Um sechs Uhr heute Morgen kreiste der Polizeihubschrauber über dem Görlinger Zentrum, Bereitschaftspolizisten und Kripobeamte bereiteten sich auf den Zugriff und eine groß angelegte Suchaktion vor, Motorradpolizisten fuhren durch das anliegende Waldstück. Dann ging alles ganz schnell. In insgesamt elf Wohnungen verschafften sich die Beamten teilweise gewaltsam mit einer Ramme Zutritt. Drei mutmaßliche Anführer einer Drogenbande wurden in ihren Wohnungen gestellt und festgenommen. Danach begann die Sisyphusarbeit im nahe gelegenen Wald. Eine Hundertschaft durchkämte Zentimeter für Zentimeter, auf der Suche nach "Bunkern". So werden die Drogenverstecke im Unterholz genannt. Mit langen Drahtrouten stocherten sie im Boden, während Drogenspürhunde die Fährte aufnahmen.



Seit Mai im Visier der Fahnder
Anwohner hatten immer wieder die Polizei gerufen und darüber informiert, dass in ihrem Veedel Drogendealer ihre Geschäfte machen würden. Sie seien dabei auch immer wieder im Wald gesehen worden. Die Bande würde zudem auch an Minderjährige Drogen verkaufen. Mit dem Einsatz will die Polizei nun verhindern, dass rund ums Görlinger Zentrum ein rechtsfreier Raum entsteht, erklärte Wolfgang Baldes von der Kölner Polizei. Die Bande war schon länger im Visier der Fahnder. Seit Anfang Mai ermittelt das Kriminalkommissariat 27 gegen die 26 bis 38 Jahren alten Drogenhändler, die allein in einem Monat 40 Kilo Marihuana im Wert von 170.000 Euro aus den Niederlanden eingeführt haben sollen. Alle zwei Tage sollen die Männer rund fünf Kilo "Gras" bestellt haben. Den Kundenstamm der Bande schätzt die Polizei auf 50-70 Konsumenten. Im Verlauf der Ermittlungen gelang es der Polizei, 5,5 Kilogramm "Gras" sicherzustellen.

Ein 51 Jahre alter Kurier aus Eschweiler, den die Ermittler vor Übergabe der Drogen abfingen sitzt seit seiner Festnahme am 29. Juni in Untersuchungshaft. Der türkischstämmige Haupt-Organisator konnte erst in der vergangenen Woche wegen Rauschgifthandels zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt werden. Die Strafverbüßung wurde auf fünf Jahre Bewährung ausgesetzt. Nach Erkenntnissen der Ermittler leitete er eine Stunde nach der Urteilsverkündung das nächste größere Drogengeschäft ein.

Aktualisiert um 15:30 Uhr
Ein „herausragender Fall für Köln“
Stephan Becker, Einsatzleiter der Ermittlungsgruppe „GZ“ (Görlicher Zentrum), wertete den Einsatz heute Morgen in Köln-Bocklemünd als Erfolg. Neben rund fünf Kilogramm Marihuana seien zudem 26.000 Euro Bargeld sowie eine Schreckschusswaffe mit Munition und mehrere Hieb- und Stichwerkzeuge sichergestellt worden. Darüber hinaus wurden vier mutmaßliche Anführer der Drogenbande festgenommen. Erste Stichproben von dem Marihuana seien bereits vorgenommen worden. Nach diesen hätten die Drohen einen THC-Wert von 14 Prozent. THC steht als Abkürzung für Tetrahydrocannabinol, dem Hauptwirkstoff von Hanfpflanzen. Aufgrund des hohen Wertes geht Becker davon aus, dass die Pflanzen unter besten Bedingungen gezüchtet worden sein müssen. Zum Vergleich: Das Marihuana in den 80er-Jahren, das als „weiche“ Droge bezeichnet wurde, habe einen THC-Wert von etwa 5 Prozent gehabt.

“Beobachter“ warnten vor Beamten
Wichtiger als die Sicherstellung der Drogen war Becker jedoch, die „straff organisierte und hierarchisch gegliederte Ordnung“, so der Einsatzleiter, zerschlagen zu können. Seit Mai war die Drogenbande im Visier der Fahnder. Die Observierung der Drogendealer im Görlicher Zentrum erwies sich jedoch als äußerst schwierig. Die vier Anführer hatten ihr „Unternehmen“ streng organisiert. Rund um die Uhr waren so genannte „Beobachter“ rund um das Görlicher Zentrum postiert. Tauchten Beamte in Uniform oder auch in Zivil auf, wurden die Anführer und Straßendealer schnell gewarnt. Noch ehe die Beamten einen mutmaßlichen Täter hätten stellen können, seien die Drogen bereits verbrannt gewesen, schilderte Becker heute. Die „Beobachter“ hätten außerdem bereits auf der Straße die rund 50 bis 70 Stammkunden zu den richtigen Orten geleitet und für einen möglichst unauffälligen Ablauf des Deals gesorgt.

Erschwert hätte die Arbeit auch, dass sich die Anführer völlig unauffällig verhalten und etwa ihr Geld in der Öffentlichkeit nicht zur Schau gestellt hätten. Auch dank Hinweisen aus der Bevölkerung sei es schließlich gelungen, Beweise gegen die Drogenbande festzuhalten. Die Ermittlungen sollen nun fortgesetzt werden. Zwar sei der heutige Einsatz „ein herausragender Fall für Köln“, so Becker, doch sei er auch erst die Eisspitze eines ganzen Systems, vermutet der Einsatzleiter. Gemeinsam mit niederländischen Kollegen würde nun weiter gefahndet, Genauere Angaben wollte Becker aus ermittlungstechnischen Gründen jedoch nicht machen.

[Bericht und Fotos Carsten Rust; cs, ots]