Das Symbolbild zeigt ein Schild mit dem Logo von Nord-Stream 2

Karlsruhe | Artikel ergänzt | Ein zuletzt in Polen lebender ukrainischer Tauchlehrer steht im Verdacht, einer der Täter des Anschlags auf die beiden Nord-Stream-Pipelines zu sein. Wie die „Süddeutsche Zeitung“, die ARD, und die „Zeit“ berichten, hat der Generalbundesanwalt im Juni einen Europäischen Haftbefehl gegen den Mann beantragt. Polnische Behörden konnten den Mann jedoch bislang nicht festnehmen.

Der Mann soll nach Überzeugung der deutschen Ermittler einer der Taucher gewesen sein, die Sprengsätze an den Gas-Pipelines in der Ostsee platziert haben. In einem Telefonat mit den Medien zeigte sich der Ukrainer überrascht von dem Vorwurf. Er bestritt, an den Anschlägen auf Nord Stream beteiligt gewesen zu sein.

Den deutschen Ermittlern ist es nach den Recherchen von ARD, SZ und „Zeit“ offenbar auch gelungen, einen weiteren Mann und eine Frau, ebenfalls Ukrainer, zu identifizieren, die mit den Anschlägen zu tun haben sollen. Es handelt sich um zwei Taucher, gegen sie liegt bislang jedoch offenbar kein Haftbefehl vor.

Die Pipelines waren Ende September 2022 durch einen Sabotageakt gesprengt worden – drei von vier Strängen der Pipelines wurden dabei zerstört. Die Ermittlungen werden in Deutschland von der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts geführt.

Die Ermittler hatten zunächst das Segelschiff identifiziert, welches von dem Sabotagekommando verwendet worden sein soll, und die Route weitgehend rekonstruiert. Unklar bleibt weiterhin, wer den Anschlag in Auftrag gegeben haben könnte.

BSW will Erklärung des Generalbundesanwalts zu Nord Stream 

Nach den Medienberichten über einen Haftbefehl gegen einen Ukrainer infolge der Nordstream-Pipeline-Sabotage fordert das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Stellungnahme von Generalbundesanwalt Jens Rommel im Bundestag.

„Wir erwarten, dass Generalbundesanwalt Rommel den Innenausschuss des Bundestages so schnell wie möglich informiert, endlich alle Fakten auf den Tisch legt“, sagte Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der BSW-Gruppe im Bundestag, dem „Tagesspiegel“ (Online-Ausgabe). „Es ist ein himmelschreiender Skandal, dass die Justiz zwei Jahre lang angeblich im Dunkeln tappt und auch den Abgeordneten jede Information verweigert wurde.“

„Wenn ein russischer Agent in Berlin einen Kaffee trinkt, wenn es einen Hackerangriff gibt, werden wir nach zehn Minuten informiert, wer es war, auch wenn die Faktenlage dünn ist“, sagte Ernst: „Man muss kein Kriminalist sei, um zu ahnen, hier wurden Informationen zurückgehalten. Der Verdacht liegt nah: Unsere Ermittlungsbehörden sind deshalb so zugeknöpft, weil es Hinweise auf die Ukraine gibt. Es wäre ein Skandal, wenn Staatsraison dazu führt, dass Spuren in die Ukraine ignoriert und Ermittlungsergebnisse zurückgehalten wurden.“

Die Anschläge gegen die Pipelines könnten „nicht von einem Privatmann oder Stammtischbrüdern organisiert worden sein“, sagte Ernst, „da steht ein Staat dahinter“. Er sagte weiter: „Wenn die Ukraine einen Terroranschlag gegen unsere Infrastruktur organisiert hat, müssen sofort alle militärischen Hilfen infrage gestellt werden.“ Sofern sich herausstelle, dass Polen die Festnahme des verdächtigten Ukrainers verhindert haben sollte, müsse die Bundesregierung das mit der polnischen Regierung klären. „Es wirft ein seltsames Bild auf die Zusammenarbeit der Nato-Staaten, sollte sich der Vorwurf erhärten.“

Grüne sehen Nord-Stream-Sabotage noch längst nicht aufgeklärt   

Der Grünen-Geheimdienstexperte Konstantin von Notz sieht die Ermittlungen zur Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines trotz der Suche nach einem konkreten Verdächtigen längst nicht für abgeschlossen.

„Ich begrüße den Ermittlungsfortschritt in Sachen Nord Stream“, sagte von Notz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). „Wir sind jedoch lange davon entfernt, die gesamte Geschichte zu verstehen, denn bei der Beteiligung von staatlichen beziehungsweise quasistaatlichen Akteuren sind solche Ermittlungen maximal schwierig.“

Im Zusammenhang mit der Sabotage an den Pipelines hat Polen von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl zur Festnahme eines Verdächtigen erhalten, bei dem es sich um einen Ukrainer handelt. Der Vorsitzende des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Bundestagsgremiums (PKGr) mahnte dazu, „gerade wegen der gravierenden auch geopolitischen Auswirkungen“ zum jetzigen Zeitpunkt „mit einfachen Zuschreibungen“ zurückhaltend zu sein und die Behörden entschlossen weiter zu ermitteln lassen.

Der Grünen-Fraktionsvize forderte zudem, Lehren aus dem Sabotageakt zu ziehen. „Wir müssen den Schutz unserer Infrastrukturen und Unternehmen sowie die Resilienz unserer Demokratie weiter erhöhen“, sagte von Notz. „Der effektive Schutz unserer Kritischen Infrastrukturen vor Sabotage muss endlich auch mit dem Kritis-Dachgesetz vorangebracht werden.“ Das Kritis-Dachgesetz soll Vorgaben für einen besseren Schutz wichtiger Einrichtungen machen. Das Innenministerium hatte dazu im Dezember 2022 Eckpunkte vorgelegt, das Gesetz ist aber noch nicht verabschiedet.