Brings auf der gigantischen Bühne


 


Mit Abstand die größte Bühne, das pompöseste Ambiente, die SPD in Köln ließ sich den Auftritt ihres Parteichefs etwas kosten. Nobel, nobel und professionell. So ganz paßte das natürlich nicht zur Diskussion, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen und zur Kapitalismuskritik, eine kleinere Bühne für den Auftritt eines Mannes und ner Band wie Brings hätte es auch getan und vielleicht hätte man das Geld besser in ein soziales Projekt gesteckt.


 



Protest: Hartz VI Gegner auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der KVB Haltestelle


 


Bekanntes, aber nachhaltig und kämpferisch vorgetragen. Natürlich in der Flughöhe Berliner Luft, mit einem Hauch Sauerland. Auf das, seine Wurzeln bezog sich Franz Müntefering immer wieder und baute so immer wieder eine Brücke zwischen Jung und Alt. Zwischen seiner Jugend in der Schule und dem Versprechen der SPD mehr für die Bildung zu tun und vor allen Dingen am Konzept der Gesamtschulen festzuhalten. Zudem soll die Ganztagsschule flächendeckend eingeführt werden. Das Studium soll gebührenfrei bleiben, der Bafög erhalten bleiben.


 


„Das ist auch gut so“, lobte Müntefering sich, die Arbeit der Bundesregierung und der jetzigen Landesregierung ein ums andere Mal. Für mehr Verständnis unter den Generationen warb Müntefering, die Rentner sprach er hier direkt an, verzichten sie auf mehr Rente, dann ist das eine Investion in die Enkel. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie will die SPD fördern. Mehr KITA-plätze für unter dreijährige Kinder. Gleiche Chancen für Frauen.


 


Direkt ging er Jürgen Rüttgers an. Peer Steinbrück muss sich keine Ratschläge wie Rüttgers bei der CDU, bei Stoiber holen, kanzelte Müntefering den Bayernbesuch des CDU Spitzenmannes ab. Vor allem solle Stoiber sich auch mit guten Ratschlägen zurückhalten. Schließlich habe gerade NRW den Bayern im Rahmen des Länderfinanzausgleichs jahrelang Geld bezahlt und erst das, so Müntefering habe die erfreulichen und zugegebenermassen positiven Entwicklungen in Bayern mitfinanziert. Da brauche man aus Bayern keine guten Ratschläge.


 






Eine Botschaft war Müntefering besonders wichtig: „Der Peer kann das!“ Zugeschnitten auf den Persönlichkeitswahlkampf des amtierenden Ministerpräsidenten Peer Steinbrück gabs klare Unterstützung vom Parteichef. Die zweite klare Botschaft war der ausgesprochene Wunsch „alle an Arbeit und Beschäftigung“ zu bekommen, durch fördern, aber eben auch durch fordern, direkte Anspielung auf Hartz IV. Das rief natürlich den Trötenmann auf der anderen Straßenseite auf den Plan.


 


Zu seiner Kapitalismuskritik bezog Müntefering eindeutig Stellung. Er zitierte Henry Ford „Autos kaufen keine Autos“, das Thema Lohndumping und die Klagen der Wirtschaft über die fehlende Binnenkonjunktur. Gerechte Löhne fordert Müntefering, einen gerechten Anteil an dem was erwirtschaftet wird, das ist ökonomisch sinnvoll und nicht nur sozialpolitisch. Es kann nach den Worten Müntefering nicht sein, daß ein Manager 500 mal so viel verdient wie einer seiner Angestellten. 500 mal soviel mehr kann ein Einzelner gar nicht leisten, das ist ungerecht. Genau in das gleiche Horn mit fast den selben Worten stieß am Abend zuvor Oskar Lafontaine in der Friedmann-Show auf N24. Hier zeigen sich klare Parallelen im politischen Denken.


 


Spannend auch die Ausführungen zum Thema Kapital und Geld. Nach Müntefering regiert nicht das Geld die Welt, sondern der Primat der Politik. „Geld ist kein Selbstzweck“, „Geld ist für die Menschen da, nicht für die Wirtschaft“, ruft Müntefering auf den Rudolfplatz und erntet riesigen Applaus. Und das muss so sein, gerade in Zeiten des entgrenzten Geldmarktes, der globalen Wirtschaft so Müntefering.


 


Machtfülle und Machtbewußtsein mit einem großen Entertainment Block von Brings, so präsentierte sich die SPD in Köln auf dem Rudolfplatz. Wie eine Partei die seit 39 Jahren an der Macht ist und weiß wie regieren ist und sich für Anhänger und Interessenten anfühlen muss. Zumindest visuell und optisch und in der Frage des Eventmanagements ist man im Hier und Jetzt angekommen. Ob man allerdings nach 39 Jahren, liebgewonnene eigene Projekte, Statussymbole noch einmal neu durchdenken kann, die Kraft aufbringt Gutes weiterzuführen und zu sehen, gleichermaßen aber auch Schlechtes zu sehen, über Bord zu werfen, das bleibt fraglich und kann nicht mit den persönlichen Münteferingschen Historienbildern aus dem Sauerland visioniert werden. Vor allem, weil die SPD, auch aus ihrer Historie heraus und hier hat sie keine leichte Rolle, immer wieder das Fähnchen drehte, je nachdem ob man mehr gesamtstaatlich oder klientelorientiert handelte. Genau hier liegt das Dilemma, auch das eines Münteferings, denn der Trötenmann von Hartz IV als Klientelkritiker hat recht und da hilft Müntefering auch seine Heuschreckentheorie nicht mehr. Und auch PISA gibt es nicht erst seit 2005. Es bewegt sich nichts in diesem Land und ob Politiker es schaffen, der eine rudert nach vorne = Schröder, der andere nach hinten = Müntefering, Bewegung nach vorne zu erzeugen, ist fraglich. Wir warten gespannt bis 18:00 Uhr ob diese Strategie, wir reden eben mal dem Volk nach dem Mund aufgeht.  


Der Kölner SPD-Chef Jochen Ott, der NRW-Finanzminister Jochen Dieckmann und Franz Müntefering (v.l.nr.).