In diesem Jahr ist vieles anders: Nicht nur vermarktet sich der Rosenmontagszug 2010 erstmals selbst, er ändert auch seit Jahren erstmals seine Route. Schuld daran ist der Einsturz des Historischen Stadtarchivs. Der Zug nimmt nun einen Umweg um die Unglückstelle herum und ist daher 400 Meter länger als in den Vorjahren. „Mehr Zoch für gleiches Geld“, scherzte denn auch heute Christoph Kuckelkorn, Vizepräsident des Festkomitees Kölner Karneval und Leiter des Rosenmontagszuges. Er präsentierte heute die ersten Entwürfe für die Persiflagewagen des Zuges. Die sind genau nach seinem Geschmack und beinhalten „Tradition, Humor und Bissigkeit“, so Kuckelkorn. Denn der Kölner Zugleiter macht es sich in jedem Jahr zur Aufgabe aktuelle Themen aus Köln, Deutschland und der Welt auf närrische Art zu kommentieren.

Köln 2009: Vom Stadtarchiv bis zum Amtswechsel
Dabei durfte eine Erwähnung des Archiveinsturzes natürlich nicht fehlen. „Wir Bürger spüren Ohnmacht und Wut“, betonte heute Kuckelkorn und kritisierte, dass die Verantwortung bis heute nicht geklärt sei. Im Entwurf des Wagens macht die U-Bahn, dargestellt als dicker, grauer Elefant, das Stadtarchiv platt. Die Affen „Stadt Köln“, „KVB“ und „Gutachter“ wollen jedoch die Verantwortung nicht tragen und halten sich Augen, Mund und Ohren zu. Darüber hinaus werden auch zwei Bagagewagen den Einsturz zum Thema haben. Natürlich ist im vergangenen Jahr noch mehr passiert: Dazu gehört etwa auch der Wechsel des Oberbürgermeister-Amtes. Dargestellt wird der Machtwechsel im Zug verbunden mit einem weiteren Birnen-Wechsel: Fritz Schramma alias die Glühbirne wird auf dem Persiflagewagen ausgetauscht gegen die neue Energiesparlampe Jürgen Roters. Ein weiterer Wagen fordert Kölns neuen Oberbürgermeister dazu auf, in Köln gründlich aufzuräumen. Roters, verkörpert als Herkules mit Efeublatt, lässt im Entwurf den Rhein durch Köln umlenken und befreit die Domstadt so von Korruption, Ärger mit Oper, Messe Haushalt und Beraterverträgen sowie den Kölschen Klüngel fort.

Ein weiterer Kritikpunkt wird hinsichtlich des Musical Domes gesetzt. „Sollte der Standort nicht bald gefunden werden, wird Köln künftig keine Musical-Stadt mehr sein“, glaubt denn auch Kölns Rosenmontags-Zugleiter. Er fordert daher mit einem Wagen in Anlehnung an die Bläck Fööss „Mer losse d’r Dome en Kölle“. Auf dem Wagen selbst wird der jedoch von einem großen Bagger abgerissen. Im Rosenmontagszug thematisiert sich der Karneval in diesem Jahr auch selbst. Die Kölle Alaaf AG sorgt mit viel Bier und Narretei für Geld in Köln. Denn Karneval ist auch eine Wirtschaftskraft – in diesem Jahr bescheinigt durch die Studie des Festkomitees Kölner Karneval.

„Kölsche Mädcher künne bütze“
Doch es gibt auch erfreuliche Themen im Zug. Dazu gehören etwa die Liebeschlösser an der Hohenzollernbrücke, die sich zumindest für Christoph Kuckelkorn dadurch zu „einem Ort der Herzen“ machen. Des Weiteren feiert der Kölner Zoo in diesem Jahr sein 150-jähriges Jubiläum. Ein Wagen voll mit Elefanten, Nilpferden, Papageien und Affen wird ihm zu ehren im Zug mitfahren. Und das Zugmotto „in Kölle jebützt“ selbst sorgt bei so manchem Jecken für Freude. Denn endlich hat er nun eine gute Ausrede für viele rote Kussmünder-Spuren im Gesicht. Und dass Kölsche Mädcher bütze künne, das wusste schließlich schon Willi Ostermann. Ihm zu ehren besingt ein weiterer Wagen das Motto.  

Krise bestimmte Deutschland 2009
Neben lokalen Themen wirft der Rosenmontagszug auch einen jecken Blick auf Deutschland. So lernen etwa alle Kinder ab sofort den Umgang mit der Staatsverschuldung. Dazu feiern sie mit Schultüten und Kanzlerin Merke den „Einschuldungstag“. Vor dem blieb dank der Abwrackprämie die Autoindustrie bislang verschont. Ein Persiflage-Wagen des Zuges fragt sich jedoch, wie lange noch? Auch darüber hinaus bestimmt die Wirtschaftskrise den Rosenmontagszug. So werden Manager, Banker und Finanz-Gurus als Monster aus Michael Jacksons Lied „Thriller“ dargestellt. Sie eifern nach immer höheren Boni, während der Staat zugrunde geht. Zudem wird die Kritik am Solidaritätsbeitrag immer lauter. Im Wagenentwurf ist der Osten Deutschlands als schöner Schwan gemalt, der Westen dagegen ist ein hässliches Entlein.

Obama gleich drei Mal vertreten
Auch die internationale Politik wird im Rosenmontagszug nicht verschont. Barack Obama ist gleich auf drei Wagen vertreten. Während seine Umfragewerte in den USA immer weiter sinken, wird er in der Welt gefeiert. Zugleich blickt Europa neidisch auf die neue Beziehung zwischen den USA und China. Im vergangenen Jahr sorgte die halb nackte Angela Merkel für Aufsehen. In diesem Jahr wird Silvio Berlusconi inmitten von 20 nackten weiblichen Brüsten dargestellt – sein ganz eigener „G 20-Gipfel“. Kritische Töne versprüht ein Wagen gegenüber der Schweiz. Die hatte in einer Volksabstimmung den Bau von Minaretten verboten. Im Rosenmontagszug hält sich ein Muslim die Ohren zu. Das Alphorn ist ihm zuwider.

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung