POLITIK:
SPD-Chef Gabriel fordert neue Endlagersuche und neue Kohlekraftwerke
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Suche nach neuen Atommüllendlagern und die Abschaltung aller alter Kernkraftwerke als Bedingung für einen Energiekonsens mit der Bundesregierung genannt. "Wir wollen, dass Gorleben mit anderen geeigneten Standorten auch in Bayern und Baden-Württemberg anhand internationaler Kriterien verglichen wird. Dann entscheiden wir, wo der sicherste Standort für den Atommüll ist", sagte Gabriel der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Als Grundbedingungen für einen Energiekonsens nannte Gabriel, dass die abgeschalteten sieben Meiler und der "Pannenreaktor Krümel" nicht mehr ans Netz gelassen und die Laufzeiten alter Atomkraftwerke nicht übertragen werden. "Bis spätestens 2020 müssen wir raus sein aus der Atomenergie", sagte Gabriel. Dafür sei ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien, neuer Leitungen und Speicher notwendig, betonte der SPD-Chef. "Und wir dürfen uns keine Illusionen darüber machen, dass wir eine Zeit lang auch weiterhin fossile Kraftwerke benötigen. An einigen Stellen werden wir auch neue, hocheffiziente Kohlekraftwerke bauen müssen", sagte Gabriel.

CDU-Vize Bouffier warnt vor zu schnellem Ausstieg aus Atomkraft
Der hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier hat seine Partei vor zu schnellen Festlegungen beim Ausstieg aus der Atomkraft gewarnt. "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir könnten uns von der Kernkraft verabschieden und künftig unseren Strombedarf decken, weil jeder hinterm Haus so einen kleinen Kühlschrank stehen hat und dann in Kraft-Wärme-Kopplung machen kann. Das ist absurd," sagte der hessische Regierungschef in einem Interview mit dem Magazin "Stern". "Wir müssen Realismus und Fakten stärker in die Debatte bringen. Das gehört zur politischen Führung." Bouffier plädierte dafür, nach dem Moratorium auch alte Atommeiler gegebenenfalls weiter laufen zu lassen. Diese würden ergebnisoffen überprüft, danach werde entschieden. "Ich habe keine Lust, dass mir permanent erklärt wird, was nach dem Moratorium passiert", so Bouffier. "Ich ersetze nicht das Ergebnis einer Überprüfung durch meine Meinung. Sonst könnte man sich ja den ganzen Kram schenken."

Grünen-Politiker Kindler: Atomausstieg kann durch Subventionsabbau finanziert werden
Der grüne Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler ist der Meinung, dass die Kosten eines Atomausstieges durch den Abbau von Subventionen in Höhe von 48 Milliarden Euro gegenfinanziert werden könnten. "Es ist klar, die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben", so Kindler im Interview mit dem Deutschlandfunk. Man müsse jetzt ökologisch schädliche Subventionen abbauen, um dafür den ökologischen Umbau zu finanzieren, so der Politiker weiter. "Wir haben – das hat das Umweltbundesamt festgestellt – 48 Milliarden Euro Subventionen, die umweltschädlich sind, die den Klimawandel befeuern, die wir abbauen müssen". Das betreffe Subventionen bei der Ökosteuer und der Flugindustrie sowie das Dienstwagen-Privileg "für große Spritschlucker", so Kindler.

Ramsauer fordert zwei Milliarden Euro zur Fortsetzung der Energetischen Gebäudesanierung
Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) fordert die Fortführung des Energetischen Gebäudesanierungsprogramms, das im Jahr 2006 gestartet wurde. "Das Programm war ein echter Renner. Ich setze mich für die Fortsetzung ein", sagte Ramsauer der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagausgabe). Er benötige dafür zwei Milliarden Euro. Doch in den Beratungen für die Eckpunkte des Haushalts 2011 blieb bisher offen, wie viel Geld aus dem Energie- und Klimafonds dafür zur Verfügung gestellt werden können. Den Fond speisen zum Beispiel die Kernkraftwerksbetreiber. "Klarheit wird es voraussichtlich erst nach dem Moratorium zur Kernkraft geben", sagte Ramsauer. Er sei überzeugt, dass zwei Milliarden Euro rasch "abfließen" würden. "Denn der Gebäudebestand ist noch lange nicht saniert", sagte Ramsauer. Er sprach sich dagegen aus, auf Eigentümer Zwang auszuüben. "Die Sanierung muss auf freiwilliger Basis erfolgen, alles andere ist ein unvertretbarer Eingriff in Eigentumsrechte", sagte Ramsauer. Er begrüßte, dass in einem Energie-Konzept von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zwei Milliarden Euro als Betrag für das Gebäudesanierungsprogramm genannt werden.

— — —
WIRTSCHAFT:
Dena-Chef: 15 bis 20 neue Gas- und Kohlekraftwerke für Energie-Wende nötig
Der Chef der Deutschen-Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, hat den Neubau von 15 bis 20 Gas- und Kohlekraftwerken bis zum Jahr 2020 gefordert. "Wir müssen 15 bis 20 neue Gas- und moderne Kohlekraftwerke bis 2020 zubauen, um den Wegfall der Kernenergie und der alten Kohlekraftwerke zu kompensieren, die aus Klimagründen ja gleichzeitig vom Netz gehen sollen", sagte Kohler der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Die Politik müsse rasch klären, "wer, wo und wann die notwendigen Kraftwerke und die Netzkapazitäten für die erneuerbaren Energien" schaffen werde. "Wenn wir das alles in diesem Jahrzehnt hinbekommen, ist ein endgültiger Atomausstieg zwischen 2020 und 2023 realistisch", sagte Kohler. Die Dena berät seit dem Jahr 2000 die Bundesregierung in Fragen der Energieversorgung.
— — —
DIW-Expertin: Energiewende kostet maximal 200 Milliarden Euro
Der beschleunigte Umbau der Energiesystems wird die deutsche Energiewirtschaft nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bis zu 200 Milliarden Euro kosten. "Der Investitionsbedarf liegt bei maximal 200 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren", sagte DIW-Energie-Expertin Claudia Kemfert der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Dennoch werde sich der Strompreis für Verbraucher und Industrie "nur leicht erhöhen, da es genauso viele preissteigernde wie preissenkende Wirkungen gibt", sagte Kemfert. Die Investitionen würden Strom tendenziell verteuern. "Doch die Importe wirken preissenkend, da der Strom aus dem Ausland billiger ist. Auch die Zunahme des Wettbewerbs könnte sich senkend auf den Preis auswirken", sagte Kemfert.

EnBW verzichtet auf Klage gegen Atom-Moratorium
Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW will trotz der Abschaltung seiner Atommeiler Neckarwestheim I und Philippsburg I nicht gegen das Moratorium der Bundesregierung über die ältesten Kernkraftwerke klagen. Das habe der Vorstand des Konzerns auf seiner Sitzung am Dienstag beschlossen, berichtet die "Rheinische Post" (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf Unternehmenskreise. Damit stellt sich EnBW gegen den Mitbewerber, den Essener Energiekonzern RWE, der gegen die vorübergehende Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke geklagt hatte. Die Entscheidung gilt als Signal an die atomkritische neue grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg. Das Land ist Großaktionär bei EnBW. Der Stopp der Zahlungen des Unternehmens an den von der Bundesregierung eingesetzten Fonds zur Förderung erneuerbare Energien soll allerdings aufrechterhalten werden, hieß es.

[dts]