Berlin | Artikel ergänzt | Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei sollen Gesichtserkennung einsetzen dürfen, um Verdächtige durch einen Abgleich mit Fotos in den sozialen Netzen und anderswo im Internet ausfindig zu machen.

Das geht aus einem Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hervor, über den der „Spiegel“ berichtet. Dadurch sollen die Behörden in die Lage versetzt werden, den Aufenthaltsort von Verdächtigen zu ermitteln. Außerdem sollen sie Möglichkeiten erhalten, unbekannte Straftäter zu identifizieren.

Screenshots abgleichen

Die Behörden erhoffen sich durch die neuen Befugnisse etwa eine bessere Identifizierung von Terroristen des „Islamischen Staats“, die in Hinrichtungs- und Foltervideos zu sehen sind und sich womöglich unerkannt in Europa verstecken. Künftig könnten die Fahnder Screenshots aus solchen Gewaltvideos per Software mit den sozialen Netzwerken abgleichen und so Hinweise erhalten.

Polizeigesetze sollen geändert werden

Faeser will dafür mehrere Polizeigesetze ändern. In die Strafprozessordnung soll zudem ein neuer Paragraf aufgenommen werden, der einen „biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet“ erlaubt. Eine Live-Gesichtserkennung anhand von Bildern aus Überwachungskameras etwa an Bahnhöfen soll es nicht geben.

Der Vorstoß ist auch eine Reaktion auf die Festnahme der Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette im Frühjahr. Ein Journalist war Monate zuvor per Gesichtserkennungssoftware auf Fotos von ihr im Netz gestoßen. Sie zeigten Klette in einem Capoeira-Tanzklub in Berlin, wo sie unter falschem Namen untergetaucht war. Den Fahndern fehle für ein solches Vorgehen die Rechtsgrundlage, beklagte das zuständige Landeskriminalamt.

Grüne zweifeln an Fahndung mit Gesichtserkennungssoftware

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, hat kritisch auf den Plan des Bundesinnenministeriums reagiert, wonach das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei bei der Suche nach mutmaßlichen Terroristen und Schwerverbrechern künftig auch Gesichtserkennungssoftware einsetzen dürfen. „Das Ansinnen der konsequenten Terrorismusbekämpfung teilen wir ausdrücklich“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Es gilt jedoch zunächst festzuhalten, dass der Koalitionsvertrag aus gutem Grund eine klare Absage an die biometrische Erfassung zu Überwachungszwecken im öffentlichen Raum enthält. Formen der Überwachung im digitalen Raum, wie das von der Bundesinnenministerin vorgeschlagene Tool, werfen ebenso verfassungsrechtlich tiefgreifende Fragen auf. Auch wer freiwillig die Öffentlichkeit eines sozialen Netzwerks sucht, gibt dadurch nicht seine verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf.“

Unabhängig davon müsse in jedem Fall sichergestellt sein, dass die eingesetzte Software gut und zuverlässig arbeite, fügte von Notz hinzu. „Ebenso wichtig ist bei verfassungsrechtlich derart sensiblen Feldern die frühzeitige und fortwährende Begleitung durch die zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden.“

Der Obmann der Grünen-Bundestagsfraktion im Innenausschuss des Parlaments, Marcel Emmerich, sagte dem RND, man werde sich den Plan „im parlamentarischen Verfahren genau anschauen“. Er fügte hinzu: „Wir prüfen die Eingriffsintensivität sehr genau und lehnen automatisierte und biometrische Gesichtserkennung ab, da sie die Grundrechte massiv beschneiden.“ Es müsse verhindert werden, „dass hochsensible Daten unschuldiger Personen durch KI-Systeme massenhaft – oft durch intransparente Algorithmen – flächendeckend erfasst und ausgewertet werden“.

Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums sieht vor, dass Ermittler etwa Internet-Videos von IS-Mitgliedern mit Bildern in den sozialen Netzwerken abgleichen können, um Hinweise auf den Aufenthaltsort der Islamisten zu erhalten. Die Ermittlungsbehörden drängen schon länger darauf, den Einsatz solcher Instrumente zu erlauben.

Kriminalbeamte begrüßen Plan zur Nutzung von Gesichtserkennung

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow, begrüßt das Vorhaben des Bundesinnenministeriums, wonach das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei bei der Suche nach mutmaßlichen Terroristen oder anderen Schwerverbrechern künftig Gesichtserkennungssoftware einsetzen dürfen.

„Wir stehen voll hinter dem Vorschlag von Frau Faeser“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Er hat genau die richtige Intention. Denn es kann nicht sein, dass die Polizeibehörden bei der Ermittlung von unbekannten Tatverdächtigen das Internet aussparen müssen, während investigative Recherchenetzwerke es nutzen können.“ Die rechtlichen Grundlagen und technischen Voraussetzungen zur Online-Fahndung müssten schnell geschaffen werden. Peglow stellte jedoch klar: „Eine Überwachung des öffentlichen Raums mit entsprechenden biometrischen Abgleichen sehen wir kritisch. Wir möchten keine Verhältnisse wie in China.“

Der Gründer der Plattform „Netzpolitik“, Markus Beckedahl, sagte dem RND hingegen: „Ich gehe davon aus, dass das Vorhaben nicht verfassungskonform ist. Denn es schränkt die Rechte von uns allen massiv ein.“ Schließlich gebe es längst Unternehmen, die massenhaft Bilder speicherten und dann Interessenten anböten. Das wecke Begehrlichkeiten, nicht allein bei Sicherheitsbehörden, sondern etwa auch bei Stalkern. Beckedahl fuhr fort: „Man kann sich außerdem vorstellen, wie diese Werkzeuge von Rechtsaußenregierungen missbraucht werden könnten, die wir uns in Deutschland jetzt zumindest auf Landesebene ebenfalls vorstellen müssen.“