Herbert Reul, CDU, NRW-Innenminister. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Köln | Ein Bericht des „Spiegel“ zum Attentat am 23. August 2024 in Solingen wirft einen Blick auf die Kommunikation der NRW-Landesregierung und insbesondere auf die Ministerien, die von der Grünen Josefine Paul und Herbert Reul, CDU geführt werden. Es gibt Fragen. Die SPD im Landtag kommentiert und fordert von der Landesregierung NRW die Sicherung aller Kommunikationsdaten.

„Spiegel“ verfügt über interne Dokumente

Der „Spiegel“ berichtet über interne Dokumente, die das Geschehene nach dem Attentat von Solingen chronologisch dokumentieren sollen. Ein Mann aus Syrien erstach auf dem Solinger Stadtfest drei Menschen und verletzte viele Menschen teils schwer. Dazu liegen Protokolle vor, welche Daten am Abend des Attentats und in den Folgetagen in welcher Behörde vorlagen. Das sind die beiden NRW-Ministerien, das Bundeskriminalamt, das Landeskrminialamt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Polizeipräsidium Düsseldorf.

Der „Spiegel“ wirft die Frage auf, ab wann Paul und Reul über den gescheiterten Abschiebeversuch des mutmaßlichen Attentäters informiert waren? Die Dokumente auf die sich der „Spiegel“ bezieht, sollen belegen, dass Herbert Reul bereits am Samstagabend Kenntnis gehabt haben muss, dass es einen Abschiebeversuch gegeben haben solle. Er sagte aber in einem Fernsehinterview mit den „Tagesthemen“ dazu nichts und vor dem Landtag von NRW, dass er erst am Sonntag von diesem Vorgang Kenntnis gehabt haben wolle. Die Akte zum Attentäter soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem LKA NRW bereits am Samstag um 17.04 Uhr per Mail geschickt haben. In der Mail ging es um die gescheiterte Abschiebung. Das LKA NRW ist eine Behörde, die dem NRW Innenministerium unterstellt ist.

Dazu steht der Verdacht im Raum, dass Innenminister Reul den Landtag möglicherweise nicht wahrheitsgemäß über seine und interne Kenntnisstände zu fraglichen Zeitpunkten informiert haben könnte. Fragwürdig in diesem Zusammenhang ist auch, dass er offenbar im Nachgang seine mündlichen Aussagen vor dem Landtag im schriftlichen Protokoll korrigiert haben soll. Auch das belegen die Recherchen des „Spiegel“.

Reul soll im Landtag gesagt haben, dass ihm erst am Sonntagmorgen, am zweiten Tag nach der Tat, bewusst geworden sei, dass die misslungene Abschiebung wichtig ist. Er soll von dem gescheiterten Abschiebeversuch bereits am Samstag und damit einen Tag nach dem Anschlag erfahren haben, schlussfolgert der Bericht.

Im Nachgang der Sitzung wünschte sich das Innenministerium laut „Spiegel“ eine Änderung des Zitats von Reul im Protokoll. Das Ministerium richtete demnach eine entsprechende Bitte an die Landtagsverwaltung, die den Wunsch auch umsetzte. Die Verwaltungsmitarbeiter verschoben die Zeitangabe („Das war Sonntagmorgen.“) im Protokoll an eine andere Stelle.

Das Innenministerium bestätigte die Protokolländerung auf Anfrage des Nachrichtenmagazins. Reul habe sich „missverständlich ausgedrückt“, daher sei die Passage „entsprechend modifiziert“ worden, teilte ein Sprecher mit. Den Verdacht, Reul habe Fehler vertuschen oder Falschaussagen kaschieren wollen, wies das Ministerium zurück.

Die SPD spricht von erheblichen Vorwürfen

Hierzu erklärt Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag NRW schriftlich: „Es stehen mit der Berichterstattung erhebliche Vorwürfe im Raum. Die Landesregierung muss umgehend für Klarheit sorgen, wie der genaue Ablauf gewesen ist und ob Minister Reul dem Landtag womöglich nicht die Wahrheit gesagt hat. Sollte dies so sein, wäre das ein veritabler Skandal. Auch die Äußerungen von Ministerin Paul müssen jetzt dahingehend noch einmal überprüft werden. Es ist gut, dass schon bald ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Vorgänge rund um den Terroranschlag vom 23. August 2024 aufklären wird. Die jetzt bekannt gewordenen Widersprüche zeigen, dass auch die interne und externe Kommunikation der Regierungsbehörden untersucht werden muss. Hierzu werden die demokratischen Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP – wie vereinbart – die Landesregierung umgehend dazu auffordern, sämtliche Kommunikationsdaten zu sichern. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Sicherung schon längst geschehen ist. Alles andere wäre angesichts der bekannt gewordenen Entwicklungen ein weiterer Skandal.“


Mit Material der dts nachrichtenagentur