Symbolbild

Wiesbaden | aktualisiert | Für die Auszahlung staatlicher Leistungen an Asylbewerber soll eine Bezahlkarte bundesweit eingeführt werden. Das teilte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU), am Mittwoch in Wiesbaden mit.

Demnach setzten Bayern und Mecklenburg-Vorpommern die Einführung allerdings auf eigenen Wegen um. Die restlichen Bundesländer hätten sich auf ein gemeinsames Verfahren geeinigt, die Vergabe werde für den Sommer angestrebt, hieß es weiter.

Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheide jedes Land selbst, sagte Rhein. Die Bezahlkarten könnten grundsätzlich in allen Branchen eingesetzt werden, aber nicht im Ausland. Überweisungen von Karte zu Karte und sonstige Überweisungen im In- und Ausland seien nicht vorgesehen.

NRW begrüßt Einigung auf Bezahlkarte für Flüchtlinge  

NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) hat die Einigung der Bundesländer auf eine einheitliche Bezahlkarte für Flüchtlinge begrüßt. „Es ist ein wichtiges Zeichen für die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Staates auch in Migrationsfragen, dass die einheitlichen Standards für die Bezahlkarte jetzt im Zeitplan vereinbart wurden“, sagte Liminski der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). Die Länder hätten hier „sachgerecht und pünktlich geliefert“.

Bis zum Sommer wollen 14 von 16 Bundesländern ein Vergabeverfahren abschließen, so dass im Herbst erstmals der Bargeldverkehr für Flüchtlinge eingeschränkt werden könnte. Welche Bank als Anbieter der Sonderedition in Frage kommt, ist noch unklar. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern verfolgen derweil eigene Geldkarten-Pläne. Mit der neuen Karte soll die Überweisung von Sozialleistungen ins Ausland, etwa an zurückgebliebene Familienmitglieder, nicht mehr möglich sein.

„Eine möglichst bundeseinheitliche Anwendung der Bezahlkarte erhöht die dauerhafte Akzeptanz für eine auskömmliche Flüchtlingshilfe. Für unsere Kommunen soll damit auch weniger Bürokratie in der Versorgung verbunden sein“, so Liminski. Mit der Einschränkung des Bargeldtransfers ins Ausland solle zudem ein Fehlanreiz für den Aufbruch nach Deutschland eingedämmt werden.

Die Länder können selbst entscheiden, welche genauen Bezahlfunktionen bei der neuen Karte eingeschränkt werden. Zahlungen sollen möglichst nur noch in Geschäften des täglichen Bedarfs, in Freizeiteinrichtungen oder beim Friseur möglich sein. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), brachte für Blockierungen zum Beispiel die Glücksspielbranche ins Gespräch.

Asylbewerber werden auch weiterhin gesetzlichen Anspruch auf ein Taschengeld in bar zur Deckung des „notwendigen persönlichen Bedarfs“ von etwa 100 bis 150 Euro monatlich haben, hieß es. Flüchtlingsorganisationen kritisierten die Bezahlkarte als „Diskriminierungsinstrument“.

Liminski kritisierte, dass die Ampel bei der Umsetzung zentraler Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom vergangenen November bislang nicht liefere. „Wenn die Bundesregierung nicht endlich daran arbeitet, die Zugangszahlen von Geflüchteten ohne Aussicht auf Asyl nach Deutschland nachhaltig zu begrenzen, können Länder und Kommunen den Geflüchteten nicht mehr gerecht werden“, so der CDU-Politiker.

Ob Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens, Rückführungsvereinbarungen mit Herkunftsländern oder ernsthafte Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU – all das sei gemeinsam beschlossen worden. „Jetzt erwarten die Länder, dass auch der Bund Wort hält“, sagte Liminski.

Woidke verteidigt Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge  

Der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), hat die geplante Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge verteidigt. „Wenn wir uns die Zahlen alleine angucken, was Deutschland hier in den letzten Jahren geleistet hat, dann müssen wir einfach konstatieren, wir sind hier an einer Grenze und wir müssen Dinge in Zukunft anders und müssen Dinge in Zukunft besser machen“, sagte er dem „ZDF Heute-Journal Update“.

Man wolle sicher sein, dass das „Geld, das Menschen erhalten für ihren Lebensunterhalt hier in Deutschland auch bei diesen Menschen bleibt“, so Woidke. Damit sinke seiner Ansicht nach auch die Attraktivität des Zielortes Deutschland für irreguläre Migration.

Der SPD-Politiker sagte darüber hinaus, dass es notwendig sei, die „politische Auseinandersetzung“ mit der AfD zu führen. Er sei fest davon überzeugt, dass am Ende die Mehrheit der Brandenburger „demokratisch wählen wird und dass die AfD nicht stärkste Kraft in diesem Land werden wird“, so Woidke.

Landkreistag begrüßt Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber

Der Deutsche Landkreistag begrüßt die Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge und fordert bundesweit einheitliche Standards. „Wir unterstützen die bundesweite Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber, das muss schnell kommen“, sagte Präsident Reinhard Sager (CDU) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Wichtig ist, dass die verschiedenen Vorhaben insgesamt ein Gesamtsystem bilden und überall dieselben Mindeststandards gelten“, so Sager weiter. Einige Länder hätten bereits eigene Systeme in Vorbereitung, fügte der Verbandschef hinzu. „Außerdem haben mehrere Landkreise Bezahlkarten in eigener Verantwortung eingeführt, um keine Zeit zu verlieren.“

Migrationsforscher hält Wirkung der Bezahlkarte für überschätzt

Nach Einschätzung des Migrationsforschers Herbert Brücker wird die Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte für Asylbewerber nicht dazu führen, dass Asylantragszahlen reduziert oder Rücküberweisungen in die Herkunftsländer verhindert werden. „Die Effekte, die man sich von einer Bezahlkarte für Asylbewerber erhofft, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten“, sagte der Migrationsexperte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe).

Es gibt so gut wie keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerber die Zahl der Asylanträge beeinflusse. „Das gilt für Barzahlungen wie für Coupon-Zahlungen“, so Brücker.

Auch das Argument der Bezahlkarten-Befürworter, dass viele Asylbewerber Rücküberweisungen in ihre Herkunftsländer tätigen würden, lasse sich empirisch nicht belegen. „Wir wissen aus Studien, dass nur 10 bis 20 Prozent der Asylbewerber überhaupt solche Rücküberweisungen tätigen. Nur ein sehr kleiner Kreis von Geflüchteten überweist also Geld zurück in die Heimat. Auch sind die überwiesenen Summen sehr gering“, sagte der Leiter des IAB- Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“.

Wenn es doch zu Rücküberweisungen komme, sei deren Effekt „nicht per se negativ.“ Zur Begründung sagte Brücker weiter: „Denn mit dem Geld werden in der Regel Familienangehörige unterstützt, die dadurch eher in ihren Ländern bleiben, weil sich ihre Lebensumstände verbessern. Die Vorstellung, dass mit deutschen Asylbewerberleistungen Schlepper finanziert würden, ist schlichtweg realitätsfern.“

Umgekehrt könne es sogar negative Effekte geben, wenn die Bezahlkarte nicht klug ausgestaltet sei. „Sollte diese Karte etwa auf bestimmte Anbieter wie Supermarktketten beschränkt sein, kann es dort zu Preiserhöhungen kommen, denn sie können ihre Preise anpassen, wenn sie wissen, dass Asylbewerber nicht so einfach auf andere Anbieter ausweichen können“, so der Migrationsexperte. Wenn man dagegen überall mit dieser Karte bezahlen könne, werde sie wenig Effekt haben. „Die erhoffte Wirkung wird überschätzt. In jedem Fall wird die Einführung der Bezahlkarte zusätzliches Geld kosten, etwa für die beauftragten Finanzdienstleister“, so Brücker weiter.