Symbolbild Polizei

Köln | Zig Explosionen und Brandanschläge gab es seit dem 25 März 2024 in Nordrhein-Westfalen. Schwerpunkt der Anschläge sind Köln und zu Beginn der Serie Solingen. Eine Chronologie und die Frage nach den Hintergründen und Narrativen.

Brandanschlag in Solingen

Es brannte am 25. März 2024 in einem Haus in Solingen. Ermittler fanden Brandbeschleuniger, eine vierköpfige Familie aus Bulgarien kam ums Leben, weitere Menschen wurden schwerverletzt. Anfang April präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft einen 39-jährigen deutschen Tatverdächtigen, der festgenommen wurde, als er einen 33-jährigen Mann mit einer Machete lebensgefährlich verletzt hatte. Der Mann wohnte in dem Haus bis ihm gekündigt wurde. Es soll sich um einen Racheakt handeln für die Kündigung, so die Arbeitstheorie der Polizei und Staatsanwaltschaft. Zudem teilten die Ermittler öffentlich mit, dass es keine belastbaren Hinweise gegeben habe, die auf eine fremdenfeindliche Tat hinwiesen.

Im Juni brannte es erneut in Solingen zwei Mal

Am 9. Juni 2024 brannte es erneut in einem Haus in Solingen, dieses Mal im Stadtteil Wald. Wieder handelte es sich um Brandstiftung. Das Haus war vor allem von Migrant:innen aus Südosteuropa bewohnt. Es soll ein Brandbeschleuniger verwendet worden sein, so berichten es die Ermittler:innen. Eine Mordkommission wurde eingesetzt.

Am 25. Juni 2024 brennt es in einem Solinger Café auf der Konrad-Adenauer-Straße. Es gab zudem eine Explosion. Ein Mann starb, die Behörden erklären es handele sich bei dem Toten um den mutmaßlichen Attentäter. Jetzt stellen die Behörden eine Hypothese auf: Es könne Verbindungen in die Niederlande geben und es könnte sich um die „Drogenmafia“ handeln. Dies wird vor allem durch die Festnahme von zwei Personen gestützt, nachdem es der Polizei in Köln gelungen war, zwei Geiseln aus der Gewalt von Entführern im Kölner Wohngebiet Rodenkirchen zu befreien. Dabei blieb offen, ob es wirklich eine Verbindung gibt. Als Hintergrund wurde eine Auseinandersetzung zwischen Drogenhändlern in die Öffentlichkeit gespiegelt. Dabei sollen die Hauptdrahtzieher marokkanischer Herkunft sein, daher wurde der Begriff „Mocro-Mafia“ benutzt. Der Zwist soll mit einem arabischen Clan bestehen, der in Solingen beheimatet sei. Diesem gehöre das Gebäude in der Solinger Nordstadt in dem sich das Cafe befinde. So die mediale Lesart.

Die Anschläge in der Kölner Region

Jetzt verlagerten sich die Anschläge nach Köln und in die Kölner Region. Es ist der 30. Juni 2024 in Köln-Mülheim um 3.25 Uhr in der Holweider Straße. Das liegt in Nähe der Keupstraße. Und es gab eine Explosion in der Wichheimer Straße in Köln-Buchheim. Bei beiden Attacken soll nach Angaben der Kölner Polizei Pyrotechnik zum Einsatz gekommen sein. Zwei Mehrfamilienhäuser in Köln wurden beschädigt. Menschen kamen nicht zu Schaden. In ihren ersten Verlautbarungen spricht die Kölner Polizei davon, dass Hintergründe nicht bekannt sind. Einen Tag zuvor war es zu einer Explosion an einem Wohnhaus in der Keupstraße gekommen. Auch hier sprach die Kölner Polizei von Pyrotechnik. Zur Motivik schreibt die Behörde: „Hinweise auf einen möglichen politischen Hintergrund oder mögliche Rockerbezüge liegen bislang nicht vor. Die Ermittlungen zum Tatmotiv dauern an.“ Die Kölner Polizei bildet eine Ermittlungsgruppe.

Bei der Keupstraße und ihrem Umfeld werden Erinnerungen wach, auch wenn es die Stadt Köln bis heute nicht schaffte, das Mahnmal zu errichten. Der NSU-Nagelbombenanschlag und die Ermittlungen, die die Opfer ins Visier nahmen. Gegen wen ermittelt denn nun die Ermittlungsgruppe? Das bleibt im Unklaren oder ermitteln die Beamten gar nicht in Richtung politische Kriminalität, weil sie noch keine Hinweise vorliegen haben. Nach dem Versagen 2004 ist diese Frage an die Kölner Ermittlungsbehörde legitim und vor allem berechtigt, wenn schon am Tag der Tat ein politischer Hintergrund ausgeschlossen wurde.

Am 1. Juli 2024 kommt es dann in Engelskirchen Loope zu einer Explosion in der Straße „Im Auel“. Wieder ist es ein Mehrfamilienhaus, das betroffen ist. Jetzt reagiert die Kölner Polizei und setzt nicht nur in Engelskirchen, sondern auch bei den betroffenen Kölner Häusern Opferschützer ein. Diese sollen den Kontakt zu den Bewohner:innen suchen. Zudem seien Kontaktbeamt:innen für interkulturelle und -religiöse Angelegenheiten im Einsatz.

Duisburg und Düsseldorf

Am 5. Juli 2024 kommt es in Duisburg Hochemmerich zu einer Explosion. Am 8. Juli 2024 gibt die Kölner Polizei bekannt, dass sie diese vier Explosionen in einem Zusammenhang sieht und auch die Entführung nach Köln hier hineinspiele. Es werde im Tatumfeld des organisierten Drogenhandels bis in die Niederlande ermittelt, so die Behörden. Eine Reihe von Tatverdächtigen wird festgenommen.

Am 11. Juli 2024 erschüttert eine Explosion die Düsseldorfer Innenstadt. Ein erheblicher Schaden entstand an einem Mehrfamilienhaus in der Berliner Allee. Der „WDR“ übernimmt die Frage, ob die niederländische „Mocro-Mafia“ dahinterstecke. Die Kölner Ermittler übernahmen in diesem Fall.

Kölns Kriminaldirektor Michael Esser lieferte eine passende Story. Nach den Erkenntnissen seiner Ermittler hätte die „Mocro-Mafia“, die der „WDR“ mit dem Adjektiv „berüchtigt“ belegt, in die Nähe von Köln 300 Kilogramm Cannabis geliefert. Diese Menge sei von einer anderen Drogenorganisation entwendet worden. Der Marktwert liege im einstelligen Millionenwert. Esser legte einen Zusammenhang mit der Explosion vor dem Solinger Café nahe. Esser mutmaßte, dass der 17-Jährige den Sprengsatz vor einer Shisha Bar zünden sollte, dieser aber zu früh explodiert sei und so den Jungen tötete. Damals sagte Esser: „Wir haben hier eine neue Dimension der Gewalt im Bereich der organisierten Kriminalität erleben müssen, die es so hier in Deutschland meines Wissens noch nicht gegeben hat.“

Aber es gibt weitere Taten. Am 30. Juli 2024 wird auf ein Mehrfamilienhaus in der Alten Brühler Straße in Köln-Meschenich geschossen und es brennt im Erdgeschoss. Die Kölner Polizei erklärt explizit, dass es keine Bezüge zu der Thematik „Mocro-Mafia“ gebe. Am 12. August 2024 kommt es zu einer Explosion im Kölner Stadtteil Zündorf. Gegen 3 Uhr morgens wird die Explosion den Einsatzkräften gemeldet. Die Behörden schreiben, dass Zusammenhänge mit ähnlichen Taten in den Wochen zuvor geprüft würden, aber genaue Hintergründe unklar seien. Die Medien spekulieren jetzt erneut einen Zusammenhang mit der „Mocro-Mafia“.

Am 19. August 2024 kommt es in der Nacht von Sonntag auf Montag zu einer Explosion an einem Mehrfamilienhaus im Düsseldorfer Hafen. Die Kölner Staatsanwaltschaft und Polizei übernehmen die Ermittlungen. Auch hier geben die Behörden den Hinweis, dass geprüft werde, ob es einen Zusammenhang mit anderen Taten gebe.

Und jetzt die Explosionen in der Kölner Innenstadt

Am Montag explodierte ein Brandsatz am Anfang einer Passage auf dem Kölner Hohenzollernring und am heutigen Mittwoch der Brandsatz vor einem Modegeschäft in der Kölner Ehrenstraße. Hier hüllen sich die Ermittler zu den Hintergründen in Schweigen. Offen ist warum es, trotz der Videobeobachtung und der Tat am Montag, nur 48 Stunden später zu einer fast gleich anmutenden Tat kommen konnte.

Die Kölner Ermittlungsbehörden, also Staatsanwaltschaft und Kölner Polizei wollen sich morgen zu den Hintergründen äußern. Darauf darf man gespannt sein, vor allem, ob seit März 2024 wirklich in alle Richtungen ermittelt wurde. Offen ist die Frage, warum Organisationen, die Drogen verkaufen wollen, an öffentlichen Orten Angst und Schrecken verbreiten und nicht gezielt gegen Kontrahenten vorgehen sollten? Wer in der Kölner Innenstadt Brandanschläge verübt und Explosionen herbeiführt, der sorgt für bundesweite Beachtung. Nach den Erfahrungen mit dem NSU-Komplex ist darauf zu hoffen, dass die ermittelnden Behörden dieses Mal ihren Blick in einer 360 Grad-Perspektive aufstellen und nicht wieder mit Scheuklappen agieren.