnung nach außen einfordern und fördern. Dies kann auch unter Umständen Geld kosten, das man aber wie man beim Klub Kölner Karnevalisten und beim Stammtisch Kölner Karnevalisten sieht, durch Veranstaltungen mit etablierten Künstlern und einer Vorschau auf deren Programm einspielen kann. Immerhin bekommt man einen Saal wie den des Maritim locker voll. Hier wären aber auch die Top Five Gruppen und Redner in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten und durch Auftritte auf Präsentationsabenden Geld für den Nachwuchs einzuspielen. Unter Umständen wäre auch die Gründung eines Fonds, eines Beirates oder Kuratoriums aus den Erlösen solcher Veranstaltungen sinnvoll, um nachhaltig und dauerhaft die inhaltliche und künstlerische Qualität im Kölner Karneval zu stärken. Eine Öffnung in Richtung Modernität und Qualität bedeutet zudem auch nicht zwangsläufig mit Traditionen zu brechen, wie Skeptiker immer meinen, sondern sich lediglich von allzu tradierten und in die Jahre gekommenen Gewohnheiten zu verabschieden und dazu gehören auf alle Fälle drittklassige Frauenwitze.

Die Frage nach den Impulsen für die Zukunft jetzt zu stellen, mag dem ein oder anderen vermessen oder zu früh vorkommen, betrachtet man aber die Zeitläufte bis eine Gruppe oder Redner, bis auf Ausnahmen wie Shooting Star Marc Metzger, den Marsch durch die Institutionen schaffen und wieviele dabei auf der Strecke bleiben, als durchaus gerechtfertigt erscheinen. Und die muss sich nicht nur ein Festkomitee stellen, sondern alle am Karneval Beteiligten, ob Gesellschaften, Künstlervereinigungen und Agenturen.

Fünf Vorstellabende im Oktober – Die Programme im Einzelnen:

Kajuja
Die kölschen Dillendöppcher
Kölsche Domputzer
Harry und Achim
Die Paraplüs
Die Rheinmatrosen der Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft
Schmitz Backes
Die Pänz vun Gereon
Cat Ballou
Knittler

Klub Kölner Karnevalisten
Luftflotte
Schlehbuscher
Zunftmüüs
Dellbröcker Boore Schnäutzer [Männerballett]
Marie Luise Nikuta
Feuerwehrmann Kresse
Achnes Kasulke
Beckendorfer Knallköpp
Martin Schopps
Linus [NEU beim KKK auf der Bühne, ansonsten seit Jahren in Köln als Moderator der Linus Talentprobe bekannt]
Klaus und Willi
Rabaue
Die Cöllner
Wanderer
Rheinländer
Fidele Kölsche

Literarisches Komitee
Kindertanzgruppe Große Allgemeine – Flöhe der KG Große Allgemeine von 1900 Köln e. V.
Tobias Eschweiler
Inken Wirths – "Et Marieche au Dellbröck"
Christian Macharski "Hastenraths Willi"
[NEU]
Hermann Rheindorf "Ne Schwaad-Lappe"
[NEU]
"Et Vingströschen"
Thomas Beys – "Präsident" [3 Jahre dabei]
Tino vom Taxi [3 Jahre dabei]
Kai Kramosta – Der Pfundskerl
[NEU]
Kölschraum
2 Jlöckspilze
Planet Kölle
Pallepapp
Angela Krüll

KrK
Hans Breuer
Tanzcorps Blau-Weiß Vilkerath
Die Butterflys
Närrische Kommissar
Altreucher
Blaue Jungs
Mr. Saxman
Kärnseife
Steinenbrücker Schiffermädchen
Der Een on der Anne
Die Knollis
De Froengde
[NEU]
Tanzcorps Rheinflotte

Stammtisch Kölner Karnevalisten
Original Tanzgruppe Kölsch Hänneschen
Kammerkätzchen und Kammerdiener
Knubbelefutz und Schmalbedaach
De Neppeser
Schlabber & Latz
De Stroßefäjer
De Höppemötzjer
Jupp Menth – "Ne kölsche Schutzmann"
Klüngelköpp
Die 2 Schlawiner
Domstädter Köln
Querbeat
Botz un Bötzje
Blom un Blömcher
Jürgen Beckers – "Ne Hausmann"
Kölsche Bengels
Cheerleader 1 FC Köln
Lutz Kniep – "Dä Mann met dr Trööt"

Muuzemändelcher
SakkoKolonia
Kinder und Jugendtanzgruppe der Hellige Knäächte und Mägde (Rot)
Kölsch em Ovendkleid
De Familich
[NEU]
Duo "Alles Paletti"
Pänz vun Gereon
Die 2 Jeflappte
KölschKonfekt
Die Putzfrau vum Rathus
De Heinzelmänncher zo Kölle
F.P. Neu & Fründe
[NEU]
Dä kölsche Angler
[NEU]
Die BlechHarmoniker
Poppelsdorfer Schloss-Madämchen und Schloss-Junker
Labbes on Drickes [NEU]

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