Bauernproteste am 8. Januar 2024 in Berlin.. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat eine Verschärfung der Proteste ab Mittwoch angekündigt. „Für heute haben wir einen ruhigeren Tag eingelegt, morgen wird wieder nachgelegt“, sagte Rukwied den Sendern RTL und ntv.

In allen Bundesländern würden die Aktionen die ganze Woche weiterlaufen. Am kommenden Montag gebe es dann eine Großdemonstration in Berlin.

Rukwied lehnte es ab, sich mit der teilweisen Rücknahme der Streichungen für seine Branche zufrieden zu geben. „Zu viel ist zu viel – es reicht und es muss zurückgenommen werden“, so der Verbandschef. Wer weiterhin höherwertige Lebensmittel als im internationalen Vergleich wolle, müsse auch bereit sein, die höheren Kosten mitzufinanzieren, so der Bauernpräsident. „Aus bäuerlicher Perspektive werden wir unterdurchschnittlich gefördert.“

Rukwied erklärte, die Landwirte seien schon häufig kompromissbereit gewesen und hätten Einschnitte ohne Proteste hingenommen. Die Steuererhöhungen nun aber seien zu viel.

Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wurden 2021/22 durchschnittlich mit insgesamt rund 47.600 Euro gefördert. Die Agrardieselsubventionen, die nach den Plänen der Bundesregierung in den kommenden Jahren schrittweise abgebaut werden sollen, kommen im Schnitt auf fast 2.900 Euro pro Betrieb. Wie einschneidend die Kürzungen sind, ist jedoch von Hof zu Hof sehr unterschiedlich.

Die Kürzung von Agrarsubventionen hat der Bundesrechnungshof angeregt. Im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages haben sich alle Fraktionen für ein Ende der Zahlungen ausgesprochen.

Brandenburgs Innenminister sieht Bauernproteste nicht unterwandert 

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sieht keine Unterwanderung der Proteste der Landwirte durch rechtsextreme Gruppierungen. Insgesamt seien die Demonstrationen geordnet und friedlich verlaufen, sagte er am Dienstag im RBB-Inforadio.

Zudem seien die Versammlungsleiter kooperativ und gesprächsbereit gegenüber der Polizei gewesen. „Insofern Entwarnung, was eine aktive, starke Unterwanderung dieser Bauernproteste gestern – und das geht ja noch bis nächste Woche Montag weiter – betrifft“, so der CDU-Politiker.

Der Innenminister äußerte Verständnis gegenüber dem Unmut der Landwirte gegen die Agrarpolitik, „weil seit Jahren, insbesondere bei der jetzigen Bundesregierung, Zug um Zug – und vor allem völlig unberechenbar – für die Landwirte verschiedene neue Beschlüsse und Maßnahmen gefasst werden, wie das plötzliche Wegfallen der Unterstützung bei der Dieselbeihilfe“.

Das betreffe auch die Kfz-Anmeldung der Landwirtschaftsfahrzeuge, „die ja sachlogisch nicht erfolgen muss bis jetzt, weil die meisten landwirtschaftlichen Fahrzeuge keine öffentlichen Straßen benutzen.“ Das bringe die Landwirte, „die eh unter Druck stehen, gewaltig auf die Palme“, so Stübgen.

Rukwied sieht keine Unterwanderung der Bauern-Proteste von rechts 

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sieht keine Unterwanderung der Bauernproteste durch Rechtsextreme. „Die Unterwanderung gab es nicht“, sagte er dem TV-Sender „Welt“ am Dienstag. „Die wird es auch nicht geben und das ist für mich das Entscheidende.“

Man habe sich „in aller Deutlichkeit davon abgegrenzt“, so Rukwied. Beispielsweise habe der sächsische Landesverband die für Montag geplante Großdemo in Dresden auf Mittwoch verschoben, um auch ein klares Signal gegen rechts zu setzen.

Der Verbandspräsident hält das Angebot der Ampel-Regierung an die Bauern für nicht akzeptabel und sieht darin einen Wettbewerbsnachteil für die deutschen Bauern. „Es ist unzureichend, denn am Ende hätten wir dann in drei Jahren neben den Niederlanden den höchsten Steuersatz in der EU. Die Belgier, Luxemburger fahren steuerfrei und das wäre ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für unsere Bauern im gemeinsamen Europa und deshalb muss der Vorschlag zurückgenommen werden“, so Rukwied.

Unterstützung erhofft sich der Präsident des Bauernverbandes durch die SPD-Ministerpräsidenten Schwesig und Weil, da diese aus Flächenländern kommen. „Sie wissen was für negative Auswirkungen das hätte, haben sich hinter uns gestellt“, sagte der Verbandsvertreter. „Und wir sind natürlich in Gesprächen auch mit den Parlamentariern, mit der Bundesregierung im Hinblick auf eine Rücknahme dieser Steuererhöhungsvorschläge.“

Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wurden 2021/22 durchschnittlich mit insgesamt rund 47.600 Euro gefördert. Die Agrardieselsubventionen, die nach den Plänen der Bundesregierung in den kommenden Jahren schrittweise abgebaut werden sollen, betragen im Schnitt fast 2.900 Euro pro Betrieb. Wie einschneidend die Kürzungen sind, ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wie beispielsweise der Größe eines Hofs und der Art der Bewirtschaftung.

Die Kürzung von Agrarsubventionen hat unter anderem der Bundesrechnungshof angeregt. Im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages haben sich alle Fraktionen für ein Ende der Zahlungen ausgesprochen.

Bauernverband hofft auf Einlenken der Ampel bei Bereinigungssitzung

Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied ist zuversichtlich, dass die Subventionskürzungen für Landwirte zeitnah im Bundestag zurückgenommen werden. „Wir setzen darauf, dass es in der Haushaltsbereinigungssitzung am 18. Januar noch Bewegung geben wird“, sagte er dem Nachrichtenportal „T-Online“ am Dienstag.

„Unsere Landesverbände und wir sind im guten Austausch mit den Abgeordneten der Ampelkoalition“, so Rukwied. „Wir hoffen, dass die Signale, die von den Ministerpräsidenten ausgehen, gesehen werden.“

Für die Großdemo des Bauernverbands in Berlin am Montag erwartet Rukwied „deutlich mehr Menschen als bei der letzten Demonstration im Dezember“. Auch andere Gewerke wollten sich beim Abschluss der Aktionswoche den Bauern anschließen. „Wir sind mit Transportunternehmern und Handwerkern im Gespräch. Es haben sich viele solidarisiert.“ Laut Polizei Berlin sind für die Versammlung am Montag bisher 10.000 Teilnehmer sowie 3.000 Schlepper angemeldet.

Habeck ruft Bauern zu Zivilcourage gegen Verfassungsfeinde auf 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat erneut vor einer Unterwanderung der Bauernproteste gewarnt und die Demonstrierenden dazu aufgerufen, sich zum Rechtsstaat zu bekennen. „Ich würde schon unterscheiden wollen zwischen Landwirten, die für faire Löhne, gute Wirtschaftsbedingungen demonstrieren und meinetwegen auch gegen die Bundesregierung, und Menschen, die gegen die Demokratie oder gegen den Rechtsstaat oder gegen den Staat demonstrieren“, sagte Habeck der Sendung „RTL Direkt“ am Dienstag. „Letzteres darf nicht passieren.“

Mit Blick auf Straßenblockaden durch protestierende Bauern und den angekündigten Bahnstreik sagte der Vizekanzler, das sei ein begrenzter ökonomischer Schaden. „Der demokratische kann höher werden“, warnte er. „Alle, die an diesen Staat glauben, an den Rechtsstaat, an die liberale Demokratie, sind gefordert, mit Zivilcourage dann einzuschreiten, wenn eine Grenze überschritten ist.“

Bei den Protesten der Landwirte geht es nach Meinung des Grünenpolitikers nicht nur um die Pläne der Bundesregierung. Die Bauern könnten „die Kosten ihrer Produktion sehr schlecht weitergeben, weil die Preise nicht immer von ihnen gemacht werden, sondern von Discountern, den großen Schlachthöfen, den großen Molkereien“, so Habeck. „Und über dieses strukturelle Problem sollte gesprochen werden.“

Bauern unterstellen Regierung Politik im „Hinterzimmer“

Bauernpräsident Joachim Rukwied wirft der Ampelregierung Ignoranz gegenüber den Landwirten vor. „Die Demonstrationen sind Beleg dafür, dass die Regierung zu wenig Kontakt mit den Betroffenen hat, dass man sehr stark aus der urbanen Blase Berlins heraus Politik für – manche sagen auch gegen – den ländlichen Raum macht“, sagte Rukwied dem „Spiegel“. „Wir sind im ständigen Austausch mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, mit den Länderagrarministern, mit den Parlamentariern, aber in der Regierungszentrale will man uns nicht hören. Bei den jetzigen Entscheidungen war sogar Landwirtschaftsminister Özdemir offenbar nicht eingebunden. Die Sache war möglicherweise eine Entscheidung im Hinterzimmer zwischen den Herren Scholz, Habeck und Lindner“, sagte Rukwied.

Zugleich warf er der Regierung schlechte Absprache vor: „Wir sind gut vernetzt in Berlin, aber wenn sogar der Ressortchef nicht eingebunden wird, läuft bei der Kommunikation innerhalb des Kabinetts etwas falsch. Dass da in Berlin etwas nicht stimmt, zeigt sich nun auch daran, dass sich die Ministerpräsidenten Stephan Weil und Manuela Schwesig ganz klar hinter uns und damit gegen den Ampelbeschluss gestellt haben.“ Der Verbandschef machte deutlich, dass die Landwirte den Protest fortführen wollen. „Die Ampel ist nicht wirklich eingeknickt. Sie hat einen unzureichenden Vorschlag gemacht – nämlich ein Sterben auf Raten, was den Agrardiesel anbelangt“, sagte Rukwied. Zugleich machte er deutlich, dass Landwirtschaft in Deutschland aus seiner Sicht ohne Subventionen nicht machbar sei: „Das halte ich nicht für realistisch. Unsere Gesellschaft wünscht sich mehr Tierwohl. Auf den Feldern wirtschaften wir nachhaltiger als in vielen anderen Teilen der Welt. Im globalen Vergleich haben wir eine klein strukturierte Landwirtschaft, vor allem in den älteren Bundesländern. Das alles hat am Ende höhere Kosten zur Folge. Die meisten unserer Höfe können schwer mit Großbetrieben in der Ukraine, Südamerika oder Nordamerika mithalten. Darum braucht es auch finanzielle Unterstützung, sonst wird der Strukturwandel beschleunigt.“