Georg Roth alias Sister George, Rainer Jarchow, Volker Beck, Knut Dehnen, Thomas Herrmanns und Stefan Meschig.

Über 800 geladene Gäste fanden sich heute Mittag in der guten Stube Kölns, dem Gürzenich ein. Zum achten Mal wurden die beiden Kompassnadeln verliehen. Sie gehen an Persönlichkeiten die sich besonders um die Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Lesben und Schwulen verdient gemacht haben. Dabei wird immer ein Mensch ausgezeichnet der im ehrenamtlichen Bereich Großes geleistet hat und einer der im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, sei es als Politiker oder Künstler. Der CSD-Empfang ist aber auch immer ein Ort in dem Forderungen und Willensbekundungen laut werden. Auch ein Ort der Reflektion über bereits Erreichtes und über die Zukunft der Ausgestaltung eines Miteinanders innerhalb der Gesellschaft unter Achtung der Menschenrechte.

Appell an die Politik Schwule und Lesben zu schützen und zu fördern
In diesem Jahr fiel auf, dass Kritik laut wird an dem Verhalten der breiten Öffentlichkeit, aber auch innerhalb der eigenen Community. So beklagte etwa Steffen Schwab, Landesvorsitzender des Schwulen Netzwerk NRW e.V.: Wir nehmen wahr, dass die Selbstorganisation der Schwulen in NRW schwächelt; die tiefe Demotivation, die die Kürzung der Landsförderung , die dabei geführten Diskussionen und die damit ausgedrückte Geringschätzung bewirkt hat, hat sichtbare Spuren hinterlassen.“ Aber auch an die eigene Adresse wandte sich Schwab: „Unsere politische Bewegung ist langsam geworden. Zufrieden?“ Schwab kritisierte das Schwule und Lesben heute eher bereit sind Diskriminierung als „normal“ hinzunehmen und benannte Beispiele wie Sprüche „Hauptschule ist cool, Abi ist schwul“ oder die Äußerungen von FC Trainer Daum, dem der Schutz von Kindern wichtiger ist, als die Akzeptanz von Schwulen. Aber es geht noch schlimmer, wenn Schwab das Beispiel des Siegener Schwulen- und Lesbenzentrums andersROOM 27 erwähnt, bei dem nach den deutschen Spielen zur EM drei Tage hintereinander die Scheiben zerschlagen wurden. Auch bemängelt Schwab und das zu Recht, dass die Empörung über verbale oder handfeste Attacken von den Schwulen selbst organisiert werden müssen. Der Geehrte Volker Beck beschrieb dieses Phänomen so: „Für uns gehen andere nicht von sich aus auf die Barrikaden“. Schwab bezeichnete die Vielzahl an Nadelstichen als stimmige Strategie und forderte von der Politik Lesben und Schwule zu schützen und zu fördern und wieder mehr Initiative des Referates für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. „Wir erleben Misstrauen, Reglementierung und Kontrolle“, so Schwab und warnte weiter „Die landesweite Vernetzung und Qualifizierung von Jugendarbeit, Gesundheitsprojekte, interkulturelle und intergenerative Initiativen, die wir immer noch mangels Alternativen, eben nur mit Förderung aus öffentlichen Mitteln unterstützen können, drohen zu verfallen.“

Besonders kritisierte Schwab auch die Einstellung von Kindern und Jugendlichen gegenüber Lesben und Schwulen: „71 Prozent der männlichen und 51 Prozent der weiblichen Jugendlichen haben negative Einstellungen zu Schwulen und Lesben – das ist nicht akzeptabel“. Dazu wurde das Projekt „Schule ohne Homophobie“ gegründet, von dem man sich erhofft möglichst vielen Schulen in NRW das Gütesiegel verleihen zu können.

Klaus Peter Hackbarth, Landesvorsitzender der AIDS-Hilfe NRW, machte klar dass die steigende Zahl von HIV-Diagnose-Fällen bei Männern die Sex mit Männern haben steigend sind und ein neues Nachdenken über Prävention und Kampagnen erforderlich macht. Auch das Internet verändere die schwulen Szenen rasant hat man bei der AIDS Hilfe jetzt bemerkt und eine Aufgabe sieht Hackbarth darin ältere schwule Männer näher an das Internet heranzuführen, auch um Vereinsamungstendenzen zu begegnen und die Generationen via Web zusammenzuführen. Spät springen jetzt die Offiziellen auf einen Zug auf, der schon seit Jahren unter Volldampf fährt, muss man als Beobachter konstatieren und sich dabei verwundert die Augen reiben, gelten doch schwule und lesbische Communities traditionell zu den „Early Adopters“, aber wahrscheinlich nicht ihre Funktionäre.

Bei den jungen Schwulen und Lesben bemängelt Hackbarth Geschichtskenntnisse. So gäbe es viele die die Bedeutung des Rosa und Schwarzen Winkels nicht mehr kennen, die Entkriminalisierung schwuler Lebensweisen, die Abschaffung des Paragraph 175 STGB.

Die Laudatio auf beide Preisträger hielt die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer. Knut Dehnens Arbeit und sein Angebot für homosexuelle Menschen mit Alkoholproblemen ist vorbildlich, weil die Selbsthilfegruppen für die Betroffenen einen Schutzraum der besonderen Art darstellt, den man in gemischten Gruppen so nicht finden würde. ShAlk gibt es in Bielefeld, Duisburg und Frankfurt, eine Kölner Dependance ist in Planung. Gerade weil Alkoholsucht nicht ins Bild der immer feierfreudigen schwulen und lesbischen Szene passe sei die Arbeit von ShAlk so wichtig.

Volker Beck ist seit 14 Jahren im Deutschen Bundestag aktiv und einer der Väter des Lebenspartnerschaftsgesetzes und Antidiskrimierungsgesetzes. Fischer lobte Beck als Kämpfer für die Menschenrechte, der für diese sehr klar, mit einzigartiger Balance eintrete und dabei ein dickes Fell habe. Dabei handele Beck, so Fischer, nie nur aus Betroffenheit, denn diese sei alleine kein überzeugendes Argument, sondern auch als kühler Rechtspolitiker.

Die Kompassnadeln wurden von den Vorjahresgeehrten Rainer Jarchow und Andreas Herrmann übergeben. Volker Beck forderte die Anwesenden auf, auch international für die Rechte von Homosexuellen einzutreten. In 80 Staaten stehen homosexuelle Handlungen immer noch unter Strafe, in 12 Staaten müssen Homosexuelle sogar mit der Todesstrafe rechnen. Beck forderte von den „Reichen und Schönen in NRW“ über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und sich mit Geldspenden solidarisch zu zeigen, damit Aktivisten in diesen Ländern wenigsten einen PC haben, oder ein paar Flugblätter drucken können.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung